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Store-Check Billa Demir: Der Kaufmann von Wien

Bei Billa in Österreich stehen die Zeichen auf Umbruch. Ende 2022 gingen die ersten drei Filialen in die Hände von selbstständigen Kaufleuten. Einer davon ist Sadik Demir, der mit seinem Markt in Wien durchstarten will.

Sadik Demir ist einer von drei ehemaligen Marktleitern, denen Billa nun den Schritt in die Selbständgkeit ermöglicht hat. Foto: Claudia Jörg-Brosche
Von Claudia Jörg-Brosche | Fotos: Claudia Jörg-Brosche

Die Veränderungen im Inneren des Marktes am Rande von Wien sind noch recht dezent, und auch von außen ist nur bei genauem Hinsehen ein Unterschied erkennbar. Aber was man von deutschen Märkten der Rewe Group gewohnt ist, findet man nun erstmals auch bei jenen der österreichischen Billa-Schwester: Neben dem Logo prangt prominent ein Namensschriftzug, in diesem Falle der Name „Demir“.

Dieses kleine Detail ist in der Tat eine große Neuheit, denn sie betrifft die interne Struktur – und die ist brandneu: „Billa Demir“ ist der erste Billa-Kaufmann-Markt in Wien (und der dritte in Österreich). Heißt: Inhaber Sadik Demir ist zu 100 Prozent selbstständig, steht aber unter dem Schutzschirm der Billa AG und genießt das Know-how und die Expertise der gesamten Rewe-Gruppe (s. Kasten r.).

Demir ist einer von drei Billa-Kaufleuten, die zum Start von dem im Juli 2022 gegründeten Ressort „Großhandel und Kaufleute“ profitieren. Und das Konzept soll weiter wachsen, denn 2023 sollen schon insgesamt 15 Kaufmänner bzw. Kauffrauen, die heute Billa- und Billa-Plus-Märkte führen, nachziehen. Bis ins Jahr 2026 sollen es rund 100 selbstständige Billa-Kaufleute werden.


"Für mich war es logisch, in die Selbstständigkeit zu wechseln, denn hier kann ich meine Handschrift einbringen."

Sadik Demir, Billa-Kaufmann, Wien


Selbstständigkeit als neue Perspektive

Eröffnet wurde die Filiale von Sadik Demir mit der schicken, gerundeten Holzfassade im 14. Wiener Gemeindebezirk als „normaler“ Bestandsmarkt bereits Ende 2020 – am 14. November 2022 erfolgte dann jedoch der Wechsel zu einer der ersten Kaufmann-Filialen unter Billa-Flagge. Demir fing 2012 bei Billa an und konnte zuletzt als Billa-Plus-Marktmanager umfangreiche Erfahrung sammeln.

„Für mich war es ein logischer Schritt, in die Selbstständigkeit zu wechseln, hier kann ich meine persönliche Handschrift einbringen“, erklärt der 37-Jährige sein Motiv. „Als Kaufmann bin ich viel näher an den Kunden, kann ihre Wünsche schneller umsetzen und das Sortiment flexibler anpassen. Mein Billa-Markt liegt in einem Außenbezirk von Wien an der Grenze Stadt-Land. Diese Tatsache ist besonders spannend, und ich beabsichtige, beide Gebiete in meinem Markt zu vereinen.“ 

So stehen regionale Spezialitäten und kleine Lieferanten aus der unmittelbaren Umgebung im Mittelpunkt. Des Weiteren sucht Sadik die Einbindung der Schulen und Gemeinden rundum. „Das Partnerschaftsmodell mit der Aufteilung 80 Prozent Kaufmann, 20 Prozent Billa bietet mir Eigenständigkeit mit überdurchschnittlichem Support, ein zuverlässiges Sicherheitsnetz und damit verringertes Risiko“, erklärt Demir.


"Das Partnerschaftsmodell mit der Aufteilung 80:20 bietet mir Eigenständigkeit mit verringertem Risiko."

Sadik Demir, Billa-Kaufmann, Wien


 

Regionale Kostproben

Der Eröffnungstag der neuen Kaufmann-Filiale ist natürlich ein ganz besonderer: Gleich beim Eingang gibt es die naturbelassenen Fruchtsäfte der Firma Altenriederer zu verkosten. Ein paar Meter weiter offeriert die „Wiener Bezirksimkerei“ süße Leckereien: Ihren Honig gibt es für alle 23 Wiener Gemeindebezirke getrennt abgefüllt (insgesamt leben in der österreichischen Hauptstadt 350 Bienenvölker).

Interessant ist die Eigenkreation „Oximel“ aus Essig und Honig als gesunder Shot (Preis: 14,90 Euro für 200 ml). Alle Produkte sind rein biologisch (das ist möglich, da die Stadt Wien ihre Grünflächen nicht spritzt) und wurden mit dem Bio-Preis 2023 ausgezeichnet. Die Wiener-Bezirksimkerei-Geschäftsführerin Adriana Traunmüller klopfte in der Vergangenheit daher bereits wiederholt – jedoch erfolglos – bei der Billa AG an. Kaufmann Demir hingegen sah das Potenzial, agierte wendig und führt nun als Erster in seiner Billa-Filiale die Produkte der fleißigen Bienen und Imker ins Sortiment ein.
 
Weitere regionale Spezialitäten im Markt sind die Backwaren des Waldviertler Familienunternehmens Ehrenberger: „Mohnzuzler“ (Mohnzelten) sowie Schwarzbrot aus geschütztem Waldviertler Roggen. Ein Sondertisch präsentiert Speck-, Selch- und Wurstwaren von „res frumentariae“. Diese deftigen Spezialitäten aus rein österreichischem Fleisch werden nach einer traditionellen, zeitintensiven Methode produziert und kommen ganz ohne Zusatzstoffe wie Pökelsalz oder Konservierungsmittel aus. Sie sind ungekühlt ein halbes Jahr haltbar, ein Kilogramm „gesunder“ Bauernspeck kostet 25,50 Euro, ein Kilogramm Käsewurst 22,90 Euro.

Regionalität ist für Billa-Kaufmann Demir überhaupt ein zentrales Thema, das sich erkennbar und wiederkehrend durch den Markt zieht. So finden sich in seinen Regalen noch weitere lokale Spezialitäten: beispielsweise Pesto und Gemüseprodukte der Firma Grossauer Edelkonserven, Nudeln von Zimmermann, Saucen von Das Österreicher, steirisches Kürbiskernöl von Hamlitsch oder Speisekürbisse von Schmidt. Das alles trägt die Handschrift des frischgebackenen Kaufmanns Demir.

Umfangreicher Support

Wie aber sieht sie konkret aus, die Unterstützung von Billa für die Neu-Selbstständigen? Als Basis stellt Billa der gemeinsamen Gesellschaft zunächst ein ausgewogenes und preislich attraktives Grundsortiment zur Verfügung. Somit findet der Kunde all das, was er sich von einem Billa-Markt erwarten darf: die erfolgreichen Klassiker, Produkte der Eigenmarken wie etwa Billa immer gut, Billa Genusswelt oder Clever (Budget) und ein umfangreiches Angebot für die schnelle Küche (z.B. Chef Menü). Darüber hinaus agieren die Kaufleute in ihrer Sortimentsgestaltung jedoch eigenständig und erweitern das Basisangebot nach eigenem Gutdünken. 

Billa unterstützt die Kaufleute darüber hinaus beim Design der Märkte, beim Einkauf mit dem bestehenden umfassenden Lieferanten-netzwerk, bei Dienstleistungen, technischem Support sowie Fragen zu Energieeffizienz und stimmt wichtige Entscheidungen wie Investitionen gemeinsam ab. Darüber hinaus erhalten Billa-Kaufleute ein Dienstleistungspaket mit allen notwendigen Tools, um den Markt erfolgreich zu führen. 

Die Vorteile des Modells sind klar: Altbewährtes bleibt bestehen, Neues kann schneller integriert werden, und beide Seiten haben sichere Rahmenbedingungen. Bestes Beispiel: Trotz der Übergabe des Marktes in die Hände von Kaufmann Demir blieb eine langjährige Kooperation mit der „Wiener Tafel“ zur Lebensmittelrettung und Weitergabe an sozial Bedürftige bestehen.

Auch an bereits getroffenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen hält Demir selbstverständlich weiter fest: eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach deckt den Energiebedarf des Marktes. Sadik Demir ist zwar noch nicht lange Billa-Kaufmann, doch er bereut den Schritt in die Selbstständigkeit keinesfalls. „Es macht viel Spaß und läuft hervorragend an“, resümiert er.

 


INTERVIEW

 

Wie groß ist das Sortiment der Feinkostabteilung?
Bei uns gehören zur klassischen Feinkost mit Wurst, Schinken, Käse, Aufstrichen usw. auch Backwaren. Das Sortiment umfasst rund 650 bis 750 Produkte.

Was geben Sie bei der Ausbildung den Anfängern mit auf den Weg? 
Freundlichkeit, Reinheit, Blickkontakt! Sowohl die Kleidung als auch der Arbeitsbereich müssen immer blitzsauber sein. Wichtig ist mir auch, dass die Lehrlinge stets nach Zusatzkäufen fragen. Bei den Backwaren, die wir hier selbst backen, hat Qualität oberste Prämisse. Dazu gehört, dass die Rohlinge genau am Backblech ausgerichtet werden, sich also nicht berühren und die vorgegebene Stückzahl exakt eingehalten wird. 

Welche Produkte sind bei den Kunden besonders gefragt?
Bio-Qualität ist mittlerweile enorm wichtig. Und immer mehr Kunden wünschen glutenfreies Gebäck. Dauerbrenner sind Bio-Landschinken und beim Käse Bio-Alpenkönig und Bio-Gouda. Guten Anklang finden auch unsere selbstgemachten Aufstriche und Frischkäsezubereitungen sowie Feinkostplatten und Geschenkkörbe, die wir nach den Wünschen unserer Kunden individuell zusammenstellen.


 

MARKTDATEN

Billa Demir OG, Wien

  • Adresse: Hauptstraße 30, 1140 Wien/Österreich, Tel. +43 05 9915 51457, www.billa.at/demir 
  • Eröffnung: 14. November 2022
  • Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 7 Uhr bis 19.15 Uhr, Samstag 7.15 Uhr bis 18 Uhr 
  • Verkaufsfläche: 1.000 m²
  • Besonderheiten: Geschenksets Art Design; Sprinkled for Epic Bakes by Zoi & Co (österreichisches Familienunternehmen für glitzernde Backzutaten); erweitertes Sortiment von Balkanprodukten und der Wiener Bezirksimkerei. 
  • Besonderheiten Sortiment: 600 Bio-Artikel, 250 regionale Produkte, 335 Fleisch- und Geflügelprodukte (ohne Wurstwaren), ca. 68 verschiedene Weine
  • Kassen: 4
  • Mitarbeiter: 27 (davon zwei Auszubildende)

INFO

Das neue Billa-Kaufmann-Modell in Österreich

Ende 2022 fiel der Startschuss für das neue Billa-Kaufleute-Modell – ein in Österreich neues und einzigartiges Konzept. Am 27. Oktober 2022 
eröffnete in Gloggnitz in Niederösterreich der erste Billa-Kaufmann-Markt von Marko Miskovic; am 14. November folgten die beiden Billa-Kaufleute Sadik Demir (Wien, 14. Bezirk) und Thomas Wojteckovsky (Pöttsching im Burgenland).

In Österreich wurden bis dato nur ADEG-Märkte selbssttändig geführt. Mit dieser neuen, niederschwelligen Kaufleute-Option wird das Billa-
Portfolio (zusätzlich zu Billa und Billa Plus) nun erweitert – und soll mittelfristig die Rewe Group beim Kunden wieder zur Nummer eins in der Alpenrepublik machen. 

Das Österreich-Modell als gemeinsame Gesellschaft – 80 Prozent Kaufmann – 20 Prozent Billa – wurde über zwei Jahre entwickelt. Das Partnerschaftsmodell mit zuverlässigem Sicherheitsnetz unterscheidet sich dank verringertem Risiko von anderen. Rechtsform ist eine OG (offene Gesellschaft; ähnelt der oHG in Deutschland). DieKapitalerfordernisse sind relativ gering: Der Kaufmann/die Kauffrau startet nach Einzahlung eines niedrigen fünfstelligen Euro-Betrags. Die Marktmiete gestaltet sich umsatzabhängig, was das Risiko gegenüber einer Festmiete deutlich verringert. Konkrete Zielgruppe sind Marktmanager und Außendienstmitarbeiter.

 

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