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Store-Check E-Center Haid, Tübingen: Riesig, aber voller Atmosphäre

Eine Großfläche, die einlädt, länger einzukaufen als geplant? Das gibt es wirklich. Edeka-Kaufmann Andreas Haid hat den ehemaligen Real-Standort in Tübingen-Weilheim zu einem sympathischen Einkaufsort ausgebaut.

Entspannter Herr über 6.000 Quadratmeter Verkaufsfläche: Andreas Haid.
Von Martina Kausch | Fotos: Ulrich Metz

Dieser Blick zurück hat es in sich. Da steht man nun vor der Frischetheke, lässt die Augen Richtung Eingang schweifen und erkennt – nichts mehr. Ganz klein sind die Menschen dort hinten, nur mosaikbunt sieht das aus, was beim Vorbeigehen eben doch noch eine Obst- und Gemüseabteilung war. Nach kurzem Staunen über das, was Physiker den Sehwinkel nennen, erklärt Kaufmann Andreas Haid auch schon sein Konzept der sechs Welten im Nonfood-Bereich, denn: Nur eine gegliederte Großfläche ist eine einladende Großfläche. Der Kunde darf sich auf 6.000 Quadratmetern nicht verloren fühlen, der Markt darf nicht anonym und riesig wirken. 
Der Empfang jedenfalls begrüßt den Kunden sofort positiv. Noch vor der Obst- und Gemüseabteilung sorgen Blumen und Grünpflanzen  des Anbieters Bart & Bastian für eine gute Atmosphäre, die Tulpensträuße zum attraktiven Preis sind schon im Januar/Februar ein guter Einkaufs-Opener.

Coeur de Boeuf und Dattelfreude

Mitten in der Abteilung steht dann ein achteckiges Rondell mit Satteldach, das beim Store-Check-Besuch jahreszeitengerecht mit dem Zitrusfrucht-Sortiment bespielt wird, aber Raum für Ideen gibt: In der Weihnachtszeit stand hier der Tannenbaum, Platz für Saisonartikel ist genug. Das O&G-Sortiment lässt von der Pilzbar einschließlich frischer Pilzmischungen – sogar getrockneter Pfifferlinge – bis hin zu Coeur de Boeuf, also Ochsenherz- Tomaten, und drei Sorten Datteln keine Wünsche offen. Verbundplatzierungen geben dem Kunden Anregungen, durch Warenkunden erhalten Kunden Ideen zu Genuß und Verarbeitung besonderer Sorten. Man spaziert durch die Abteilung und wird immer neugieriger. Das Bio-Sortiment ist gut  platziert, schön präsentiert  und umfasst neben Bioland- und Demeter-Ware auch gekühltes Obst und Gemüse.


“Ich finde es einfach toll, den Kunden so viel bieten zu können und Masse im positiven Sinn zu zeigen.”

Andreas Haid, Edeka-Kaufmann



 

Zeitlos freundlich mit viel Holz

Andreas Haid erklärt beim Rundgang, wie er sich seinen Markt vorgestellt hat, seit die Möglichkeit der Selbstständigkeit langsam spruchreif wurde. Der gebürtige Tübinger hat bereits seine Ausbildung bei Real gemacht und schon in dieser Zeit das Positive der Großfläche kennen- und schätzen gelernt. Als Marktleiter war ihm klar: „Ich möchte einen zeitlosen Markt, der in einigen Jahren noch gut funktioniert.“ 2022 wurde dann der Real-Standort in Tübingen-Weilheim geschlossen, Ende 2023 begannen die Planungen durch die Edeka Südwest, Ende Oktober  2024 wurde eröffnet. Helle und freundliche Beige- und Naturtöne schwebten Andreas Haid für den Markt vor – und genau so präsentiert er ihn nun. 

Anregungen für die Ausstattung bekam der Kaufmann aus seinem über die Jahre entstandenen Netzwerk. Da gibt es die hölzernen Akustikpanele an der Wand, die einerseits den Schall dämpfen, aber außerdem eine stilvoll-natürliche Wanddekoration sind und sich als Hintergrund für die Beschriftung eignen. Ein anderer Hingucker ist die Mooswand – ein großdimensioniertes grünes Wandbild, das Schall absorbiert und den Edeka-Schriftzug prächtig zur Geltung bringt.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Aufgabe, die ehemalige Real-Großfläche am Stadtrand von Tübingen und in einer von Gewerbe geprägten Umgebung zu einem Edeka-Center zu machen? Der Umbau war kompliziert. Andreas Haid erinnert sich daran, wie Bagger und anderes schweres Gerät mitten im Gebäude standen, der Markt total entkernt wie eine riesige Halle wirkte. Wie es ihn beruhigte, als die Regale aufgestellt wurden und die Einkaufswelt mit einiger Verzögerung Gestalt annahm. 

Aber auch Personal zu finden, entpuppte sich als schwierig: Haid betreibt den Markt mit rund 100 Mitarbeitenden – und  brauchte neben anderen Profis auch zwei Metzgermeister. Hunderte Bewerbungstermine und  viele Gespräche später stand das Kernteam – vor allem auf gute, über viele Jahre 
gepflegte Kontake habe er bauen können, sagt der Kaufmann, für den Kollegialität grundsätzlich auch über Handelsunternehmens-Grenzen hinaus geht.

Veggie weit weg von der Frischetheke

Zurück zum Marktrundgang. Überraschend folgt im Kundenlauf im Anschluss an Obst und Gemüse die Bake-off-Ware neben der umfangreichen, gekühlten  Veggie-Welt. Diese Platzierung folgt der Erfahrung des Kaufmanns: Viele Veggie-Kunden möchten gar nicht in die Nähe der Fleisch- und Wursttheke kommen – diese Sortimentsaufteilung kommt diesem Wunsch nach. Auch wer sich nur kurz mit dem Nötigen für Brotzeit- oder Mittagspause versorgen will, wird hier fündig und kann sofort in Richtung Kasse abbiegen.

Allerdings versäumt er eine Menge. Jeweils durch ein Querregal getrennt, kann der Shopper auf dem Weg zur Frischetheke an der hinteren Marktwand abbiegen: In die Frühstückswelt mit Konfitüren, Marmeladen, Müslis, Trockenfrüchten, haltbaren Backwaren. In die Spielzeugwelt, die weit mehr als nur kleine Mitbringsel umfasst und vor Weihnachten ihre Feuer- bzw. Feierprobe bestanden hat. Ein besonderer Eyecatcher ist ein stilvoll britisch anmutendes Großregal zum Thema Backen und Kochen: Diese Backutensilien möchte man sofort mitnehmen. Die Auswahl in der Haushaltswarenabteilung geht weit über das übliche Edeka-Angebot hinaus.

TV, Toaster, Wasserkocher

Zu einer Großfläche gehört im E-Center Haid eine Welt der Elektrogeräte mit weißer Ware und Unterhaltungselektronik einschließlich TV-Geräten. Man versuche, alle Kleingeräte  für das tägliche Leben anzubieten, erklärt Haid mit Blick auf das Sortiment von Kaffeemaschinen, Wasserkochern und Toastern. Später kommt man zu der Bekleidungsabteilung: Die Basics von Kopf bis Fuß, von Anoraks bis Nachwäsche sind hier im Angebot. Thalia ist mit einem Shop-in-Shop an einem bewusst ruhig gehaltenen Ort im Markt mit Büchern und Zeitschriften vertreten („Die Kunden sollen schmökern können“, sagt Andreas Haid), Budni mit der Drogerieabteilung. 

Mit einer 104-jährigen Geschichte betreibt das Drogerieunternehmen Budnikowsky in und um Hamburg über 180 Filialen. Um eine überregionale Expansion zu realisieren, vereinbarte man 2017 eine Kooperation mit Edeka, seitdem sind in einigen neuen Edeka-Märkten Budni-Shop-in-Shops installiert. Die Kosmetikwelt im neuen Tübingen-Weilheimer Markt ist sympathisch: Hell und mit ähnlichen natürlichen Farben wie der gesamte Markt gestaltet, ist die Abteilung geschmackvoll einladend und bietet auf 125 Quadratmetern Verkaufsfläche rund 8.500 Artikel des Drogeriesortiments mit dem Fokus auf Körperpflegeprodukte, aber auch dekorative Kosmetik, Düfte und eine kleine Auswahl an modischen Accessoires. Punkten will Budni vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit und Naturkosmetik. Der Name Budni Beautybox ist angesichts dieses Angebots eine glatte Untertreibung.


“Es gibt keinen Ort im Markt, für den, wir nicht einen Plan oder eine Idee für saisonale Ware und Aufbauten haben.”

Andreas Haid, Edeka-Kaufmann


Zur Halbzeit eine Sitzbank

Hat man die Drogeriewelt erreicht, steht man  an der Rückseite des Marktes und damit vor der eindrucksvollen Frischetheke samt Dry- Aged-Schrank und Fischrondell. Sinnvollerweise hat Andreas Haid an eine Sitzbank für Kunden gedacht – schließlich feiert man hier Halbzeit im Kundenlauf. Vor dem Thekenbereich realisiert man besonders, wie großzügig das Platzangebot ist und wie viel Gestaltungsraum es in den Marktwelten gibt.

Der muss überall bespielt werden – aber für diese Aufgabe ist Andreas Haid mit seiner Flächenerfahrung prädestiniert: „Es gibt keinen Ort, für den wir nicht einen Plan oder eine Idee für saisonale Ware haben.“ Saisonale Themen kann er als Sonderaufbauten präsentieren, vor dem Superbowl-Event etwa geht es in einer Sonderplatzierung um Partyartikel und allerlei Junkfood. Keine Chance, das zu übersehen. Aber auch regionale Erzeuger werden auffällig ins rechte Licht gerückt. Beispielsweise sind die vielen Produkte von 170 Bioland-Bauern unter dem Label Landmacher in Holzkisten auf Strohballen ein Hingucker. Das Sortiment umfasst vieles, von Fuchtauf-strichen über Hülsenfrüchte wie rote Linsen bis zu Urkornkeksen. Die regionalen Eier finden sich in einem Häuschen-ähnlichen Extraregal. Überhaupt hat der Markt ein breites Bio-Angebot, dazu gehört beispielsweise ein besonders umfangreiches Rapunzel-Sortiment.

Service bis zum Tübingen-Puzzle

Die umfangreiche Mopro-Abteilung ist mit Holzumrahmungen der Kühlschränke schön gemacht, zur guten Orientierung tragen diese zudem Sortimentshinweise. Auf dem Rückweg durchquert man eine schöne Wein- und Spirituosen- sowie eine sehr großzügige und übersichtliche Getränkewelt mit viel Regionalem, die man durch einen zweiten Markteingang separat erreichen kann.

Das Thema Kundenservice schreibt Andreas Haid groß. Das Vorbereiten von Wurst- und Käseplatten und  Zusammenstellen von Geschenkkörben und kostenloses WLAN ist aber nichts gegen die tolle Idee eines exklusiven Tübingen-Puzzles, das der Kaufmann zu Weihnachten in seinen beiden Märkten vertrieben hat und das bis auf das letzte Stück ausverkauft ist. Hinweise auf die regionale Verwurzelung des Marktes bieten auch die vielen Fotografien von Stocherkähnen – den Booten, mit denen jedes Jahr im Frühsommer die traditionell munteren Rennen auf dem Neckar ausgetragen werden. Die umfangreiche TK-Abteilung lädt am Ende des Kundenlaufs ein – auch hier ist die Beschriftung auf Holzschildern über den Truhen mit Basen in Holzoptik angebracht.

Der neue Markt hat neben der üblichenLED-Beleuchtung und Kühlregalen mit Glastüren eine CO2-Kälteanlage und ein effizientes Heiz- und Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung sowie ein Energie-Monitoring-System. Die breiten Gänge setzen sich bis in die Kassenzone aus sechs Selfscan- und sieben konventionelle Kassen fort: Auch mit Kinderwagen oder Rollstuhl kann man die Kassen bequem passieren.


Das Echo im Netz

Jeder neue Markt findet im Internet ein breites Echo, so auch der von Andreas Haid. Die Kommentare und Bewertung zeigen die große Leistung der Edeka Südwest und des Kaufmanns, aber auch die Herausforderungen, die eine Großflläche mit sich bringt – insbesondere die Obst- und Gemüseabteilung ständig top zu halten, ist eben eine Aufgabe. Die helle, moderne Ausstattung, das Riesensortiment und die Freundlichkeit aber punkten bei den Bewertungen.


INTERVIEW

Andreas Haid, Edeka-Kaufmann

Eine Großfläche zu bespielen, ist eine besondere Herausforderung. Warum stellen Sie sich der Aufgabe? 
Ich habe auf der Großfläche meine Ausbildung gemacht und immerhin schon 16 Jahre Erfahrung mit solchen Formaten. Ich finde es einfach toll, den Kunden so viel bieten zu können und Masse im positiven Sinn zu zeigen.

Aber es gibt doch sicher Augenblicke, wo Ihnen bewusst wird, was Sie in diesem Riesenmarkt bewegen? 
Ja! Das Gebäude wurde ja vor der Übernahme komplett entkernt, hier standen Bagger und schweres Gerät mitten drin! Als dann der Fußboden gelegt war, stand man in einer leeren Riesenhalle. Aber als dann die Regale standen, habe ich mich einfach unglaublich gefreut, und das ist bis heute so.

Welche Erfahrungen sind positiv? 
Die Reaktion vieler Kunden, die total begeistert sind und die den Mitarbeitenden und mir sagen, wie gern sie hier einkaufen und wie schön es sei, dass dieser Standort wieder geöffnet ist. 


MARKTDATEN

Edeka-Center Haid, Tübingen-Weilheim

  • Adresse: Alte Landstraße 45, 72072 Tübingen-Weilheim
  • Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 8 bis 22 Uhr
  • Eröffnet am: 23. Oktober 2024
  • Verkaufsfläche: 6.000 m2, inkl. Getränkemarkt 1.000 m2
  • Zahl der Produkt: rund 60.000
  • Zahl der Bio-Produkte: rund 3.000
  • Zahl der Mitarbeitenden: 100
  • Länge der Frischetheke: 18 Meter
  • Gastrobereich: 20 Sitzplätze
  • Parkplätze: rund 400
  • Ladenbau: Linovag (Regale), Carrier (Kältetechnik)

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