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Store-Check: Galeria Kaufhof in Frankfurt - Pilotprojekt in Premiumlage

Kurz vor der Insolvenz und nicht mehr zeitgemäß: Diese Attribute prägten zuletzt das Bild des Konzerns Galeria Kaufhof Karstadt. Nun will man mit der Galeria-Filiale in Frankfurt die Weichen in Richtung Zukunft stellen.

Von Alexander Thürer | Fotos: Heiko Rhode

Gerade einmal ein knappes Jahr ist es her, dass man bei Galeria Kaufhof Karstadt (GKK) den großen Schuldenschnitt feierte und somit ein ebenso langwieriges wie existenzbedrohendes Insolvenz-verfahren erfolgreich abschloss. Und auch die pandemie-bedingten Lockdowns konnten dank eines Darlehens von gut 460 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds abgefedert werden. Unstrittig jedoch blieb die Tatsache, dass bei GKK vor dem Hintergrund noch immer zu hoher Mieten, abnehmender Frequenz in den Innenstädten, einer Vielzahl von Filialen, konstant hohen Kosten und einer unklaren Positionierung im Markt Handlungsbedarf im großen Stil bestand. Der 27. Oktober 2021 könnte jedoch den Tag des Aufbruchs markieren, denn da gingen in Frankfurt am Main, Kassel und Kleve unter der neuen Marke Galeria zeitgleich drei Showcase-Filialen ans Netz. Jene an der Frankfurter Hauptwache übernimmt dabei die Rolle des strahlenden Flaggschiffs, der Blaupause für zukünftige Warenhäuser in den Top-Lagen deutscher Metropolen. 
 

Lage, Lage, Lage und Eventification

Das macht Sinn, immerhin ist diese Filiale mit einer absoluten Premiumlage gesegnet: mitten auf der Zeil, einer der frequentiertesten Einkaufsstraßen Deutschlands, mit direkter Anbindung an den U-Bahnhof im Untergeschoss und nur 20 Minuten vom Drehkreuz Frankfurt Airport entfernt, das viele zahlungskräftige Kunden aus dem asiatischen und arabischen Raum vor die Tore spült – mehr Eins-a-Lage geht kaum.
Trotzdem hat diese Positionierung im Herzen der Stadt zuletzt nicht mehr gereicht. Was 
also ist jetzt anders? Gleich geblieben ist zunächst einmal die Überzeugung, dass es weiterhin einen Bedarf an stationärem Handel in Innenstadtlage sowie an Warenhäusern gibt. Der Schlüssel zum zukünftigen Erfolg der Galeria 2.0? 

Erlebnisse schaffen, inspirieren, sogenannte Multi-Moment-Besuche ermöglichen, sei es durch Angebote wie Sneaker-Reinigungsservice, Fotoshop oder Schlüsseldienst oder durch hochwertige Gastronomieanbindung jenseits der angestaubten Galeria-Restaurants sowie die aufwendige Inszenierung von Lebensmitteln. Genau dort setzt die überarbeitete und aufgehübschte Markthalle Galeria in Frankfurt an. Man wolle wieder Leistungsführer sein in Sachen Frische, Feinkost, Wein und Spirituose, so das neue (alte) Selbstverständnis. Das habe der Kunde zuletzt nicht mehr so wahrgenommen. 

Hochwertig versus hochpreisig

Rein optisch äußert sich diese neue Herangehensweise vor allem durch einen sehr aufgeräumten, hellen, fast sterilen Look, der sich durch alle Abteilungen zieht und nur von gezielt gesetzten Akzenten aufgebrochen wird. Doch diese reichen aus, um unangenehmes oder kaltes Klinikambiente zu vermeiden und eine positive Einkaufsatmosphäre zu schaffen. Alles wirkt hochwertig und edel, ohne dabei hochpreisig anzumuten. Ein Spagat, der umso wichtiger wird, betrachtet man die beiden Eingangsbereiche zur Markthalle. Diese betritt man einerseits über das im ersten Untergeschoss angesiedelte Reisebüro. Hier gelangt man über eine Rolltreppe direkt in die üppige, 400 Quadratmeter große Süßwarenabteilung. Oder aber man wählt den Eingangsbereich an der U-Bahn-Station, der zu frühmorgendlichen Stoßzeiten, wenn die Markthalle noch geschlossen hat, losgelöst vom Rest geöffnet wird. Darin angesiedelt befindet sich die Carlotta Bäckerei (in diesem Falle bespielt vom Bäckereipartner Heberer), die mit einem eigenen kleinen Café-Bereich zum Zwischenstopp einlädt. Hochwertigkeit vermitteln, ohne teuer zu wirken, ist gerade hier sehr wichtig. 
 

Direkt an den Café-Bereich schließt sich die umgestaltete Obst- und Gemüseabteilung mit neu integriertem Infarm-Gewächshaus (ein Teil der hier kultivierten Pflanzen wandert übrigens direkt ein paar Meter weiter in die Töpfe des Gastronomiebereichs) und einer Saftbar an, wo sich Kunden Säfte und Smoothies ganz nach Gusto frisch pressen lassen können. Damit einher geht der neu implementierte Beratungsansatz, der nun auch im O&G-Bereich gelebt wird. Ein bisschen wie auf dem Viktualienmarkt solle es sein, so die Idee. So stammen gut 20 Prozent des Sortiments aus direkt bezogenen, lokalen beziehungsweise regionalen Quellen. Der Umsatzanteil von Bio-Ware liegt hingegen noch bei fünf bis zehn Prozent. Was ebenfalls ins Auge fällt, ist der große Anteil an unverpackter Ware, was dem O&G-Bereich einen authentischen Marktstandcharakter verleiht. Wöchentlich wechselnd sollen zudem küftig am Eingang die lokalen Lieferanten präsentiert werden. Die Zeiten, in denen hier das Thema O&G im Vergleich zu Fleisch und Fisch fast stiefmütterlich behandelt wurde, sind also vorbei.
 

Abheben von den Mitbewerbern will sich aber weiterhin auch das Sortiment der Fleischtheke, wo der Fokus auf Rind- und Wildfleisch gelegt wurde. Auch der mittlerweile fast obligatorische Dry-Aged-Reifeschrank fehlt nicht und unterstreicht den hochwertigen Anspruch. Das klassische Schweinefleisch mittlerer Preisklasse rückt hingegen in den Hintergrund. Fleisch und Wurst werden von lokalen wie überregionalen Partnern bezogen, auf eine eigene Metzgerei hat man bewusst verzichtet. Optisch aufgewertet wird die Abteilung nun auch von einem einsehbaren Kühlhaus, und beim Blick über die Bedientheke fällt sofort auf: Dem Kunden wird niemals der Rücken zugewandt, denn die Schneidemaschinen wurden gezielt nach vorn zum Kunden hin ausgerichtet.

Kernthema Frische 

Direkt gegenüber und die mit rustikalem Schwemmholz verkleidete Fleischtheke hell kontrastierend, findet sich die Käsetheke, die mit stolzen 700 Sorten Käse aus aller Welt aufwartet, darunter auch einige Eigenkreationen wie eine Trüffeltorte oder mit Portwein veredelter Blue Stilton. Angebotsbreite für vielfältige Kundenschichten, mit Highlights, die es so nur hier gibt – das soll das Markenzeichen der neuen Galeria sein. Gepaart mit tiefgehender Beratungskompetenz, die im Falle der Käsetheke von Abteilungsleiterin Elif Seker sichergestellt wird (siehe Interview oben), soll dem Kunden ein einzigartiges Shopping-Erlebnis geboten werden. Das gilt auch für die nur einige Schritte weiter angesiedelte zwölf Meter lange Fischtheke. Auch sie punktet nicht nur durch Inszenierung, sondern vor allem durch Angebotsqualität. Hier landet vorranging Ware aus nachhaltiger und transparenter Quelle. Fanggebiete werden offen kommuniziert, dazu gibt nachhaltig gefangene Island-Ware, Fisch in Bio-Qualität und zum Beispiel White-Tiger-Garnelen aus nachhaltiger deutscher Aquakultur sowie frische Bélon-Austern. Mitten in diesem verführerischen Spezialitätenangebot aus hochwertigem Fleisch, feinstem Käse und exquisitem Seafood wurde der Gastrobereich platziert, bestehend aus Frischeküche, Sushi-Bar (bespielt von Maruyasu) und Champagner-Bar.
 

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INTERVIEW

Ihre Käsetheke bietet ein breites Sortiment. Wie viele Sorten sind hier versammelt und welche Verbrauchertrends erkennen Sie?
Wir haben hier fast 700 Sorten Käse aus aller Herren Länder, wobei der Schwerpunkt natürlich auf den klassischen Destinationen wie Frankreich, Italien, Holland und Deutschland liegt, wobei die letzteren immer stärker gefragt sind. Besonders Berg- und Weichkäse sowie Blau- und Rotschimmelspezialitäten entwickeln sich stark.

Wie würden Sie das Kernkozept Ihrer Käsetheke beschreiben? 
Wir sprechen klar den Feinschmecker an, aber dank unserer Angebotsbreite findet hier eigentlich jeder etwas.

Nach welchen Kriterien stellen Sie das Sortiment zusammen?
An oberster Stelle steht natürlich die Qualität, sonst könnten wir dem Feinschmeckeranspruch gar nicht gerecht werden. Da stehe ich auch dahinter, dass wir den besten Käse hier in Frankfurt haben. Dafür haben wir auch eigene Kreationen im Angebot, etwa eine Trüffeltorte oder einen Blue Stilton mit Portwein. Das gibt es nur bei uns.

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Gastronomie als Ankerpunkt

Gerade die beiden Ersteren spielen beim Einkaufserlebnis in der neuen Markthalle Galeria eine zentrale Rolle. Dieser offen gehaltene „Food-Court“ sorge für Atmosphäre, und wenn hier Menschen säßen, zögen diese weitere an. Das gelte auch im Handel, so die Überzeugung.  Gerade das Dreieck aus Fischtheke, Sushi- und Champagner-Bar nutzt dabei offensichtliche Synergieeffekte. Mit dem Sushi-Club werden bereits Umsätze im (niedrigen) siebenstelligen Bereich eingefahren, und nicht nur Cham-
pagner-Partner Laurent-Perrier freut sich über mehr Frequenz. Überhaupt liegt auf dem Thema „Getränkekompetenz“ ein besonderes Augenmerk, was schon der repräsentative, begehbare Wein-Humidor im Zentrum der Wein- und Spirituosenabteilung unterstreicht. Je rund 1.500 Weine und Destillate umfasst das üppige Sortiment, das auch diverse Preziosen bereithält, etwa Luxus-Cognacs, Whiskys oder exklusive Jahrgangschampagner, fachkundig verkauft von gelernten Sommeliers.

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INTERVIEW

Zentraler Hingucker der Wein- und Spirituosenabteilung ist zweifelsfrei der Wein-Humidor. Liegt damit auch auf Wein der Schwerpunkt? 
Nun, wir haben neben den gut 1.500 Weinen ja auch fast ebenso viele Spirituosen, womit sich diese beiden Welten die Waage halten. Wir haben uns aber schon vor gut fünf Jahren dazu entschieden, Destillate mehr in den Fokus zu stellen, nachdem es in Frankfurt keinen richtigen Spirituosenhändler mehr gab. Wein ist damit sogar ein bisschen weniger geworden.

Auffällig ist auch die große Gin-Auswahl. Wie kuratieren Sie diese?
Da schauen wir einerseits nach Trends und spannenden Neuheiten, aber vor allem orientieren wir uns an der Kundennachfrage. 

In Ihrem Humidor finden sich auch einige extrem hochpreisige Spirituosen. Was ist das Zielpublikum?
Damit sprechen wir insbesondere asiatische Kunden an, die vor allem dank der Nähe zum Flughafen und durch internationale Messen zu uns kommen.

Kann man im Humidor vor dem Kauf auch offene Weine verkosten?
Das planen wir natürlich, auch wenn wir das – wie richtige Tasting-Events übrigens auch – momentan noch nicht anbieten können. Unsere Partner sind aber schon alle sehr heiß drauf! 

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Gleichauf oder Überholspur?

Aber wo steht sie, diese neue Galeria-Markthalle, die statt eines U-Turns lieber den Weg des sanften Relaunchs und der Nachjustierung im Detail gewählt hat? Reicht das für die Leistungsführerschaft? In Sachen Feinkost findet sich in der Frankfurter City sicherlich in dieser Breite nichts Vergleichbares, und in den Bereichen Käsetheke oder Getränkeangebot ist man bärenstark. Die Rolle des großen Vorreiters nimmt man aber auch 2021 nicht ein, denn wirkliche Innovationen findet man kaum. Dennoch ist der Puls der Zeit an der Frankfurter Zeil wieder spürbar.  ☐

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