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Schmackhafte Partnerschaft

Die Corona-Krise hat die deutsche Wirtschaft kräftig durchgewirbelt. Vor allem Gastronomen mussten sich nach neuen Vertriebskanälen umsehen – und sind teilweise im Lebensmittelhandel fündig geworden. Eine Kooperation, die vielversprechend ist.

Von Emmelie Öden | Fotos: stock.adobe.com/maram, Yaruniv-Studio

Zwei dunkle Jahre für die Gastwirtschaft liegen hinter uns, was viele umtriebige Gastronomen dazu bewegt hat, neue Vertriebswege einzuschlagen. Einige Lebensmittelhändler haben diese Kooperationschance erkannt und bieten gastronomische Produkte in ihren Märkten an. Der Fellbacher Markt Rewe Aupperle stieg etwa im April 2021 in die Nische ein und bot seinen Kunden ein exklusives Drei-Gänge-Menü in der Gourmetbox für zu Hause an.

Jeder Gang wurde von einem Fellbacher Sternekoch kreiert und von einem darauf abgestimmten Wein begleitet. Die vorbestellten Boxen konnten die Kunden innerhalb eines festen Zeitfensters im Markt abholen. Mit 125 Euro hatte die Gourmetbox für zwei Personen ihren Preis. Einen großen Vertrauensvorschuss erhielt Rewe Aupperle sicherlich durch die Namen der Sterneköche und ihrer Restaurants: Armin Karrer („Zum Hirschen“), Michael Oettinger („Oettingers“) und Philipp Kovacs („Goldberg“) sind in Fellbach keine Unbekannten. Überzeugen konnten sie die Käufer der Gourmetbox offenbar auf ganzer Linie, denn das Feedback sei überwältigend gewesen, heißt es von Rewe Aupperle.

Sinnvolles Add-on

Ein besonderes Angebot haben auch der Düsseldorfer Supermarkt Zurheides Feine Kost und das Sternerestaurant „Setzkasten“ ihren Kunden gemacht. Hier mussten sich nicht erst zwei Partner finden, denn das Restaurant ist Teil des Unternehmens Zurheides Feine Kost und sogar direkt über den Markt erreichbar. Die Gourmetboxen mit wechselnden Kleinigkeiten für zwei Personen gab es für 99 Euro zu kaufen. Die Kunden haben ihre Boxen für denselben Tag bestellt und im Restaurant abgeholt. Vor allem das Restaurant konnte so während des Lockdowns weiterhin Umsätze generieren, aber auch der Supermarkt hat von der Aktion profitiert: „Man hat dadurch einen weiteren Vorteil geschaffen für diejenigen, die normalerweise gerne im ‚Setzkasten‘ essen gehen und das mit dem Einkauf im Zurheide verbinden. Dadurch konnten wir unsere Stammkunden halten und auch neue Zielgruppen gewinnen, die dadurch auf uns aufmerksam geworden sind“, weiß Geschäftsführer Rüdiger Zurheide.

Weiterführen wird das „Setzkasten“-Team um Küchenchef Anton Pahl die Aktion in dieser Form trotzdem nicht. „Von der Kapazität und von der Größe her ist das während des laufenden Restaurantbetriebs leider nicht möglich. Das war ein Corona-Angebot“, erklärt Pahl. Trotzdem werden noch weitere Aktionen folgen, denn mit seinem Team passe sich Pahl immer der Zeit an und entwickle entsprechende Angebote, versichert er.

Mit dem Lockdown endet also auch die Zeit der Gourmetboxen in dieser Form. Doch das Kapitel „Gastronomische Produkte im Handel“ ist damit lange nicht beendet. Aktuelle Kooperationen zeigen, was noch möglich ist. Etwa zwischen Rewe Nord und den Gastronomen Koral und Onur Elci von der „Kitchen Guerilla“ in Hamburg. Mit dem „Better Lunch Project“ brachte Rewe im September die neue Marke der Kitchen Guerilleros in den Handel. Erhältlich sind in ausgewählten Märkten im Raum Hamburg verschiedene Fertiggerichte im Glas.

Überzeugt hat Rewe das Konzept mit seinen kreativen Rezepturen und hochwertigen Zutaten, die überwiegend aus der Region stammen. „Das entspricht auch den Rewe-Ansprüchen an Regionalität und Nachhaltigkeit“, findet Torsten Schmidt, bei Rewe Nord verantwortlich für die Themen Regionalität und Lokalität. Das sei auch ein Grund, warum die Kunden bereit seien, die verhältnismäßig hohen Preise für die Premium-Convenience zu bezahlen: „Das Bewusstsein der Verbraucher hat sich während der vergangenen Monate stark gewandelt. Die Nachfrage nach regionalen Produkten, die aus einer nachhaltigen Herstellung stammen, steigt stetig“, erklärt Schmidt. Passend dazu sind die Produkte von „Better Lunch Project“ häufig im Verbund mit anderen regionalen Artikeln platziert.

Mehr als nur Marge

Ein ähnliches Konzept verfolgt Edeka Familie Behrens in Karlsruhe. Hier werden Produkte von Sternekoch Sören Anders aus seinem Restaurant „Anders auf dem Turmberg“ verkauft. Das Sortiment besteht aus Gerichten wie Wildgulasch oder Pilzragout im Glas. Sören Andersʼ Gerichte platziert Geschäftsführer Andreas Behrens bei der gehobenen Convenience im Kühlregal und verkauft sie für jeweils acht bis zehn Euro. Seine Marge sei dabei aber nicht der Rede wert, denn ihn treibe weiterhin vor allem die Hilfe für das Restaurant an. „Die Produktlinie ist nicht dafür da, dass ich mich bereichere. Das ist einfach eine Unterstützung für die lokale Wirtschaft“, räumt er ein. Nutzen bringt es aber natürlich auch Behrens, etwa wenn er Stammgäste bedienen kann, die aus verschiedenen Gründen nicht ins Restaurant gehen können: „Die kommen jetzt zu mir in den Markt.“

Von der Restaurantküche in den Onlinehandel anstatt in den Supermarkt – so macht es das 2021 gestartete B2C-Projekt The Tastecode. Die Plattform bietet Gastronomen einen personalisierten Onlineshop, über den sie ihre Produkte verkaufen können. Dahinter stehen Allan Brülle und Christian Kamm von der SB-Zentralmarktgruppe, Letztere organisiert auchLagerung und Versand. Die erste Testphase in den vergangenen Wochen habe gezeigt, dass das neue Konzept sehr gut angenommen werde, sowohl von den Kunden als auch den Gastronomen. Denn mit ihren Produkten in die Filialen der großen Supermärkte zu gelangen sei sehr schwer. Bei The Tastecode entstehe deshalb ein neuer Betriebskanal für die Gastronomie, erklärt Christian Kamm.


Was The Tastecode und die anderen Beispiele aber vor allem zeigen: Es gibt eine große Nachfrage nach hochwertigen Fertigprodukten. „Der Trend Premium-Convenience ist gerade auch durch Corona sehr stark gewachsen, und immer mehr Hersteller stellen sich darauf ein“, beobachtet Christian Kamm. Er vermutet, dass sich der Bereich in den nächsten ein bis zwei Jahren noch sehr stark entwickeln wird – und die Gastronomie könnte genau der richtige Partner sein. „Für die Gastronomie ist es immer das Problem gewesen, dass sie sehr geschlossen war und es nur um das Thema vor Ort ging. Aber dass der Gastronom mehr Potenzial hat, sehe ich auf jeden Fall“, meint Kamm. Ebendieses Potenzial zu nutzen kann eine große Chance für den Lebensmittelhandel sein.

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