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Budget Fehlanzeige

Um den Pro-Kopf-Umsatz seiner User zu erhöhen, muss Facebook seine Vermarktungskonzepte großflächig an den Mann bringen. Doch der deutsche Social-Media-Markt ist schwerfällig. Handels- und Markenstrategen halten die Budgets zurück. Dabei verspricht Facebook einen hohen Return on Invest. Ein Interview mit F. Scott Woods, Commercial Director des deutschen Facebook-Büros in Hamburg.

F. Scott Woods
F. Scott Woods, Commercial Director des deutschen Facebook-Büros in Hamburg
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Von Linda Schuppan, Franziska Zieglmayer

Herr Woods, Facebook steht seit dem Börsengang im Kreuzfeuer von Medien, Anlegern, Investoren und Aufsichtsbehörden. Sind die Schwingungen vom US-Headquarter schon bis zu Ihnen nach Hamburg gelangt?
Woods: Wir befinden uns in einer so genannten Quiet Period, einer Stillhaltezeit. Zu aktuellen Geschehnissen geben wir keine Auskünfte.

Die Wirtschaftswoche spricht von sieben Gründen, die gegen die Facebook-Aktie sprechen und einem Grund dafür. Können Sie uns sieben Gründe nennen, die für Facebook sprechen?Woods: Ich kenne den Artikel nicht und kann deshalb auch nicht darauf eingehen.

Anders gefragt: Wie wertvoll ist Facebook?
Woods: Ich persönlich finde Facebook enorm wertvoll.

Wie passt Stillschweigen zu einem Unternehmen, dessen Markenbotschaft die Vermittlung von Transparenz ist?
Woods: Egal, wie frei und transparent wir als Unternehmen agieren, müssen wir uns an geltende Gesetze halten. 

Sie haben bereits für Google gearbeitet, auch für Gruner + Jahr und Axel Springer. Was nehmen Sie daraus für Facebook mit?
Woods: Als gelernter Verlagskaufmann kenne ich die Möglichkeiten, wie man die Botschaften einer Marke lenken kann. Aus meiner Technologie-Zeit resultiert der Umgang mit schnellen technischen Innovationen.

Edeka und Rewe orientieren sich aneinander – an wem orientiert sich Facebook? An Google?
Woods: Dieser Vergleich wird sehr häufig gezogen, was ich nicht nachvollziehen kann. Facebook und Google unterscheiden sich von ihren Philosophien und Technologien her stark voneinander. Wir sind in einer ganz anderen Evolutionsstufe als Google.

Auf welcher Stufe steht Facebook, auf welcher Google?
Woods: Facebook ist ein viel jüngeres Unternehmen als Google, das an Evolutionsstufen festzumachen, finde ich schwierig.

Als Commercial Director besteht Ihre Aufgabe in der Vermarktung werblicher Leistungen von Facebook in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bei 900 Millionen Usern liegt der Umsatz pro Kunde derzeit bei rund einem Dollar. Gemessen am Börsenwert müsste dieser allerdings bei rund 115 Dollar liegen. Wie soll diese Aufholjagd weltweit gelingen?
Woods: In unterschiedlichen Teilen der Welt ist auch die Kommerzialisierung unterschiedlich zu bewerten. In Indonesien etwa haben wir eine hohe Zahl an Nutzern, der Werbemarkt selbst ist allerdings nicht so groß. Somit ist die Vermarktung dort auch nicht so stark wie beispielsweise in Deutschland.

Wie stark ist der Werbemarkt in Deutschland für Facebook?
Woods: Grundsätzlich beobachten wir, dass die Unternehmen mit ihren Aktivitäten auf Facebook in Deutschland hinter den USA und hinter anderen westeuropäischen Ländern – etwa Frankreich oder England – hinterherhinken. Das hat maßgeblich damit zu tun, dass die Nutzer Facebook in Deutschland erst ein bisschen später angenommen haben. Dieser Trend ist allerdings nicht nur Facebook-typisch, sondern gilt für den gesamten deutschen Digitalmarkt.

Der Facebook-Durchbruch in Deutschland kam vor rund zwei Jahren. Warum erst so spät?
Woods: Das hat damit zu tun, dass es in Deutschland viele lokale Plattformen gab, die ähnlich waren. 2008 war Facebook noch eine rein englischsprachige Plattform – Übersetzungen in die jeweiligen Landessprachen gab es noch nicht. Das hat den User-Kreis sehr klein gehalten. Die Nutzerzahlen in Deutschland sind dann innerhalb von 18 Monaten stark angestiegen.

Mehr als 20 Millionen Menschen nutzen Facebook in Deutschland. Sie agieren mit einem überschaubaren Team mit knapp 20 Mitarbeitern. Das ist eine sehr schmale Personaldecke…
Woods: Das ist Teil unseres Unternehmenskonzeptes. Wir haben weltweit unter 4000 Mitarbeiter. In vielen Ländern agieren wir mit kleinen Teams, in manchen haben wir auch gar keine physische Präsenz. Wir sind schließlich eine Online-Plattform.

Worin genau besteht die Aufgabe des Facebook-Headquarters in Deutschland?
Woods: Wir sind ein rein kaufmännisches Büro. Wir arbeiten mit Unternehmen zusammen und beraten sie dabei, wie sie auf der Facebook-Plattform mit ihren Marken erfolgreich sein können.

Facebook hat vor wenigen Monaten die Seiten für Unternehmen überarbeitet. Das Layout hat sich geändert. Das Unternehmen steht jetzt stärker im Fokus des Profils. War das ein Wunsch Ihrer Facebook-Kunden?
Woods: Das sind nicht notwendigerweise Wünsche, sondern vielmehr Veränderungen unserer Seiten, die wir in regelmäßigen Abständen vornehmen. Wir wollen, dass eine Marke auf Facebook eine Identität hat – so, wie eine Person. Deswegen haben wir die Profile einander angeglichen, so dass die Erscheinungsbilder nun fast deckungsgleich sind.

Was raten Sie Unternehmen, die auf Facebook aktiv sind. Was gilt es, zu beachten?
Woods: Die oberste Regel lautet: Denke immer daran, was der Nutzer möchte. Unternehmen sind gut beraten, nicht einfach nur ihre Marke oder ihre Botschaft zu pushen – das ist vielleicht gar nicht relevant. Es geht um den Kunden. Wir reden hier von „Social by Design“ – der Mensch steht an erster Stelle. Das ist kein einfacher Lernprozess. Vor allem in der Kommunikationsbranche.

Das ist auch im Handel ein sehr schleichender Prozes. Woran liegt das?
Woods: Das ist nicht nur im Handel so, sondern auch in vielen anderen Branchen. Interessant ist die Schlagkraft eines Unternehmens in puncto Social Media gemessen an seiner Größe. Mittelständler haben dabei die Nase vorn. Ein Chef, der alles in einem ist – CEO, CFO, CMO – hat einen direkten Zugang zu Prozessen. Er spürt sofort Effekte und kann schneller eingreifen. In den USA ist das Thema Social Media fast immer ein CEO- oder Marketingstrategie-Thema. In Deutschland wollen viele Unternehmen zwar auf Facebook vertreten sein und viele Fans haben – wenn es allerdings ums Budget geht, dann wird geknapst.

Von welcher Investitionssumme reden wir, wenn man es richtig machen will?
Woods: Das hängt ganz von der Unternehmensgröße ab und von den jeweiligen Zielen. Grundsätzlich rate ich dazu, dass die Marketingabteilung ein Team aufstellt – je nach Unternehmensgröße ein bis drei Mitarbeiter. Die sollen die unterschiedlichen Unternehmensbereiche letztlich lenken. Dem Konsumenten ist es egal, mit wem er kommuniziert. Er erwartet letztlich nur eines: Antworten auf seine Fragen. Da reicht es nicht aus, einen Praktikanten abzustellen und abzuwarten, was passiert.

Ab wie vielen Fans wird eine Marke überhaupt ernst genommen?
Woods: Es hängt nicht von Zahlen ab, ob eine Marke ernst genommen wird oder nicht. Als Richtwert sollte man anpeilen, zehn Prozent seiner Kunden mit Facebook zu erreichen. Was viele aber nicht verstehen: Es geht nicht darum, wer die meisten Fans hat, sondern darum, wen man erreicht – also um die Qualität der Markenbotschafter.

Lidl hat eine Million Facebook-Fans – ein Unternehmen, das nicht gerade für sein Saubermann-Image bekannt ist. Pure Stimmenjagd, könnte man meinen…
Woods: Nein, das sehe ich anders. Lidl kommuniziert auf Facebook sehr menschlich und integriert seine Philosophie gut darin, etwa mit Aktionen wie Preise-Raten. Lidl ist es gelungen, dass man Werbung spielerisch wahrnimmt.

Wo wir gerade bei den Handelsbeispielen sind. Wer macht´s gut, wer nicht?
Woods:
 Ein Gegenbeispiel zu Lidl ist Aldi. Die sind bei Social Media gar nicht aktiv, was wiederum zu Aldi passt. Edeka ist auch ein interessantes Beispiel. Die haben eine witzige TV-Werbekampagne, nutzen Facebook allerdings nicht als Kanal dafür, was mich persönlich wundert. Karstadt hat eine interessante Azubiseite. Das ist in puncto Recruitment sehr spannend, denn Karstadt schafft es, seine Sprache den Wünschen der User anzupassen, anstatt weichgespülte Antworten aus der Personalabteilung zu geben.

Worin genau besteht der USP von Facebook für Unternehmen?
Woods: Facebook ermöglicht einer Marke den direkten Austausch mit Kunden. Markenbotschaften lassen sich einfach aussenden und Kunden können direkt darauf reagieren. Danach haben Markenmacher immer gestrebt. Sie wollten einen Rückkanal dafür haben, wie Verbraucher auf Markenbotschaften reagieren. Dieses Feedback gibt ihnen Facebook – schnell, direkt und ehrlich. Das ist wie Marktforschung, indem man erfährt, was Kunden wollen. Gerade im Handel ist das eine sehr wichtige Rückkopplung.

Facebook offenbart auch negatives Feedback. Wie verarbeitet das die Branche?
Woods: Viele Konsumgüterhersteller sind es nicht gewöhnt, mit ihren Kunden und Konsumenten zu diskutieren. Es gibt mittlerweile auch Unternehmen, die sich in ihrer Unternehmensstrategie zwar auf Social Media einlassen, sich in dem ganzen Prozess aber gar nicht sicher sind, ob sie wirklich wissen wollen, was ihre Kunden wollen. Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich.

Haben Sie ein Vorreiter-Beispiel?
Woods: Starbucks macht das vorbildlich. Ich glaube, das liegt daran, dass das Unternehmen den Kontakt mit seinen Kunden täglich lebt – von diesem Know-how profitiert Starbucks auch auf Facebook.

Auf welcher Evolutionsstufe stehen deutsche Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Leistungen über Facebook?
Woods: Vor etwa zwei Jahren hat der Facebook-Trend hierzulande angefangen. Jedes namhafte Unternehmen wollte auf einmal auf Facebook vertreten sein und eine eigene App haben. Nach ersten Versuchen hat man sich dann zurückgelehnt und darauf gewartet, dass etwas passiert. Aber es passierte nicht viel, was maßgeblich daran lag, dass die einzelnen Strategien einfach nicht stimmig waren. Heute hat sich das zwar schon wesentlich verbessert, aber es gibt immer noch viel Potential.

Sie beraten Unternehmen beim Aufbau solcher Vermarktungsstrategien. 
Haben Sie eine Kurzanleitung parat?

Woods: Als Basis gilt: Man muss genau wissen, was man kommunizieren will und wofür eine Marke steht. Danach sind drei Schritte zu beachten. Erstens: Man muss eine Fanbasis aufbauen. Zweitens: Man muss seinen Fans genau die Informationen vermitteln, die für sie auch wirklich interessant sind. Drittens: Man muss überlegen, wie man seine Fans dazu bringt, über das jeweilige Unternehmen oder die Marke mit seinen Freunden zu reden, um so einen viralen Effekt zu erzeugen. Es geht maßgeblich darum, eine Identität zu entwickeln und zu lernen, wie man damit umgeht.

Welche Kardinalfehler machen Unternehmen?
Woods: Wie ich schon sagte: Der größte Fehler vieler Unternehmen besteht darin, kein Budget in das Thema Social Media zu investieren und die Arbeit Praktikanten zu überlassen. Das ist nicht zielführend. Ich rate auch davon ab, das Thema ohne Strategie einfach so im täglichen Geschäft mitlaufen zu lassen und irgendwelche Inhalte zu publizieren, nur damit man dabei ist. Das entlarven die User schnell.

Apropos Entlarven. Die Werbeeinflüsse auf Facebook-Seiten haben sukzessive zugenommen. Ein Begriff, der in der Gründerzeit vor acht Jahren noch Feindesland war…
Woods: Das meinen viele, das stimmt aber so gar nicht. Im Gegenteil. Mark Zuckerberg hat durch Werbung auf der Webseite seinen ersten Server bezahlt.

Facebook ist in der Position des ständigen Gradmessers. Userzufriedenheit auf der einen Seite, Werbeeinnahmen auf der anderen. Wie schafft Facebook diesen Spagat?
Woods: Indem wir die Art der Werbung dem Userverhalten anpassen und auf Social Advertising setzen statt auf klassische Werbebanner, die den User in der Benutzung der Plattform stören. 

Was heißt das konkret?

Woods: Wir verknüpfen soziale Aspekte mit Werbebotschaften. Das sieht dann etwa so aus, dass ein User auf seiner Seite eine Produktwerbung wahrnimmt und gleichzeitig sieht, dass ein Freund mit der Botschaft bereits verbunden ist. Das schafft Vertrauen und wird somit zu einem Mehrwert für Nutzer und Markenbotschafter. Unser Ziel ist es, dass kommerzielle Botschaften genauso relevant für User werden, wie eine Nachricht, die ich von meinen Freunden bekomme.

Sie reichern Werbung durch soziale Kontexte an. Durchschauen das die Facebook-Jünger nicht?
Woods: Jeder User entscheidet selbst darüber, ob eine Werbung für ihn relevant ist oder nicht. Manche blenden sie ganz aus, andere wiederum reagieren darauf. 

Welches Umsatzpotenzial hat Facebook?
Woods: Eine Werbewirkungsstudie, die die GfK zusammen mit Ferrero aufgelegt hat belegt, dass sich Facebook-Kampagnen positiv auf den Umsatz auswirken. Am Beispiel Nutella hat sich gezeigt, dass sich Facebook auf den Umsatz auswirkt. 15 Prozent der auf die Kampagne zurückzuführenden Absatzsteigerung konnten Facebook zugeschrieben werden. Es hat sich außerdem gezeigt, dass bestimmte Anteile der Markenzielgruppe – das sind am Beispiel Nutella etwa 30 Prozent – über TV gar nicht mehr erreicht werden. Über Facebook allerdings schon. 

Welche Möglichkeiten bietet Ihr Zielgruppenmarketing?
Woods: Wir können unsere User in bestimmte Cluster unterteilen. Wenn eine Marke ein Produkt etwa nur in Berlin bei Frauen zwischen 21 und 29 Jahren bekannt machen will, können wir die Zielgruppe und den Zielort matchen.

Facebook speichert Kundendaten. Die wiederum hätten Viele gerne…
Woods: Ein Werbetreibender bekommt keine persönlichen Nutzer-Daten von uns, die sind tabu. Wir verkaufen keine Daten. Das wäre das Aus für Facebook. Das können wir uns nicht erlauben. Was wir machen ist letztlich nur ein Zielgruppen-Matching, nicht mehr und nicht weniger.

Sie haben in diesem Zusammenhang erst kürzlich eine weltweite Nutzerabstimmung durchgeführt. Zwecks mangelnder Beteiligung ist der Weg frei für die neuen Facebook-Datenschutzrichtlinien. Freut Sie das?
Woods: Darauf kann ich nicht detailliert eingehen, aber wichtig in diesem Zusammenhang ist:  Unsere Nutzer sind uns wichtig und alle Daten sind sicher.

Wo geht die Reise neben klassischem Zielgruppenmarketing hin?
Woods: Wir haben in Deutschland erst kürzlich begonnen, das Thema Facebook Offers zu testen. Dabei handelt es sich um einen Rabattservice. Der Food-Online-Dienst „Hellofresh“ ist damit schon gestartet.

Was macht Sie sicher, dass das neue Vermarktungskonzept einschlägt?
Woods: Ja, in Skandinavien und auch in den USA haben wir das bereits breiter getestet mit guten Resultaten. Es ist eine gute Ergänzung zu der bestehenden Strategie auf Facebook von Retailern.

Viele schauen auf den amerikanischen Markt. Was tut sich dort?
Woods: Walmart geht auf Facebook einen erfolgreichen eigenen Weg. Zum einen fährt Walmart eine klassische Dachmarkenstrategie. Zum anderen hat jeder einzelne Walmart-Store eine eigene Facebook-Präsenz. So werden die Flächen Nabelpunkt einer eigenen kleinen Community. Das Unternehmen kombiniert seine Dachmarke so mit der lokalen Ebene – ein vielversprechender Ansatz.

Welche Facebook-Visionen haben Sie für den deutschen Markt?
Woods: Dass jedes Unternehmen für sich erkennt, wie wertvoll Facebook als Plattform sein kann, eine eigene Facebook-Seite hat und uns in seine Kommunikationsstrategie mit einbindet.


F. Scott Woods
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