Die doppelte Bedeutung des Begriffs Nachhaltigkeit für Unternehmen kommt nicht von Ungefähr: Einerseits langfristig, in Generationen denken, andererseits sich um Umwelt und Produktionsbedingungen im Ursprung kümmern. Beide Definitionen waren wohl noch nie so innig verbunden wie heute: Wer sein Geschäft dauerhaft absichern will, muss sich angesichts großer Herausforderungen wie Klimakrise und wachsender sozialer Ungerechtigkeit auch um Mensch und Planet kümmern. Echte Nachhaltigkeit war noch nie ein „nice to have“, jetzt kann das Thema über die Geschäftsfähigkeit und das Überleben von Unternehmen bestimmen.
Sie sind noch skeptisch? Nehmen wir das Beispiel Kakao. Die Preise für das „braune Gold“ sind aktuell so hoch wie nie. Der Hauptgrund: Missernten und Verluste durch das erratische Wetter. Prognosen sagen eine gewaltige Reduktion der Erntemenge in den nächsten Jahren voraus. Oder das Beispiel Kaffee, unser liebster Muntermacher: Laut einer Studie sind mittelfristig
50 Prozent der Anbaufläche durch den Klimawandel bedroht. Der empfindlichen Kaffeepflanze wird es zu warm und zu feucht, Krankheiten breiten sich aus.
Den Kopf in den Sand stecken – diese Strategie funktioniert einfach nicht. Die Klimakrise ist real, alle spüren ihre Auswirkungen – insbesondere die Länder im globalen Süden, die am wenigsten zu ihrer Entstehung beigetragen haben. Unternehmen, die ihr Geschäft langfristig absichern wollen, müssen sich deutlich intensiver um eine nachhaltige Lieferkette bemühen.
Resiliente Lieferketten
Das schließt eine umweltgerechte Produktion, aber auch die Beschäftigung mit der Situation der Menschen in den Anbauländern mit ein. In dem Maß, in dem die Ernten sinken, steigt die Bedeutung jedes Kaffeebauern. Sie müssen darin unterstützt werden, mit dem veränderten Klima zurechtzukommen, produktiver zu werden und gut zu leben, wo sie beheimatet sind. Auch das trägt zur Lieferkettensicherheit bei. Mehr noch: Bauern und Arbeiter müssen eine langfristige Perspektive bekommen. Fairtrade setzt deswegen auf Mindestpreise als Sicherheitsnetz für Preisschwankungen und Prämien für Gemeinschaftsprojekte vor Ort.
Wir fordern aber auch die Zahlung existenzsichernder Einkommen. Die Rede hier ist von einem Einkommen, das nicht nur die Kosten für Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, Wasser und Unterkunft abdeckt, sondern auch Ausgaben für Bildung, medizinische Versorgung oder Rücklagen für Notsituationen ermöglicht. Sie sind nicht nur gut für die Menschen vor Ort, sondern auch für Unternehmen, die bei den immer kritischeren Konsumenten punkten und ihre Lieferkette resilienter machen.
Was hat das mit der Marke zu tun? Marken sind unsere Freunde, zum Teil seit der Kindheit. Wir verbinden Positives damit, identifizieren uns mit ihnen, ziehen sie beim Einkauf anderen Produkten vor. Marken stehen für etwas, was bei Konsumenten eine positive Reaktion auslöst. Wir bringen sie in unser Heim, stellen sie auf den Frühstückstisch. Sie sind Teil unseres Lebens.
Doch immer mehr Menschen wollen wissen, was genau hinter einer Marke steckt. Werden Menschen dafür ausgebeutet, wird Natur zerstört, leidet das Klima darunter? Ist der Freund doch nicht so gütig, wie er vorgibt zu sein?
Dabei hilft es wenig, nur halbherzige Antworten zu geben. Die neue Konsumentengeneration ist kritischer und informierter als je. Und häufig bestraft sie Greenwashing durch Kaufentzug. Eine wasserdichte Zertifizierung mit regelmäßigen Kontrollen vor Ort – im Falle von Fairtrade werden sie durch den Zertifizierer FloCert durchgeführt – ist unerlässlich, um das Vertrauen der Verbraucher dauerhaft zu sichern.
Respekt für Mensch & Umwelt
Investitionen in echte Nachhaltigkeit lohnen sich also. Oft steht ihnen jedoch der Lockruf der kurzfristigen Gewinnmaximierung oder der Druck von Aktionären entgegen. Mehr denn je müssen Unternehmen jetzt verstehen, dass Geschäftspraktiken, die nicht nachhaltig sind und auf Ausbeutung setzen, endgültig der Vergangenheit angehören müssen.
Wer bei diesem Thema vorangeht, wird in Zukunft die Früchte ernten. Denn die Achtung der Menschenrechte und der Respekt für Mensch und Umwelt entlang der Lieferkette wird zunehmend zur Business-Grundlage. Dafür sorgt nicht nur die Politik mit Instrumenten wie dem Lieferkettengesetz – sondern auch der Markt.
Claudia Brück, Vorständin Kommunikation & Politik, Fairtrade Deutschland
Die Germanistin und Regionalwissenschaftlerin für Lateinamerika startete ihre Karriere bei Fairtrade Deutschland 1999 als Pressesprecherin. Sie ist seit 2016 geschäftsführendes Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins, der das bekannte Fairtrade-Siegel in Deutschland vergibt.