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ForscherAuftritt Martin Fassnacht: So geht Relevanz der Marke

Bröckelt die Macht der Marke angesichts der gedämpften Konsumstimmung? In finanziell schwierigen Zeiten ist es komplizierter, eine Marke emotional zu stärken, sagt Martin Fassnacht. Was hilft dann? Das Portfolio reduzieren.

Martin Fassnacht
Von Martina Kausch | Fotos: Stephan Pick

Gibt es aktuell noch eine Macht der Marke oder bröckelt sie? Wie ist Ihr Eindruck – wenn wir von Herstellermarken sprechen?
Klare Antwort: Ja, es gibt eine Macht der Marke, auch aktuell. Ich halte Abgesänge auf die Herstellermarken tatsächlich für Unfug. Allerdings muss eine Marke heute sehr relevant sein – niemand möchte mit Verlierern in Zusammenhang gebracht werden. Die Anzahl der Marken, mit denen Verbraucher in ständiger Beziehung stehen, sinkt in unserer digitalen Welt. 

Wie erzeugt man diese Relevanz?
Eine Marke muss für ihre Zielgruppen relevant sein. Daher ist es unerlässlich, dass Marken und Unternehmen ihre Zielgruppen genau verstehen. Sie müssen Kundendaten ihrer Zielgruppe analysieren und daraus entsprechende Erkenntnisse für die Markenführung gewinnen. Große Unternehmen wie Nestlé und Unilever haben in den letzten Jahren ihr Markenportfolio erheblich reduziert – Nestlé beispielsweise von 8.000 auf 2.000 Marken, während Unilever sich mittlerweile auf 30 Marken konzentriert. Jede Marke erfordert mehr Aufmerksamkeit, Budget und Management, um im Markt relevant zu bleiben. Herstellermarken haben es aufgrund ihres höheren Preisniveaus gegenüber Handelsmarken schwerer, ihre Zielgruppen zu erreichen. 

Was bedeutet das konkret?
Entscheidend für Herstellermarken ist es, eine hohe Emotionalität und Symbolik zu vermitteln. Was bedeutet das? Emotionalität heißt, dass die Nutzung der Marke bei den Zielgruppen Freude und Spaß auslöst. Die Symbolik bezieht sich darauf, dass ich als Kunde andere Kunden beeindrucken möchte. Viele Handelsmarken werden als Marken tituliert, sind es aber nicht, da starke Marken durch ihre hohe Emotionalität und Symbolik definiert sind – Eigenschaften, die vielen Handelsmarken fehlen.

Eine Marke emotionalisieren, was bedeutet das im Detail? Wie gelingt dieser Prozess ?
Kunden haben immer Assoziationen, wenn sie einen Markennamen hören. Bei der Emotionalisierung geht es darum, dass Kunden positive emotionale Assoziationen wie Glück und Spaß haben, wenn sie mit der entsprechenden Marke in Kontakt treten. Um eine Marke emotional stärker aufzuladen, müssen sich diese Assoziationen bei den Kunden festigen – das ist ein langer Prozess, der gute Ideen und Kreativität, also Zeit und Geld, voraussetzt. Deswegen ist es unabdingbar, dass Marken in wirtschaftlich guten Zeiten weiterentwickelt werden. In finanziell schwierigen Phasen ist es weitaus komplizierter, eine Marke emotional zu stärken, Markenidentität, Vertrauen und positive Assoziationen aufzubauen.

Wie groß ist die Bedeutung von ethischen Werten wie Nachhaltigkeit aktuell für eine Marke?
Kunden kaufen eine Marke nie ausschließlich wegen ihres hohen sozial-ethischen Nutzens. Marken, die sozial-ethisch aufgeladen sind, müssen auch einen hohen emotionalen und symbolischen Wert liefern. Niemand kauft einen Tesla nur, weil er nachhaltig ist – er macht der Zielgruppe auch Spaß. Oatly und Patagonia sind weitere Beispiele für gelungene Marken, die einen ausgewogenen Mix aus funktionalem, emotionalem, symbolischem und sozial-ethischem Nutzen bieten. 

Ihre Beispiele beziehen sich auf ehemalige Start-ups …
Generell ist zu beobachten, dass es für große Unternehmen oft schwierig ist, eine Marke aufzubauen, die stark über den sozial-ethischen Nutzen definiert ist. Typischerweise akquirieren große Unternehmen solche Marken, wenn sie ihre ersten erfolgreichen Anfänge hinter sich haben. Wichtig ist dabei, dass die etablierte Konzernstruktur nicht auf die erworbene Marke übertragen wird, denn ansonsten verliert sie ihre Markenidentität.


Martin Fassnacht 

ist Inhaber des Strategie- und Marketing-Lehrstuhls der WHU. www.whu.edu

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