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Edeka Fitterer: Zukunft entwickeln

Führt man einen Markt im Lebensmitteleinzelhandel heute anders als vor zehn Jahren? Ja, unbedingt, sind sich Andreas und Sven Fitterer einig. Der RUNDSCHAU verrieten die Edeka-Kaufleute, warum die Kunden so gerne bei ihnen einkaufen und wie man einen Markt als Wohlfühloase etabliert.

Andreas (re.) und Sven Fitterer. Foto: Edeka Fitterer/Wildente P.M.
Von Martina Kausch | Fotos: Edeka Fitterer/Wildente P. M.

 

"Die neue Mitte ist ein Kracher“, titelte die RUNDSCHAU in einem Store-Check nach der Neueröffnung des Marktes in Gernsbach bei Baden-Baden. Grund genug, bei den Edeka-Kaufleuten Andreas und Sven Fitterer konkret nachzufragen: Wie funktioniert ein Markt im LEH heute? Wie überzeugt man Kunden, nicht alles beim Discounter gegenüber zu kaufen? Welche Rolle spielen auf der Fläche Überraschungen? Und: Wie findet man das engagierte Personal?

Inwiefern betreiben Sie heute Märkte anders als vor zehn Jahren? Direkt gegenüber von Ihrem neuen Markt in Gernsbach hat ja ein Discounter neu eröffnet! 
Sven Fitterer: Damals wie heute muss man einen Supermarkt kreieren, der sich vom Discounter deutlich abhebt und Wohlfühl-atmosphäre bietet. Das haben wir zwar schon vor zehn Jahren gesagt und getan, aber heute erreicht dieses Ziel neue Maßstäbe. Ja, man muss Märkte anders führen, immer weiter entwickeln. Eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, ist aktuell noch einmal deutlich stärker in den Fokus gerückt. 

Wie schaffen Sie in Ihren Märkten, speziell in Gernsbach, diese Wohlfühlatmosphäre? 
Sven Fitterer: Wir bieten im neuen Markt großzügige, breite Gänge, in denen ich als Kunde wirklich Platz habe, mich zu bewegen. Das beispielsweise schafft ein Discounter aufgrund seiner Flächen und der Struktur nicht. Bei uns verteilt sich das Publikum deswegen viel, viel besser.

Warum kaufen die Kunden bei Ihnen? 
Sven Fitterer: Die Grundsituation ist: Wir müssen den Kunden einen Grund bieten zu uns zu kommen, denn um den Kühlschrank zu füllen, müssten sie nicht zum Edeka Fitterer fahren. Da könnten sie online Lebensmittel bestellen oder zum Discounter gehen. Einer der Gründe, warum der Kunde zu uns fährt, ist die extrem großzügige Bäckerei mit einem sehr einladenden Sitzbereich. Das ist wahrscheinlich dem Standort geschuldet. Der neue Markt liegt ja im Zentrum von Gernsbach, am Tor zur Altstadt und quasi unmittelbar neben dem Bahnhof. Und wer vom Bahnhof kommt, trinkt gerne erstmal einen Kaffee.

Sven Fitterer: Die Lage in Gernsbach ist wirklich besonders, aber unser kleinster Markt in Weisenbach hat auch eine exorbitant große Bäckerei, sehr großzügig geplant, und auch dort gibt es einen sehr angenehmen Sitzbereich. Wir legen schon sehr großen Wert darauf. 

Andreas Fitterer: Unser Ziel ist, für die Kunden einen Treffpunkt zu schaffen, wo man sich verabreden kann, beispielsweise morgens zum Frühstück, zum Treffen mit Freunden, mit Bekannten. Ich treffe mich mit Freunden und gehe danach noch im Markt einkaufen – das ist die Idee.

Sven Fitterer: Es gibt ja heutzutage immer weniger Möglichkeiten, sich unkompliziert irgendwo auf einen Kaffee zu treffen und eine Kleinigkeit zu essen. Wir haben außerdem den Vorteil, wir haben den Parkplatz vor der Tür, man kann mit dem Auto kommen. Alle Altersklassen, ob Familie, Single – jeder kann die Fläche gut erreichen.

Andreas Fitterer: Wir haben in die Gastronomie viel investiert, denn dieser Bereich soll sich abheben vom Markt. Wenn ich in einem Café sitze, möchte ich Ruhe haben. Ich möchte nicht quasi im Supermarkt sitzen und im Hintergrund das Piepsen der Kassen hören. Da findet keine Gemütlichkeit statt. Deswegen haben wir Nischen und dann auch extra noch mit einer Akustik-Decke gearbeitet, die den Schall abfängt.

Sie bieten beispielsweise ein französisches Frühstück für 5,50 Euro an, das ist ein attraktives Angebot.
Sven Fitterer: Es zeigt sich, dass das Konzept funktioniert. Auch viele Geschäftsleute kommen, um sich zu besprechen, etwas zu vereinbaren, um Verträge abzuschließen. Sie brauchen Ruhe und die haben sie bei uns. 

Sie haben auch eine große Bedientheke im Markt, samt Fischtheke.
Sven Fitterer: Damit der Kunde zu uns kommt, brauchen wir eine schöne Theke, die Spaß macht. Dann haben wir gedacht, wir gehen gleich in die Vollen und bauen auch eine große Fischtheke – 3,75 Meter ...

Andreas Fitterer: ... und wir haben uns nach einigem Überlegen entschieden, wir platzieren sie nicht ans Ende, wie es oft gemacht wird, sondern am Beginn als erste Theke, also direkt in den Fokus des Kunden.

Und? Was sagen die Kunden? 
Sven Fitterer: Auch da zeigt sich, dass sich der Mut, den wir hatten, bewährt hat und sich auszahlen wird. Wir sind sehr glücklich mit unserer Fischtheke.

Ich habe an der Weinbar offene Flaschen gesehen – wohl nicht von einem Event? 
Sven Fitterer: Nein – unser Kollege in der Wein- und Spirituosenabteilung bietet den Kunden jede Woche eine neue Weinsorte zur Verkostung an. Seien wir ehrlich: Wenn ich sage, der Wein ist trocken, könnte er für den Kunden vielleicht eher lieblich schmecken. Geschmäcker sind eben verschieden. 

Andreas Fitterer: Bei der Käsetheke sagen wir zu den Thekenkräften auch immer: Schneidet ein Stück runter, lasst den Kunden probieren.


"Wenn man jungen Menschen Perspektiven aufzeigt, entwickeln sie sich zu Leistungsträgern."

Andreas Fitterer, Edeka-Kaufmann


Wie lösen Sie das im LEH überall sehr präsente Personalproblem? Akquirieren Sie Mitarbeitende in Indien?
Andreas Fitterer: Wir haben im Moment tatsächlich die glückliche Situation, dass wir nicht aus Indien akquirieren müssen. Wir haben genügend Bewerber hier aus unserer Region. Wobei ich sagen muss, es sind keine Fachkräfte, die unsere Tür einrennen. Ich arbeite gern mit motivierten Menschen, die Spaß an der Arbeit haben. Und die machen wir dann zu Fachkräften. Die junge Generation wird oft als faul oder unmotiviert kritisiert. Wir teilen diese Einschätzung nicht. Es geht darum: Wenn man jungen Menschen eine Perspektive aufzeigt, ihnen Werte vermittelt, entwickeln sie sich zu Leistungsträgern, die Spaß an der Arbeit haben.

Aber Sie haben aktuell freie Stellen? 
Andreas Fitterer: Wir sind tatsächlich fast voll besetzt, ich habe aktuell eine Stelle ausgeschrieben und führe im Moment für alle Märkte Wartelisten. 

Wie bitte? Wartelisten mit Bewerbern?
Andreas Fitterer: Ja. Man muss viel Energie in die Mitarbeitenden stecken, dann kommt etwas zurück. Wir unterstützen in allen Bereichen, auch bei der Wohnungssuche; Personalarbeit ist kein Selbstläufer. Wir brauchen viele Kräfte mit sehr unterschiedlichen Aufgabenbereichen. Die einen müssen wir unterstützen, dass sie ihre Verkäufer-Ausbildung schaffen, und wenn wir einen Abiturienten mit Schnitt 1,2 haben, kann ich den nicht in eine Verkäuferklasse setzen. Man braucht für jeden die passenden Schulen und Fortbildungsmöglichkeiten und es gibt ja viele Ausbildungs- und Qualifizierungswege. 

Sie sagen, Überraschungen im Markt sind wichtig – womit muss der Kunde rechnen?
Sven Fitterer: Dass jemand am Samstag in der Weinbar Gitarre spielt, um unangekündigt etwas Leben in die Bude zu bringen. Unser Eltern-Kind-Tag zaubert nicht nur dem Nachwuchs, sondern auch der Kundschaft ein Grinsen ins Gesicht. Das sind die Themen, die Discounter nicht machen und die uns nahbar machen.


Die wichtigsten Konzept-Tipps von Andreas und Sven Fitterer

Die entscheidende Frage für  Kaufleute im LEH ist: Warum soll der Kunde in meinem Markt einkaufen? Diese Frage ehrlich beantworten. Daraus ergeben sich die To-dos für den Markt.

Angebote und Leistungen bieten, die der Kunde woanders nicht findet: Beratung, Verkostung, Events, Unterhaltung, also eine Wohlfühlatmosphäre schaffen.

In individuelle Personalentwicklung investieren, die persönliche Entwicklung jedes Mitarbeitenden im Auge haben und unterstützen. Kontakt zu Schulen und Fortbildungsinstituten pflegen.


INFO

Edeka Fitterer im Südwesten

Seit Gründung eines 35 Quadratmeter-Lebensmittelgeschäfts 1959 in Baden-Baden gehört die Familie Fitterer zu den Edeka-Kaufleuten im Südwesten Deutschlands. 

Den fünften Markt nach zwei Standorten in Baden-Baden, einem Markt in Weisenbach und einem Markt am Unternehmenssitz in Rülzheim eröffneten die Kaufleute Andreas und Sven Fitterer im März 2024 in Gernsbach. 

Der 2.000 Quadratmeter-Markt mit Weinbar und Café liegt zentral am Beginn der Altstadt.

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