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Eine neue Art zu essen – aus dem Proteinregal

Warum aus "Like Meat" nun "Like" wurde, was die neue Marke mit Greta Thunberg zu tun hat und welche neuen Produkte es gibt, erklärt Anja Grunefeld, Head of Europe beim Livekindly Collective im exklusiven RUNDSCHAU-Interview.

Seit 2020 ist Anja Grunefeld bei The Livekindly Collective, seit 2024 verantwortet sie für den Hersteller von pflanzlichen Produkten als Head of Europe den europäischen Markt. Foto: Stephan Pick
Von Martina Kausch | Fotos: Stephan Pick

Die Produkte von Livekindly kannte man in Deutschland bislang als „Like Meat“. Nun heißen sie nur noch „LIKE“. Welcher Gedanke steckt dahinter?
„Like“ - und aktuell die ProteinBites - ist das erste Produkt, das keine Referenz zum Tier hat. Denn das ist unsere Vision: Wir wollen raus aus dem Vergleichen: Ist es Hühnchen, ist es kein Hühnchen….? Wir glauben an Proteine. Proteinreiche Ernährung ist für den Menschen wichtig, Ballaststoffe gehören dazu. Es gibt tierische und es gibt pflanzliche Proteine - Sojaprotein ist eine hochwertige pflanzliche Proteinquelle. So bieten wir eine proteinreiche und pflanzliche Alternative im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung. Wir haben nicht nur die Marke geändert, sondern auch, wie wir die Kategorie betrachten.

Das ist ein mutiger Schritt, die Kunden sollen ja die neue Kategorie annehmen. Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, das „Meat“ wegzulassen – und warum gerade zu diesem Zeitpunkt?
Das hängt stark mit den gesellschaftlichen Diskussionen rund um Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung zusammen. Eine Zeit lang war das Thema Klimaschutz präsent und wurde von vielen Menschen mitgetragen. Doch irgendwann kippte die Wahrnehmung – die Debatte wurde zunehmend dogmatisch, und viele fühlten sich belehrt oder sogar unter Druck gesetzt. Das führte dazu, dass sich einige Verbraucher von der Bewegung abwandten.


“Genussvoll, unkompliziert und ohne Dogmen wollen wir pflanzliche Ernährung allen zugänglich machen.”

Anja Grunefeld, Head of Europe, The Livekindly Collective


 

Genau diesen gesellschaftlichen Wandel haben wir bei LIKE beobachtet. Unser Ziel war es nie, mit erhobenem Zeigefinger aufzutreten, sondern pflanzliche Ernährung für alle zugänglich zu machen – genussvoll, unkompliziert und ohne Dogmen. Der Name „LIKE“ spiegelt genau das wider: Er steht für eine neue, eigenständige Kategorie, die sich nicht über Verzicht definiert, sondern über Geschmack und eine moderne, positive Haltung zur pflanzlichen Ernährung. Der perfekte Zeitpunkt, um das „Meat“ hinter uns zu lassen und als starke Marke mit eigener Identität weiterzugehen.

Also eine gesellschaftliche Diskussion nahm 2024 Einfluss auf die Umbenennung der „Like Meat“-Produkte?
Ja, grundsätzlich schon. Aber wir sind keine ideologische Marke – wir machen Lebensmittel, die gut schmecken und für alle da sind. Deshalb haben wir uns bewusst aus der dogmatischen Ecke herausbewegt. Wir haben zum Beispiel das Vegan-Logo von der Vorderseite der Verpackung entfernt, weil wir mit allen Menschen sprechen wollen, unabhängig von ihrer Ernährungsweise. Denn unsere Mission geht über eine einzelne Kategorie hinaus: Wir wollen die Zukunft der Ernährung mitgestalten – und das geht nur, wenn wir groß denken.

Pflanzliche Ernährung bietet viele Vorteile, die auch durch aktuelle Ernährungsstudien bestätigt werden. Gleichzeitig haben wir oft die Rückmeldung bekommen: „Warum vergleicht ihr euch immer mit Fleisch?“ Viele Menschen verbinden den Begriff „Alternative“ mit „zweiter Wahl“. Doch das ist nicht unser Ansatz. Wir machen einfach richtig gute Produkte auf pflanzlicher Basis – mit eigenständigem Charakter und vollem Geschmack. Unser Ziel ist es, die bisherigen Denkmuster aufzubrechen: Es geht nicht darum, Fleisch zu ersetzen, sondern darum, eine neue Art zu essen zu entdecken.

Wie sehen Sie diese Umpositionierung jetzt nach einigen Monaten - war es richtig? Sind Sie erfolgreich?
Wir haben es gut gemacht. Trotz des zunehmenden Wettbewerbs sind wir mit „LIKE“ Nummer 2 nationale Marke am Markt im Retail mit einem Marktanteil von 7,6 Prozent bei gekühltem Fleischersatz und Marktführer im Segment pflanzliches Geschnetzeltes, also bei Chunks - mit 50 Prozent Marktanteil. LIKE ist die einzige Marke, die in den letzten drei Jahren eine zweistellige Steigerung der Markenbekanntheit um 10 Prozent verzeichnen konnte (Quelle: GfK - Brand Equity Deep Dive Juli 2024, Anm. d. Red.). Wir haben hohe Wiederkaufsraten und loyale Käufer. 

Sie schreiben bei dem neuen Produkt der ProteinBites den Proteingehalt von 34 Gramm übergroß auf die Packung. Reden wir ausschließlich von Sojaprotein? Woher stammt das Soja?
Ja, es steht so groß auf der Packung, weil es das Konzept ausmacht! Und ja, wir reden von Sojaprotein, weil es eine hochwertige Proteinquelle ist. Wir verarbeiten Soja aus Europa. Früher haben ja Kunden im Biofachhandel bei manchen Produkten für ihre Haltung bewusst auf Geschmack verzichtet – das geht heute nicht mehr. Was nicht schmeckt, wird nicht gekauft.

LIKE ist Teil des Livekindly Collective, einer Unternehmensgruppe. Was entgegnen Sie denjenigen, die sagen: Das ist ein investorengetriebenes Business, das die gesamte Wertschöpfungskette vom Saatgut bis zum Endprodukt in einer Hand hat?
Wenn man sich andere Lebensmittel anschaut, ist der Produktionsprozess ähnlich. Eine Sojaproteinmasse aus Sojabohnen, Wasser und Salz, die durch ein Extrusionsgehäuse läuft, ist eigentlich ein sehr simples Produkt. Auf der Like ProteinBites-Packung sind sechs Inhaltsstoffe aufgeführt: Wasser, Sojaprotein, Sonnenblumenöl, Aroma, Speisesalz, Gewürze. Ich finde, die Diskussion ist einseitig und weil wir neu auf dem Markt sind, werden wir besonders beobachtet. Das ist ok, aber dann muss man fairerweise die gleichen Maßstäbe für alle anwenden. 

Zum Beispiel was den Einsatz von Methylcellulose als Inhaltsstoff angeht. Denn dieser wird immer wieder in unserer Kategorie kritisch hinterfragt – dabei ist er in vielen Lebensmitteln wie Speiseeis oder Keksen enthalten und sorgt für die richtige Konsistenz. In einigen unseren Produkten erfüllt er eine wichtige Funktion: Er ermöglicht die perfekte Bindung und den gewünschten Biss, was rein pflanzlich nur schwer zu erreichen ist. Methylcellulose wurde von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ohne Höchstmengenbeschränkung zugelassen, und auch Verbraucherschützer halten ihn für unbedenklich. Diese Diskussion wird oft sehr einseitig geführt – während etablierte Lebensmittelproduzenten nicht hinterfragt werden, steht unsere junge Marke besonders im Fokus. 

Es gibt einige Unternehmen, die in das Geschäft mit Fleischersatz eingestiegen sind und aufgeben mussten oder übernommen wurden. Die Marke „Like“ bzw. damals „Like Meat“ gehört erst seit 2020 zum Livekindly Collective. Das Geschäft wandelt sich.
Ja. Die Unternehmen müssen das Geschäft breit skalieren können, Wachstum und erhöhte Nachfrage bewältigen, ohne die Leistung oder Funktionalität zu beeinträchtigen. An der Skalierbarkeit scheitern einige.

Sie sind Head of Europe und produzieren weltweit an drei Produktionsstandorten für über 40 Länder – wie unterscheiden sich die Vorlieben der Kunden?
Die Esskulturen unterscheiden sich. Wir haben im Unternehmen Segmente gebildet – Schnitzel, Würste, Steak, Geschnetzeltes. In England beispielsweise gibt es viel mehr Produkte aus dem Wurst-Bereich, die Engländer lieben Sausages. In Schweden zum Beispiel ist Mince, also Hackfleisch sehr stark und in Deutschland ist es eher Geschnetzeltes und Schnitzel. In allen Ländern soll die Zutatenliste eher kurz sein. Der britische Markt wiederum ist stark auf Tiefkühlprodukte ausgerichtet – was sich auch in der Platzierung im Handel widerspiegelt. In England erwarten Verbraucher pflanzliche Produkte vor allem in der Tiefkühlabteilung, während sie in Deutschland meist im Kühlregal zu finden sind.

Warum?
In England kauft man wohl auch deswegen anders ein, weil es einfach nicht so viele Supermärkte gibt! Das Thema Tiefkühlware ist dort viel wichtiger. Es gibt in England und Frankreich viele TK-Fleisch-Varietäten. Das ganze Thema Frozen ist dort umfangreicher, weil die Leute sich mehr bevorraten müssen.

Ist Frozen für Livekindly ein Thema?
Wir haben es versucht, in Deutschland sind wir bislang nicht ganz erfolgreich, der deutsche Markt ist nicht einfach. Drei Produkte sind gut angekommen, Unicorn, Nuggets und Schnitzel, hatten Listungen, aber es dreht sehr langsam. Während Tiefkühlprodukte in anderen Ländern sehr gut funktionieren, greifen deutsche Verbraucher bei pflanzlichen Lebensmitteln eher im Kühlregal zu – das ist ein gewohntes Einkaufsverhalten.

Wohin geht die Livekindly-Reise mit LIKE? Bleiben Sie beim Protein oder sind Fermentation oder Algen Themen?
Es ist gut, wenn man einen Fokus hat, unser Fokus ist Protein. Natürlich verbessern wir ständig die Texturen, entwickeln neue Formen und Geschmacksrichtungen, aber wir bleiben beim Protein. 

Die neuen ProteinBites gibt es aktuell in zwei Geschmacksrichtungen – Mediterran und Gartenkräuter. Welche könnten folgen?
Neue Richtungen haben wir in der Schublade, Asien ist beispielsweise eine Trendküche, italienisch geht immer.

Wie ernähren sich die Menschen in 30 Jahren, was meinen Sie?
Ich denke, der Anteil der pflanzlichen Ernährung wird steigen, weil die Produkte besser werden und die Zugänglichkeit zu den Produkten steigt – sie sind immer leichter zu bekommen. Junge Leute muss man sowieso nicht mehr fragen. Sie werden ihre Kinder in diese Richtung erziehen, deswegen wird die Entwicklung dahin natürlicherweise von unten aufgerollt werden. In der Boomer-Generation gibt es viele flexible Best-Ager, die interessiert und neugierig auf Neues sind – das sollen unserer Kunden sein. Wenn man die gesamte Bevölkerung analysiert, möchten laut (Quelle Veganz Ernährungsstudie 2022) 34 Prozent weniger Fleisch essen und sagen, es gibt zu wenig Angebote. Das ist unsere Zielgruppe. 


“In England gibt es einen Händler, der hat ein Proteinregal. Darüber könnte man auch in Deutschland nachdenken.”

Anja Grunefeld


Was wünschen Sie sich vom Handel?
Vom Handel wünsche ich mir mehr Offenheit und Mut und ich habe einen Grund, warum ich das sage. Wir sind im Proteinbereich. In England gibt es einen Händler, der hat ein Proteinregal. Darüber könnte man auch in Deutschland nachdenken! Kunden möchten im Markt nicht lange suchen. Mit einem Proteinregal erreicht man den Shopper besser, es gibt für uns mehr Visibilität.

Letztendlich geht es darum, gemeinsam an einer starken Agenda zu arbeiten. Alles, was neu ist, braucht mehr Aufmerksamkeit – aber das Wachstumspotenzial ist da! Wir müssen die Kategorie für mehr Menschen zugänglich machen, sei es durch eine neue Platzierung im Markt oder durch innovative Konzepte, die neue Käufer ansprechen. Die Chance ist riesig – jetzt müssen wir sie nur nutzen!


ZUR PERSON

Anja Grunefeld


Die Diplombetriebswirtin Anja Grunefeld ist seit April 2024 Head of Europe von The Livekindly Collective mit Hauptsitzen in Düsseldorf und New York.
Außerdem ist sie Geschäftsführerin DACH des Unternehmens.
Grunefeld war davor bei der Danone-Tochter Alpro sowie u. a. bei Friesland Campina in verschiedenen Positionen tätig, immer mit den Schwerpunkten Marketing und Geschäftsführung.

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