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Einführung des Nutri-Score: So reagiert die Branche

Einen Tag, nachdem Bundesministerin Julia Klöckner das Ergebnis der Verbraucherbeteiligung zur vereinfachten, erweiterten Nährwertkennzeichnung und damit die Einführung des Nutri-Score bekanntgegeben hat, äußern sich nun Hersteller, Verbände und einzelne Händler. Die Reaktionen aus der Branche im Überblick.

"Nutri-Score"
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Von Nilofar Eschborn | Fotos: Unternehmen

Auf Grundlage des Ergebnisses der Verbraucherbeteiligung zur vereinfachten, erweiterten Nährwertkennzeichnung wird Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, den Nutri-Score einführen. Diese Entscheidung begrüßen vor allem Lebensmittelhersteller, die den Nutri-Score ohnehin bereits auf den Verpackungen ihrer Produkte abbildeten.

Danone beispielsweise führte den Nutri-Score in Deutschland bereits im Frühjahr 2019 auf den Produkten ein, nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen in Deutschland. Richard Trechman, Geschäftsführer von Danone in Deutschland, Österreich und der Schweiz, zeigt sich entsprechend erfreut über die große Zustimmung der Verbraucher: „Wir sind davon überzeugt, dass Nutri-Score die beste Lösung in der Diskussion um eine Nährwertkennzeichnung ist. Das System ist unabhängig, wissenschaftlich fundiert und leicht verständlich. Vor allem hat es bereits den Praxistest bestanden.“ Eingeführt hat Danone die Kennzeichnung bereits auf Marken wie FruchtZwerge, Activia und Dany, Actimel wird ab Oktober mit der Kennzeichnung versehen werden. Bis Ende 2019 sollen dann fast 90 Prozent aller Danone Milchfrische Produkte den Nutri-Score auf der Packung tragen.

Auch Bofrost hatte bereits im März den Nutri-Score als zusätzlichen Kundenservice eingeführt. Matthias van der Donk, Bereichsleiter Corporate Marketing, Communication und Strategy, sagt zum Ergebnis der Verbraucherforschung: „Wir begrüßen, dass das BMEL aufgrund des positiven Votums zu der Entscheidung gekommen ist, den Nutri-Score in Deutschland einzuführen. Wir freuen uns, dass mit diesem System in naher Zukunft hoffentlich eine gesamtheitliche europäische Lösung verabschiedet werden kann, die den Wunsch der Verbraucher nach einer transparenten und leicht verständlichen Nährwertkennzeichnung erfüllt.“

Nestlé will das Kennzeichnungssystem ebenfalls schnellstmöglich in Deutschland umsetzen. Bereits im Juni dieses Jahres hatte das Unternehmen bekanntgegeben, das Nutri-Score System als einheitliches Nährwertkennzeichnungssystem für Kontinentaleuropa zu unterstützen. Zum konkreten Vorgehen erklärt Marc Boersch, Vorstandsvorsitzender Nestlé Deutschland: „Wir werden mit der Umsetzung des Nutri-Score Systems so schnell wie möglich beginnen, um auch Verbraucher in Deutschland bestmöglich bei einer bewussten Produktauswahl zu unterstützen.“

Der Lebensmittelhersteller Iglo verfolgt ebenfalls die Platzierung des Nutri-Score auf seinen Verpackungen in Deutschland. In Frankreich, Belgien und zuletzt in den Niederlanden hat ihn das Unternehmen bereits eingeführt, hierzulande hinderte ihn daran bisher eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg. Inzwischen hat Iglo ein Berufungsverfahren gegen die Entscheidung eingelegt und rechnet Ende November mit einer finalen Klärung. Bis dahin kommentiert Antje Schubert, Vorsitzende der Geschäftsführung von Iglo Deutschland, die Befragung des BMEL: „Das Ergebnis schafft nun endlich Rechtssicherheit. Diese wird auch andere Unternehmen motivieren, Verbrauchern eine schnelle, unabhängige und leicht verständliche Orientierung hinsichtlich des Nährwertprofils von verarbeiteten Lebensmitteln zu geben.“ Zudem habe das Ministerium damit dem Verharren einzelner Lobbyisten und den Gegnern einer zukunftsorientierten Lebensmittelwirtschaft eine klare Absage erteilt. Für die Entscheidung Nutri-Score einzuführen, zolle man allen Beteiligten des Ministeriums Respekt. Nun komme es auf die schnelle politische Umsetzung an. Diese würde ermöglichen, dass eine breite Einführung von Nutri-Score bereits zur Grünen Woche im Januar 2020 möglich wäre, so Schubert.

Auch das Deutsche Tiefkühlinstitut betont, dass das Ergebnis eine Grundlage für die Mitglieder schafft, um den nachdrücklich geäußerten Wunsch der Tiefkühlwirtschaft umzusetzen, eine Kennzeichnungslösung mit Einsetzbarkeit in der gesamten EU zu erreichen. Das Votum der deutschen Verbraucher biete die Chance, den Nutri-Score als gemeinsamen europäischen Lösungsansatz zu etablieren. Das Institut begrüßt daher das weitere Vorgehen der Bundesregierung, sich dafür in Brüssel einzusetzen.

Kritische Stimmen seitens der Verbände

In der Verbraucherbefragung ist auch der Lebensmittelverband Deutschland mit einem eigenen Modell ins Rennen gegangen. Auch wenn das Ergebnis mit 5 Prozent der Befragten, die sich für das Modell aussprachen, eher mau für den Verband ausfiel, betont er, dass er die Verbraucherbefragung von Beginn an befürwortet und unterstützt hat. Grundsätzlich habe man jedoch nach wie vor Zweifel, dass bewertende Systeme geeignete Modelle für eine vereinfachte Nährwertkennzeichnung sind. Philipp Hengstenberg, Präsident des Lebensmittelverbands Deutschland, erklärt: „Eine ernährungsphysiologisch sinnvolle Bewertung kann nur mit Blick auf das gesamte Ernährungsverhalten am Tag, nicht aber für ein einzelnes Produkt erfolgen. Davon abgesehen ist die Verwendung eines erweiterten Nährwertkennzeichnungssystems freiwillig, das heißt es ist die freie Entscheidung eines jeden Unternehmens, der Empfehlung von Bundesministerin Julia Klöckner zukünftig zu folgen.“

Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker hatte sich zudem bereits vor Bekanntgabe des Ergebnisses kritisch geäußert. Gegen Übergewicht helfe nur eine Kalorienangabe prominent auf der Packungsvorderseite, ist Geschäftsführer Günter Tissen überzeugt. „Wenn es Bundesministerin Klöckner also wirklich darum geht, einen Beitrag zur Reduktion des Übergewichts und der dadurch mitbedingten Krankheiten zu leisten, darf die prominente Kalorienangabe auf der Packungsvorderseite nicht fehlen - je nach Ergebnis der Befragung auch zusätzlich zu dem favorisierten Modell“, sagte er im Vorfeld. Eine Gesamtbewertung wie im Fall des Nutri-Score hält er für problematisch, weil sie von der Kalorienzahl ablenkt und den Verbraucher in die Irre führen kann.

Aufruf zum Mitmachen

Institutionen wie die Verbraucherorganisation Foodwatch rufen wiederum dazu auf, den Nutri-Score auf den Verpackungen abzubilden, denn erst dann können die Verbraucher Produkte im Supermarkt auf einen Blick miteinander vergleichen. Luise Molling von Foodwatch Deutschland erklärt: „Weil die Kennzeichnung zunächst freiwillig bleibt, sind wir vom Willen der Unternehmen abhängig. Wir fordern sämtliche Lebensmittelhersteller und den Handel von Aldi bis Zott auf, mitzumachen und ihre Produkte mit dem Nutri-Score zu versehen.“ Zudem solle sich Frau Klöckner EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Nutri-Score-Ampel zum verpflichtenden Modell in Europa wird.

Auch Dr. Daniela Büchel, Bereichsvorstand Handel Deutschland der Rewe Group, betont, dass die zusätzliche Kennzeichnung nur dann einen wirklichen Mehrwert für die Kunden bietet, wenn alle Produkte im Sortiment mit dem Nutri-Score gekennzeichnet sind. Auf Handelsseite sei die Rewe Group deshalb bereit, bei der Nährwertkennzeichnung mit ihren Eigenmarken eine Vorreiterrolle zu übernehmen. „Wie das konkret aussehen kann, ist selbstverständlich erst zu entscheiden, wenn das entsprechende Regelwerk zur Einführung des Nutri-Scores durch das BMEL vorgelegt wird“, so Büchel.

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