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ForscherAuftritt David Bosshart: „Es geht um Bequemlichkeit“

Nachhaltigkeitsaspekte, prognostiziert Trendforscher David Bossart, sind bei der weiteren Entwicklung der E-Mobilität eher zweitranging. Und der LEH wird seine Kunden auch nicht dahingehend erziehen können.

David Bosshart, Trendforscher, Executive Advisor, langjähriger Direktor Gottlieb Duttweiler Institute. Foto: GDI, Sandra Blaser
Von Sibylle Menzel | Fotos: GDI, Sandra Blaser

Der Absatz von Elektrofahrzeugen schwächelt in Deutschland nach Ende der staatlichen Förderungen. Worin liegt denn eigentlich die Kaufmotivation eines EVs? 
Für die Käuferseite sind zuerst der Preis, dann Reichweite, bequem verfügbares und vor allem schnelles Laden immer noch prioritär. Keine Abstriche gegenüber dem Bekannten. Ideologisches und autoritäres Grün ist nicht mehr in. Klar ist schon lange, dass alles viel langsamer aus der fossilen Welt hinauswachsen wird. Nicht weil man Grün nicht ernst nimmt, sondern weil man viel zu naiv vorgegangen ist, und auch der Aufbau einer grüneren Wirtschaft noch lange von fossiler Energie abhängen wird. 

A propos schnelles Laden: Als Grund gegen die Anschaffung eines EVs wird häufig mangelnde Lademöglichkeit genannt. Der Handel gilt hier als „Schrittmacher“, 85 Prozent des deutschen LEH haben bereits Ladestationen installiert. Ist der LEH tatsächlich Teil der Lösung?
Der LEH braucht zunächst einmal Kundenparkplätze, weil die Bevölkerung mit Personenfreizügigkeit und Migration wächst und das Auto für den Einkauf nicht weniger wichtig wird. Und die Autos brauchen tendenziell immer mehr Platz, weil EVs sicher nicht kleiner oder gar leichter werden und Geländewagen immer noch boomen. 

Aber es braucht Ladestationen ...
Gewiss braucht es auch Ladestationen. Aber EVs haben nur Sinn, wenn die ganze Mobilität und Energie Schritt für Schritt informatisiert, vernetzt und automatisiert wird. In Echtzeit. Ein EV ist nicht primär ein Auto, sondern ein intelligentes Datenaggregat wie das smarte Handy. Der Mensch als Fahrer ist ein Stör-, Kosten- und Risikofaktor, der zum fröhlichen Roboter mutiert. Und die Basis grüner Strom, so löblich die Idee, wird die Infrastrukturen volatiler und verletzlicher machen.

Das Ladeangebot ist ein Instrument der Kundenbindung. Wo sehen Sie die Chancen? 
Kundenbindung ja, wenn ich regelmäßig einen längeren Einkauf vorhabe. Aber der LEH wird die Kunden nicht erziehen können, ihnen geht es um Bequemlichkeit. Zu viel ist aktuell im Fluss – denken Sie an die Entwicklung der Batterien, von Qualität, Sicherheit, Tracking über Blockchain bis Recycling und Entsorgung. Wenn Batterien leichter, billiger, effizienter und weniger umweltschädlich werden, wie uns das immer wieder versprochen wird, kann es schnell einen Schub geben. Für die Stadt und den urbanen Verkehr halte ich EVs für ungeeignet. Wenn wirklich grün, passt das E-Bike, gegebenenfalls mit Anhänger, viel besser. 

Im EU-Ranking ist Deutschland in Sachen E-Mobilität zurückgefallen. Was machen andere Länder besser?
Das gilt auch etwa für die USA oder England, Hybridität wird dazwischengeschaltet. Vielleicht ist es auch ein Freiheitsreflex gegenüber der Situation in China: EV boomt, weil der Staat bzw. die Partei das so befiehlt und globale industriepolitische Ziele verfolgt werden. Das sind Stellvertreterkriege. Vergessen Sie nicht: Unsere Probleme hier in Deutschland haben nichts mit der globalen Realität zu tun. Auch wenn es ein rasches Wachstum an EVs gibt, sind immer noch weniger als ein Prozent der 1,4 Milliarden Personenwagen nicht fossil angetrieben. 

Ihre Prognose für die E-Mobilität?
Wir leben aktuell in einer Phase der Verpolitisierung von allem. Daher wird auch die Umsetzung der E-Mobilität ein Resultat politischer Kräftespiele sein. Man teilt in Gewinner und Verlierer ein. Um Nachhaltigkeit geht es da leider höchstens in zweiter oder dritter Linie. Dass die Erderwärmung sich rasch weiterentwickelt, wissen wir. 


David Bosshart

ist als Trend- und Handelsforscher weltweit tätig. Er wechselt sich hier mit Martin Fassnacht, Stefan Grünewald und Florian Klaus ab. www.davidbosshart.com

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