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Heiß genießen, aber fair

Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen und auch Tee wird so viel getrunken wie noch nie. Doch die Mehrheit der Erntebauern lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Lösung dafür ist der faire Handel – mit einem Mindestpreis und Prämien für nachhaltige Projekte in den Communitys vor Ort.

Foto: Fairtrade/ Dennis Salazar Gonzales
Von Johanna Wies | Fotos: Fairtrade/Dennis Salazar Gonzales

Deutschlands Kaffee-Konsum hat ein Rekord-Hoch erreicht: Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg im zweiten Quartal 2022 auf durchschnittlich 3,8 Tassen pro Tag, 2021 waren es 3,6 Tassen (Deutsche Kaffeeverband 2022). Über 1,2 Millionen Tonnen Kaffee im Wert von rund 3,5 Milliarden Euro importierte Deutschland im Jahr 2021 (Fairtrade, 2022).

Doch obwohl die Wertschöpfung bei Röstern und Händlern in Deutschland kontinuierlich steigt, sinken die Einnahmen in den Kaffee-Produktionsländern seit Jahren. Die Kaffeeproduzenten sehen sich mit diversen Herausforderungen konfrontiert: ein schwankender Weltmarktpreis, klimatisch bedingte Ernteausfälle und steigende Produktions- und Haushaltskosten. Häufig erhalten die Menschen, die in den Anbauländern in der Produktion und Verarbeitung von Rohkaffee beschäftigt sind, Löhne und Einkommen unterhalb eines existenzsichernden Niveaus. Mit dem Kaffeeanbau können sie somit ihren Lebensunterhalt immer schlechter bestreiten. Deshalb sehen immer weniger junge Menschen in den Anbauländern ihre Zukunft im Kaffeeanbau – und migrieren in die Großstädte. Die Löhne unterhalb der Armutsgrenze sind auch im Tee-Anbau vorherrschend.

Um dem entgegenzuwirken, muss langfristig der Anteil der Wertschöpfung in den Produktionsländern erhöht werden. Beispiele aus dem Fairen Handel zeigen, dass direkte, transparente und langfristige Handelsbeziehungen mit Produzenten sowie Vorauszahlungen zur Vorfinanzierung der Ernte, die Zahlung von Prämien und Mindestpreisen wichtige Instrumente sind, um den Herausforderungen der Kleinproduzenten insbesondere in Zeiten niedriger Weltmarktpreise entgegenzuwirken.

Produktion ohne Ausbeutung

„Fairer Handel bedeutet, dass ein Produkt ohne Ausbeutung hergestellt wird. Das heißt: die Produzenten am Anfang der Lieferkette erhalten einen fairen Preis und bekommen die Möglichkeit, auch vor Ort mit der Fairtrade-Prämie zu investieren“, erklärt Marcelo Crescenti, Pressesprecher Fairtrade Deutschland. Fairtrade basiert auf einem Mindestpreis, das heißt, „es gibt ein Auffangnetz: Liegt der Preis unter dem Mindestpreis, erhalten die Bauern den Mindestpreis, liegt er darüber, bekommen sie den höheren Preis. Dies gibt ihnen zudem Planungssicherheit, denn teilweise wissen sie nicht, was ihnen die nächste Ernte bringt“.

Eine weitere Nachhaltigkeitskomponente sei die Fairtrade Prämie vor Ort für Projekte. Wie diese vor Ort eingesetzt werden soll, das können die Produzenten selbst entscheiden. „Gerade bei Kaffee haben wir teilweise sehr große Kooperativen, in Latein-/ Mittelamerika, Peru oder Kenya. Wir sehen, dass diese Kooperativen richtig stark sind und etwas vor Ort bewegen“, so Crescenti. Zusätzliche anerkannte Fair-Trade-Siegel sind Rainforest Alliance, Naturland Fair, Gepa fair+plus und Fair for Life.

 


"Fairer Handel bedeutet, dass ein Produkt ohne Ausbeutung hergestellt wird."

Marcelo Crescenti, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Fairtrade Deutschland


 

Es wird zunehmend Faires gekauft

Fair gehandelter Kaffee macht bislang nur etwa sechs Prozent des in Deutschland getrunkenen Kaffees aus. Doch es geht bergauf mit dem Fairen Handel: 1,9 Milliarden Euro gaben die Verbraucher hierzulande im Geschäftsjahr 2021 für fair gehandelte Produkte aus (plus sieben Prozent). Hierbei nimmt mit einem Anteil von 31 Prozent am Gesamtumsatz Kaffee den ersten Platz ein. 77 Prozent des Umsatzes wurden mit fairen Lebensmitteln generiert, 31 Prozent davon mit Kaffee – weiterhin das umsatzstärkste Produkt im Fairen Handel. Die Fair-Handels-Unternehmen, welche ausschließlich Fairen Handel betreiben, erreichten einen Umsatz von 228 Millionen Euro. Im Vergleich zu 2020 entspricht dies einem Plus von über 10 Prozent (FFH, 2022).

 

Mit einem Anteil von 31 Prozent am Gesamtumsatz nimmt Kaffee in Deutschland weiterhin den ersten Platz unter den fair gehandelten Produkten ein. Im Geschäftsjahr 2021 ist der Absatz von fairem Kaffee im Vergleich zum Vorjahr um 0,52 Prozent auf 27.537 Tonnen gestiegen. Der Marktanteil liegt weiterhin bei über sechs Prozent (FFH, 2022). Bei Fairtrade ist Kaffee ist das bekannteste und älteste Produkt: Die meisten Fairtrade-Prämieneinnahmen wurden 2021 im Kaffeeanbau erzielt.

So macht Fairer Handel vor Ort einen Unterschied

Laut Crescenti seien J.J. Darboven und Tchibo die größten Abnehmer von Fairtrade-Kaffee, zudem bieten Marken wie Seeberger und Fairtrade Original, aber auch insbesondere die Handelseigenmarken zertifizierten Fairtrade-Kaffee an. Der Kaffee-Hersteller J.J. Darboven ist Fairtrade-Pionier: „Unser Unternehmen ist glücklich, 2021 insgesamt mit Café Intención 1,5 Millionen Euro an Fairtrade-Prämie generiert zu haben. Dank der Prämienzahlung kann zum Beispiel die Kooperative Comsa in Honduras Fortbildungen und die Ausbildung von Kindern sowie Jugendlichen sichern. Mehr als 600 Schüler der Kooperative konnten seit Beginn der Zusammenarbeit im Jahr 2012 dadurch eine solide schulische Grundausbildung erhalten. Außerdem reinvestiert die Kooperative in die Umwelt. Auf der Farm „Finca Fortaleza“ werden Schädlingsbekämpfungsmittel und Dünger auf biologischer Basis entwickelt. So gelingt es, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kleinbauern zu verbessern“, sagt Marketingleiterin Simone Müggenburg.

Bei Tchibo ist die gesamte Barista Range Fairtrade zertifiziert. Zusätzlich zum Erhalt des Mindestpreises für die Farmer geht eine Prämie an Gemeindeprojekte, wie Krankenhäuser oder Schulen. Ganz neu ist der Eduscho Crema Grande, ebenfalls Fairtrade zertifiziert. Bei Delica wird mit dem Verkauf jeder Packung Impact Kaffee ein festgelegter Betrag pro Packung in lokale Projekte für die Bauern, Kooperative oder die ganze Community investiert, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Neben der finanziellen Beteiligung versichert das Kaffee-Unternehmen den Bauern eine langfristige Abnahme ihres Kaffees und unterstützt sie dabei, sich weiterzuentwickeln und unabhängiger zu werden.

Auch der Bio-Teehersteller English Tea Shop kooperiert mit dem Verein und bietet die Fairtrade-zertifizierten Teesorten English Breakfast, Earl Grey, Grüner Tee und Grüner Tee Granatapfel an. Allerdings seien auch alle anderen Tees des Sortiments fair gehandelt und hergestellt – auch wenn sie nicht das Fairtrade Siegel tragen. Bereits 4.000 familiengeführte Farmbetriebe wurden bei der Umstellung auf nachhaltigen und gesunden Bio-Anbau unterstützt.

2011 war Teekanne das erste Tee-Unternehmen in Deutschland, das Rainforest-Alliance-zertifizierte Tee-Produkte im Markt einführte. Alle Schwarztee-, Rooibos- und Grüntee-Produkte sind 100 Prozent und die Kräuter- und Früchtetee Rohwaren rund 70 Prozent Rainforest-Alliance-zertifiziert. Eines der von Teekanne unterstützten Projekte ist „Taste the good life“. Hier fördert das Unternehmen gemeinsam mit dem Rotbusch-Lieferanten Carmién Tea in dessen Tee-Gemeinschaften in Südafrika eine gesunde Ernährung und schärft das Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil. Denn in den Carmién-Tea-Gemeinschaften sind Diabetes und Bluthochdruck große Probleme, etwa 40 Prozent der ständigen Arbeitskräfte nehmen Medikamente dagegen ein.

 

Um die Lebensbedingungen der Landwirte und Teesammler zu verbessen, erfüllen alle 43 Teesorten von Pukka den Fair for Life-Standard für fairen und ethischen Handel. Unter anderem ermöglichte der Hersteller: Ein Programm für die psychische Gesundheit für von der Pandemie betroffene landwirtschaftliche Mitarbeitende, neue Schulen für Schulanfänger und die Installation einer Wasserkraftturbine und Solarleuchten in den Teegärten.

 

Hohe Marktpreise, hohe Ertragseinbußen

Aktuell sind die Weltmarktpreise für Rohkaffee auf einem historisch hohen Niveau. Aber die Kaffeebauern im Globalen Süden profitieren kaum davon, weil sie in Folge der COVID-19-Pandemie sowie des Angriffskrieges auf die Ukraine mit gestiegenen Preisen für Lebens- und Betriebsmittel konfrontiert sind. Dazu kommt eine Verknappung des Angebots und Ertragsbußen in Folge der Klimakrise oder Insektenplagen. Dabei müssten gerade für den Klimaschutz dringend Investitionen getätigt werden. Bis dahin stellt die Hochpreisphase Fair-Handels-Unternehmen vor Herausforderungen. Denn: Steigt der Weltmarktpreis über vereinbarte Mindestpreise, geht der Faire Handel die Anpassungen nicht nur mit, sondern zahlt auch weiterhin die Fair-Handels-Prämie, in aller Regel eine Bio-Prämie, gegebenenfalls Aufschläge für gute Qualitäten und manchmal sogar eine Kooperativen-Prämie.

Um zu sparen kaufen deutsche Verbraucher derzeit weniger Bioprodukte. Wie sieht es mit den fair-gehandelten Produkten aus? Bei Fairtrade gibt es bislang keinen Rückgang von Kaffee: „Wir haben das erste Halbjahr mit einem Plus von gut fünf Prozent abgeschlossen und wir schätzen, dass wir das Jahr auch mit einem Plus abschließen werden im Kaffeebereich. Aber wir sehen schon, dass der Corona-Effekt vorbei ist. Die Leute kaufen weniger Kaffee im LEH, und trinken mehr im Büro oder im Café, da gibt es eine Verschiebung Richtung Außer-Haus-Markt“, berichtet Marcelo Crescenti.

Auch bei Tee gäbe es eine sehr gute Entwicklung bei Fairtrade, allerdings nicht so sehr im LEH, sondern durch den Einstieg der Tee-Kampagne, ein Direktversender von Tees. „Der LEH hat alle Eigenmarken mit Fairtrade – die Industrie tut sich schwer damit, auf Fairtrade zuzugehen. Wir haben einen großen Zuwachs, aber der stammt definitiv nicht aus dem LEH, sondern aus Direktversand“, so Crescenti.

„Wir sehen momentan sehr viele Preisaktionen, auch von etablierten Marken. Kaffee ist allgemein Aktions-intensiv“, so Marcelo Crescenti. Doch die meisten Kunden greifen bewusst zu Fairtrade-Kaffee, weil sie über dessen Wirkung Bescheid wissen. „Und wir hoffen, dass diese Kunden uns treu bleiben. Allerdings ist eine gewisse Zurückhaltung mancher Kundengruppen nicht von der Hand zu weisen. Aber die betrifft uns derzeit noch nicht in der Breite. Wenn Marken vermehrt ihren Kaffee in Aktion geben, dann wird es einfach schwierig, ihn für einen normalen Preis zu verkaufen. Wir hoffen, das Jahr mit einem Plus abzuschließen.“ 


INFO

Nicht nur fair, sondern auch bio


Rund 58 Prozent der Fairtrade-Lebensmittel in Deutschland waren im vergangenen Jahr zusätzlich auch bio-gesiegelt – ganz vorne dabei ist Tee mit 89 Prozent (Fairtrade, 2022). 

Häufig ist Fairtrade der erste Schritt auf dem Weg zum Bio-Anbau. Da eine Bio-Zertifizierung während der Umstellung mit vielen Kosten und Ernteeinbußen verbunden ist, sichern der Fairtrade-Mindestpreis und die Prämie für Gemeinschaftsprojekte vor Ort die Produzenten ab. So erhalten sie in der Umstellungszeit stabile Preise für ihre Produkte
Darüber hinaus beinhalten die strengen Standards der Fairtrade-Unternehmen bereits zahlreiche Umweltkriterien.


Mehr Infos zu Fairtrade 

inklusive Warenkunde, Zahlen und Fakten, Tipps für den PoS und Historisches finden Sie in unserem Grips&Co-Markentrainer zum Thema Fairer Handel.

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