Warum ist das Thema Nachhaltigkeit für die Landwirtschaft wichtig?
Nachhaltigkeit bedeutet, den Blick zu weiten und in Generationen zu denken. Wie kaum ein anderer Sektor hängt die Landwirtschaft von gesunden Böden ab, von einer reichen Artenvielfalt oder vom Klima, also dass es genug regnet und nicht zu heiß ist. Es ist im Interesse der Landwirtschaft, alles dafür zu tun, dass es auch noch in 20, 30 oder 50 Jahren gute Ernten gibt. Ich rate deshalb dazu, dass wir mit den natürlichen Ressourcen sorgsamer umgehen. Damit sichern wir auch in Zukunft unsere Ernährungssouveränität – auch in ökonomischer Hinsicht: Nicht zuletzt sichern die Familienbetriebe ihren Kindern und Enkeln ein stabiles Einkommen.
Welche Rolle spielt der LEH hinsichtlich einer guten und gesunden Ernährung?
Der LEH ist ein sehr wichtiger Player, wenn die Menschen eine gesündere Wahl mit mehr regionalen und auch Bio-Lebensmitteln haben sollen. Die meisten kaufen heute im Supermarkt ein. Mit anderen Worten, der LEH kann die Verbraucherinnen und Verbraucher durch sein Angebot, die Präsentation und seine Kommunikation direkt erreichen. Und so im besten Fall dazu beitragen, die Wahl für gesunde Lebensmittel einfacher zu machen. Ich erlebe den Lebensmitteleinzelhandel hier auch durchaus engagiert. Bei der Haltungskennzeichnung für Fleisch etwa war der Handel schneller als wir in Berlin (lacht) und ist mit einem eigenen Tierwohl-Label vorangegangen. Das gleiche gilt bei der Werbung für stark salz-, zucker- oder fetthaltige Lebensmittel – auch hier haben Unternehmen angekündigt, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Der Bio-Anteil der verkauften Lebensmittel ist im LEH trotz Preisanstiegen und Inflation gestiegen, woran liegt das?
Der Bio-Umsatz steigt ja seit Jahren, mit wenigen Dellen. Und unser Ernährungsreport und andere Umfragen zeigen regelmäßig, dass die Deutschen zunehmend Wert auf mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz legen. Darauf zahlt Bio ein. Dazu kommt, dass Bio in den letzten Jahren besser verfügbar wurde – und sowohl vielfältiger als auch günstiger angeboten wurde, auch dank der Skaleneffekte. Zuletzt hat sich Öko als echte Inflationsbremse gezeigt, weil hier eben die gestiegenen Kosten für Dünger und Pflanzenschutzmittel weniger zu Buche schlagen. Dadurch schrumpfte der Preisabstand zum konventionellen Pendant, und die Bio-Lebensmittel wurden noch attraktiver.
Wie weit darf die Politik den Wandel in der Landwirtschaft vorantreiben, hin zu CO2-Einsparungen, weg von zu viel Pflanzenschutzmitteln?
Agrarpolitik geht uns alle an, und das wird auch immer mehr Menschen bewusst. Wie wir uns ernähren und wie unsere Lebensmittel hergestellt werden, ist eben nicht trivial. Wenn wir als Gesellschaft bestimmte Anforderungen an die Landwirtschaft stellen, muss uns das auch etwas wert sein. Beim Landwirt mehr Nachhaltigkeit bestellen und dann nicht dafür zahlen wollen, das geht nicht.
Ich stehe für eine Politik, die Landwirtinnen und Landwirte beim nachhaltigen Wirtschaften unterstützt. Die Höfe dürfen nicht allein auf den Kosten für mehr Tierwohl, für nachhaltigen Pflanzenschutz und Klimaschutz sitzen bleiben. Entscheidend ist der richtige Mix aus guten politischen Rahmenbedingungen, finanziellen Anreizen und der Investition in die Forschung. Aber eben auch, die Veränderungen in enger Zusammenarbeit mit Landwirten und anderen Interessengruppen zu forcieren. Denn nur so stellt man eben sicher, dass Änderungen praktikabel sind und auch angenommen werden.