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Mit Konsum mehr Gutes tun

Wie funktioniert ein soziales Unternehmen erfolgreich und rentabel? Im Exklusiv-Interview mit der RUNDSCHAU berichtet Share-Gründer Ben Unterkofler über seine Strategie. Künftig soll es noch mehr Produkte für den LEH geben.

Ben Unterkofler, Geschäftsführer von Share.
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Von Martina Kausch | Fotos: Stefan Zeitz

Wie kommt ein erfolgreicher Schauspieler dazu, ein Unternehmen zu führen? Und wie kommt er dazu, ein Soziales Unternehmen zu führen?

Die Schauspielerei hat mir mit Anfang Zwanzig einfach keinen Spaß mehr gemacht. Ich war ja früh ziemlich erfolgreich, habe mit 13 meinen ersten Film gemacht. Mit Anfang Zwanzig gab es ehrlicherweise eine Sinnsuche. Während meines BWL-Studiums habe ich gemerkt, dass mich eigentlich Politik viel mehr interessiert. Ich hab also parallel Politik studiert und im Bundestag für einen Abgeordneten gearbeitet. Da war ich maßlos enttäuscht, wie realpolitisch alles ist. Im Europäischen Parlament habe ich danach für das Kabinett von Martin Schulz gearbeitet. Dann kam das offizielle EU-Traineeship als Vorbereitung für eine EU-Laufbahn. Das fand ich fantastisch – und dann habe ich meinen Co-Gründer kennengelernt.

Das war Sebastian Stricker?

Genau. Er arbeitete damals bei der UN.  Da wollte ich ja auch hin – aber er hat mir von der App erzählt, die er privat entwickeln wollte. 

Das war die Share the Meal-App?

Ja. Ich habe alles stehen und fallen gelassen, bin mit ihm nach Berlin gegangen und dann haben wir die Share the Meal-App gebaut. Unser Folgeprojekt war dann share. 

Das klingt für mich nach viel Überzeugungstätertum bei Sebastian Stricker und Ihnen. Die Sinnsuche war damit beendet?

Ja. Der rote Faden, der sich durch mein Leben zieht, ist die Frage: Warum sind wir Menschen wie wir sind? Warum sind manche gut, warum sind manche böse? Warum haben wir die gesellschaftlichen Systeme, die wir haben? Warum ist Kapitalismus das System, für das wir uns entschieden haben? Und: Wie kann man das System für Gutes ausnutzen?

Und da kam bei den Überlegungen Share ins Spiel? 

Ja. Die weitere Frage war: Wie kann man innerhalb des Systems das meiste für die Gesellschaft Relevante herausholen? Ich glaube, dass Menschen sich gut fühlen, wenn sie Gutes tun. Mit der Marke share wollen wir genau dieses Gefühl transportieren und es Menschen so einfach wie möglich machen, im Alltag Gutes zu tun. 

Hat es das Gutes Tun aktuell schwerer als vor einigen Jahren? Immer mehr Menschen müssen sparen. 

Aktuell kommen verschiedene Effekte zusammen. Die gesamte Wirtschaft merkt natürlich aktuell die Inflation, Preise verteuern sich, Leute geben weniger aus, tendieren öfter zur Eigenmarke. Es gibt Studien, die sagen, je mehr globale Krisen um einen herum sind, desto mehr schaut man auf sich selbst und macht die Schotten dicht, man versucht, schlechte Nachrichten aktiv zu vermeiden und kümmert sich um das, was einem wichtig ist. Stichwort Me Economy. 

Me Economy hat neben anderen auch den Aspekt, dass man im Job Werte teilen möchte, soziale Verantwortung wichtig ist.  Was bedeutet das für Share?

Es bedeutet eben nicht, dass den Kunden Nachhaltigkeit egal ist, sondern dass sich die Anforderungen an Produkte ändern.  Die Kunden, die das Thema Klimawandel verstanden haben, und die sehen, dass es vielen Menschen auf der Welt nicht gut geht, möchten helfen, damit es ihnen besser geht. Die Meinung ist dann: Liebe Unternehmen, liebe Regierungen, macht doch mal was!  Es liegt doch nicht an mir etwas zu tun, sondern ihr sollt etwas tun. Die Menschen erwarten, dass sich Unternehmen ändern – und da sind wir mit Share gut aufgestellt. Weil wir nicht nur reden, sondern es Menschen ermöglichen, mit ihrem täglichen Einkauf etwas Gutes zu tun. 

Sie denken, Spenden allein reicht den Kunden nicht?

Share beruht auf der Idee, mit Konsum Gutes zu tun. In komplexeren Zeit wie aktuell ist es eher so, dass die Konsumenten darauf achten, was sie kaufen. Preis und Qualität müssen stimmen, und da sind wir mit manchen Produkten besser aufgestellt. Nachhaltigkeit wird heute zum Glück von vielen Kunden bereits vorausgesetzt. Share-Produkte haben den Vorteil, dass sie darüberhinaus auch noch soziale Projekte unterstützen.

Wie hat sich das Portfolio bei Share entwickelt, wie entwickelt es sich aktuell? Haben Sie Produkte aufgegeben?


Mit dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine, wo das Zinsumfeld gestiegen ist, haben wir uns mit Share grundsätzlich noch mal anders aufgestellt und eine Revision über unser ganzes Portfolio gemacht. Damals hatten wir über 120 Produkte und wollten in jeder Kategorie unterwegs sein. Aber wir haben gemerkt, dass es viel mehr Sinn macht, sich zu fokussieren und nicht alles zu wollen. Es ist auch für die Glaubwürdigkeit gegenüber Kundinnen und Kunden viel ratsamer. Wir haben Spezialisierungen entwickelt und an den Qualitäten gearbeitet. Die Marke hat eine Strahlkraft, dass das funktioniert.

Worauf fokussieren Sie sich nun? 

Vor allem auf Snacks und Getränke im Impulsbereich. Darauf liegt der Fokus, da haben wir unseren größten Erfolg und da investieren wir jetzt stark. Wir sind eine Impulsmarke, also eine Marke, bei der Impuls und Emotionen sehr miteinander verbunden sind. Der Schwerpunkt der Produktentwicklung wird im Bereich Clean Label, Better for You, also auf trendige Snackvarianten für bewusste Ernährung liegen.Viele andere Produkte lizensieren wir sehr erfolgreich aus. Die Schreibwaren zum Beispiel sind komplett an ein Partnerunternehmen, an Edding, gegangen, und seitdem wächst der Bereich viel schöner. Ein Startup mit 70 Leuten kann nicht 4 bis 5 verschiedene Kategorien steuern. 

Aber Share hat seit kurzem Produkte außerhalb des FMCG-Bereichs entwickelt: Es gibt ein Girokonto, Brillen, Handytarife… Ich vermute, das liegt an der Share-Idee? Ich eröffne solch ein Girokonto und ermögliche es einem Menschen im Globalen Süden, ein Girokonto zu haben? [Aber ist diese Produkterweiterung auf ganz andere Bereiche denn sinnvoll? War beispielsweise das Girokonto eine richtige Entscheidung?

Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die share-Idee auch in anderen Branchen funktioniert. Gerade das Girokonto ist für uns ein ganz großer Erfolg, es ist jetzt rund eineinhalb Jahre alt und wir konnten schon über eine Million Euro Hilfsgelder daraus generieren. Als unser erstes digitales Produkt können Kunden mit ihrem Konto selbst wählen, welches soziale oder ökologische Projekt sie damit unterstützen möchten - dazu haben wir viel positives Feedback erhalten. 

Share sollte 2024 profitabel werden und schwarze Zahlen schreiben. Wie ist die Lage?

Die guten Nachrichten sind:  Wir waren 2024 ein ganzes Quartal profitabel, wir haben jetzt drei Monate lang in Folge schwarze Zahlen geschrieben, für uns ein <s> </s>Erfolg.

Waren es die ersten oder die letzten drei Monate des Jahres?
Das dritte Quartal 2024. Wir sehen: Wir sind wettbewerbsfähig und schwarze Zahlen sind möglich. Deswegen werden wir jetzt noch einmal in den Ausbau unserer Präsenz im LEH investieren, da sehen wir viel Potenzial. 2024 war für uns ein gutes Jahr.

Was wünschen Sie sich vom Handel?

Ohne die Partnerschaft mit Rewe und Dm wären wir nicht so erfolgreich, das Thema Partnerschaften würden wir gerne ausweiten. Ich würde mir wünschen, dass viele Händler den Bereiche Nachhaltigkeit noch  stärker spielen. Hier hat eine Soziale Marke wie Share eine sehr, sehr große Daseinsberechtigung. Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit, aber gleichzeitig natürlich auch gute Drehzahlen für die Partner.

Noch eine Anmerkung zum Thema: Wo unterstützt Share? Wir engagieren uns ja auch im Globalen Norden. Ein Großteil der Foodprodukte ermöglichen  mittlerweile Spenden an die deutschen Tafeln.  Einerseits fragen Kunden das vermehrt nach, vor allem durch den Angriffskrieg auf die Ukraine und die vielen Geflüchteten sowie die allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten sind die Tafeln massivst überlaufen und unter Druck. Unsere finanziellen Mittel helfen natürlich auch  dort ungemein.

Unser Impact beruht eigentlich auf drei Säulen: Auf Entwicklungszusammenarbeit, also klassische Hilfe zur Selbsthilfe: Was kann ich tun, damit Menschen ihre Lebensumstände langfristig selbst verbessern können?

Und die zweite Säule?

Die zweite Säule ist Nothilfe. Unser Schoko-Meersalz-Riegel spendet ein Notfallnahrungsmittel, was wir an Kleinkinder in Somalia verteilen. Und das dritte Standbein ist lokale Hilfe. Da arbeiten wir viel mit Tafeln, aber mittlerweile auch bei immer mehr Projekten, die durch das Girokonto ermöglicht werden. Wir unterstützen zum Beispiel ein Projekt zusammen mit der Organisation RheinFlanke, in dem es um spezielle Sport-Integrationsprogramme geht:
Wie integriere ich also auch junge Kids, die zu uns gekommen sind, spielerisch und bringe demokratische Werte bei. Da gibt es sehr, sehr spannende Programme, die wir jetzt auch aktiv fördern. Die RheinFlanke ist eine lokale gemeinnützige GmbH im Rheinland.

Wo soll Share in 10 Jahren stehen?

Das ist eine Frage, die ich mir oft stelle und die mich immer motiviert. Es gibt eine kurze Antwort.

Ja? 

Share hat es geschafft, das Thema Sozialen Konsum über die Marke hinweg als Kernkategorie in den Supermärkten zu etablieren.  Share ist also eine Gattungsmarke geworden so wie Alnatura das für den Biobereich ist. 
 

Also wenn ein Kunde ein Soziales Produkt möchte, soll er sofort an Share denken und es kaufen?

Das ist mein großer persönlicher Wunsch. Share ist ein nachhaltiges, wachsendes Unternehmen, das wirklich nach wie vor kritischen wichtigen Impact für viele Menschen bringt. Wir hatten in den vergangenen Jahren Millionen Shares, jetzt sind wir bei 200 Millionen Shares. Das sind natürlich immer schöne Kennzahlen, aber es ist im Endeffekt hartes Geld. Elf Millionen Euro haben unsere Produkte bislang gespendet, wenn es in 5 bis 10 Jahren 100 Millionen Euro sind, bin ich sehr, sehr glücklich.

Aber Sie haben mit Share und dem Thema Sozialer Konsum mehr als das eigene Unternehmen im Blick?
 

Jährlich finanzieren wir soziale Projekte mit 5-7% unseres Umsatzes. Das Spannende ist der Hebel, den unsere Idee entwickelt hat. Wenn man Folgendes vergleicht: Ein Unternehmen wie Nestlé zum Beispiel macht ungefähr 100 Milliarden Umsatz jährlich. Wenn Nestlé nach unserer Idee diesen Prozentsatz des Umsatzes spenden würde, dann wären das über sechs Milliarden Euro. Und um das noch in einen Kontext zu setzen: Die deutsche Bundesregierung hat 2024 rund zwei Milliarden Euro als humanitäre Hilfe geleistet, 2025 wird es wahrscheinlich noch weniger werden.  Nestlé könnte das Dreifache von dem deutschen Bundeshaushalt für humanitäre Hilfe leisten, wenn sie dieselben Fördermechanismen ansetzen würden wie wir! 

Eine große Summe!

Das ist das, was mich so motiviert. Mir geht es nicht nur darum, Share erfolgreich zu machen. Mir geht es darum, die Idee erfolgreich zu machen. Wenn andere mitmachen, auf die Idee aufspringen, dann wird es erst spannend - dann können wir vielleicht wirklich etwas ändern an den Bedingungen, mit denen so viele Menschen so schlecht leben.


 

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