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Penny, die "wahren Kosten" und die Landwirtschaft

Eine Kampagne, die Bewusstsein bilden soll: Penny verkaufte eine Woche lang neun Produkte mit einem von Forschern definierten "Umweltausgleich". Er macht die Ware teurer und kommt über eine Molkerei Bauern zugute. Das Echo? Vielfältig.

Vom 31.07. bis zum 05.08.23 beteiligen sich alle 2150 Penny Märkte an der Kampagne "Wahre Kosten". Dabei werden laut Penny die wissenschaftlich berechneten Umweltfolgekosten gezeigt.
Von Martina Kausch | Fotos: PENNY Markt GmbH

Wer will für Produkte mehr bezahlen, wenn dadurch nachhaltiger gewirtschaftet werden kann?  Einige Tage nach dem Ende der Penny-Kampagne "Wahre Kosten" ist das Echo unterschiedlich - aber das Thema bekam Relevanz.

Eine Woche lang, vom 31.07. bis zum 05.08.2023 verkaufte Penny neun Produkte teurer. Aufgeschlagen wurde ein Umweltausgleich, der die wahren Kosten für Lebensmittel zeigen soll. Was ist dieser Umweltausgleich? Laut Penny haben   Lebensmittel  "von ihrer Erzeugung bis hin zum Einkauf soziale und ökologische Auswirkungen, die sich aber nicht im Verkaufspreis widerspiegeln. Möchte man sie beheben, so kostet das Geld – die sogenannten wahren Kosten." Berechnet wurden die „wahren Preise“, bei denen neben den üblichen Herstellungskosten auch die Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf Boden, Klima, Wasser und Gesundheit einbezogen werden, von Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald. Penny möchte mit der "Wahre Kosten"-Aktion mehr Bewusstsein für die Umweltbelastungen durch die Lebensmittelproduktion schaffen. „Wir sehen, dass viele unserer Kundinnen und Kunden unter den unverändert hohen Lebensmittelpreisen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln“, beschrieb Penny-Manager Stefan Görgens den Hintergrund der Aktion.

Dr. Tobias Gaugler vom Institut für Materials Resource Management an der Universität Augsburg stellt fest, dass "die aktuellen Verkaufspreise für Lebensmittel die Kosten der Umweltfolgen von Stickstoff, Klimagasen und Energieerzeugung nicht oder nur unzureichend widerspiegeln." Die Schadkosten fielen aber dennoch an, eben nur versteckt. "Unsere Berechnungen zeigen das Delta auf. Wobei wir weitere wichtige Aspekte wie Tierwohl oder die Folgen multi-resistenter Keime mangels entsprechenden Datengrundlage noch gar nicht mit einbezogen haben", so der Forscher anläßlich der Eröffnung des des ersten Nachhaltigkeits-Erlebnismarktes "Penny Grüner Weg" an der Fehrbelliner Straße 29 in Berlin Spandau im September 2020. 

Um landwirtschaftliche Betriebe zu unterstützen, wenn sie ihre Höfe energetisch optimieren wollen, gibt es seit  Oktober 2021 das "Projekt Zukunftsbauer", ein gemeinsames Förderprogramm der Molkerei Berchtesgadener Land und dem Discounter Penny. Mit bis zu 10.000 Euro pro Bauernhof werden die Landwirte der Genossenschaftsmolkerei ab sofort gezielt gefördert. Das Gemeinschaftsprojekt von Handel, Molkerei, Landwirtschaft und Konsument:innen hat zum Ziel, einen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der familiengeführten Bauernhöfe im Alpenraum zu leisten. Das Geld kommt auch aus den Verkäufen der Penny-Aktion "Wahre Kosten".

Wie war das Echo auf die Penny-Aktion?

Das Portal Utopia fasst zusammen, was u.a. die Deutsche Presse Agentur von Kunden erfragt hat. Demnach sind die Reaktionen tendenziell positiv.  Eine Frau findet es demnach sinnvoll, „den Menschen begreiflich zu machen“, dass günstige Preise mit Umweltschäden einhergehen können. Eine andere Kundin meint, manche Nahrungsmittel sollten nicht verbilligt werden – gibt aber gleichzeitig zu bedenken: „Aber Produkte, die jeder braucht, die sollten auch für jeden erschwinglich sein.“ Führt eine solch Aktion zum Umdenken bei den Verbrauchern? Ein Penny-Kunde erklärte gegenüber der dpa, dass er nicht daran glaube. „Die Leute, die sich für das Thema interessieren, werden das auch ohne die Aktion tun. Und die anderen werden nicht darauf einsteigen“, so der Mann. 

Das Meinungsforschungsinstituts Yougov stellte zum Aktionsbeginn am 31. Juli 2023 Konsumenten in einer repräsentativen Umfrage die Frage der Woche: "Planen Sie, die Aktion diese Woche durch den Kauf dieser Produkte zu unterstützen?" 16 Prozent der Deutschen planten, Produkte zu den "wahren Kosten" zu erwerben, 44 Prozent planten dies nicht. Rund 30 Prozent gaben an, dass sie in ihrer Nachbarschaft keinen Penny-Markt hätten, wo sie einkaufen könnten. Zehn Prozent machten keine Angaben. Am seltensten sagten Befragte ab 55 Jahren, dass sie die Aktion unterstützen wollen (acht Prozent).

Mehr über die Berechnung der "wahren Kosten"

Im Unterschied zu den aktuellen Lebensmittelpreisen zeichnen sich die "wahren Kosten" ("True Costs") von Lebensmitteln dadurch aus, dass in diese auch Umwelt- und soziale Folgekosten eingehen, die bei der Herstellung der Lebensmittel entstehen. Diese Folgekosten werden auch als "negative externe Effekte" bezeichnet. Sie werden von Lebensmittelproduzenten verursacht, aber aktuell - indirekt - von der Gesamtgesellschaft getragen. So zahlen die Verbraucher beispielsweise für die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen; oder sie bezahlen mit der Wasserrechnung für die Aufbereitung von Trinkwasser, welches aufgrund von Düngemitteln belastet ist. Mittels "True Cost Accounting" werden nicht nur die direkten Produktionskosten in den Preis eines Lebensmittels eingerechnet, sondern auch dessen Auswirkungen auf ökologische oder soziale Systeme in Geldeinheiten umgerechnet. Eine Bilanzierung von Lebensmittelpreisen anhand dieser wissenschaftlichen Methodik zeigt dem Konsumenten, welcher Preis tatsächlich für seine Lebensmittel derzeit schon anfällt - nicht an der Supermarktkasse, aber anderswo - und hilft zu verstehen, welche Produkte sich langfristig wie auf die Gesundheit des Planeten - und gleichzeitig den Geldbeutel - auswirken.

Übersicht der ungewichteten True Costs-Berechnung der Universität Augsburg

Lebensmittel / Produktionsart / Preisaufschlag

  • Apfel / Konventionell (Bio) / 8% (4%)
  • Banane / Konventionell (Bio) / 19% (9%)
  • Kartoffel / Konventionell (Bio) / 12% (6%)
  • Tomate / Konventionell (Bio) / 12% (5%)
  • Mozzarella / Konventionell (Bio) / 52% (30%)
  • Gouda / Konventionell (Bio) / 88% (33%)
  • Milch / Konventionell (Bio) / 122% (69%)
  • Gemischtes Fleisch / Konventionell (Bio) / 173% (126%)

 

Mehr zum Thema: Die Berechnung der wahren Kosten bei der Universität Augsburg, Infos auf dem Portal Utopia und Infos zum Projekt Zukunftsbauern.

 

 

 

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