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Plant-Based: Nicht mehr nur eine Option

Noch vor wenigen Jahren waren pflanzliche Fleischalternativen „nur“ eine dankbare und willkommene Option für Vegetarier. Nun greifen vor allem Flexitarier immer häufiger zu. Der Markt boomt.

Von Jenny Rommel | Fotos: Adobe Stock/aamulya

Egal ob aus gesundheitlichen Aspekten, religiösen Gründen oder im Hinblick auf das Tierwohl und den Klimaschutz: Die Gründe, auf Fleisch zu verzichten, sind vielfältig. In den letzten Jahren wurden Fleischersatzprodukte aus Erbsen-, Soja-, oder Weizenprotein immer beliebter. Das zeigt sich auch daran, dass der LEH den verschiedenen Herstellern immer mehr Platz in den Regalen freiräumt. Im Foodbereich ist die fleischfreie Ernährung somit ein wichtiger Innovationstreiber.

Laut einer aktuellen Studie von YouGov und dem Sinus-Institut zum Weltvegetariertag am 1. Oktober achten knapp 51 Prozent der Deutschen darauf, wenig bis kein Fleisch/Fisch zu essen, 38 Prozent ernähren sich bewusst flexitarisch. Das bedeutet, sie sind flexible Vegetarier, verzichten überwiegend auf den Fleischkonsum. Gelegentlich essen sie hochwertig produziertes Fleisch nach Bio-Standard, denn sie legen viel Wert auf den Tierschutz sowie die Qualität der Nahrung.

Laut Umfrage wollen 48 Prozent der Menschen, die nicht auf Fleisch und Fisch verzichten, dies aufgrund des „unverzichtbaren Geschmacks“ nicht. 32 Prozent nennen die Ernährungsgewohnheiten durch Tradition und Kultur, 25 Prozent haben Angst vor einer Mangelernährung. „Man spricht von sieben Generationen, die es braucht, um Essgewohnheiten zu ändern. Das ist für mich der sinnhafteste Grund, warum Insekten noch nicht auf unseren Tellern landen. Warum wir gewisse Tiere essen und manche nicht, ist durchaus kulturell. Das ist der Grund, warum wir Fleisch aus Pflanzen machen und uns da am Tier anlehnen. Da wir es gewohnt sind, mit gewissen Formen zu kochen und diese als Hauptgericht oder Beilage verwenden“, so Pascal Bieri, Co-Founder des Food-Tech-Start-ups Planted.

Produktion im Glashaus

Das Schweizer Unternehmen wurde 2019 gegründet und kombiniert proprietäre Strukturierungs- und Fermentierungstechnologien, um Fleisch aus Pflanzenproteinen herzustellen. Das Unternehmen ist einer der Anbieter, die auf der diesjährigen Anuga sehr präsent waren. Der Hauptsitz von Planted befindet sich in Kemptthal nahe Zürich und macht vor allem durch seine gläserne Produktion auf sich aufmerksam. Denn diese ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Fast täglich finden gebuchte Gruppenführungen statt, das Interesse an der Produktion im Glashaus ist groß.

Auch die RUNDSCHAU war vor Ort und hat sich angeschaut, wie dort Fleisc­­­h aus Pflanzen entsteht. „Wir wollen mit unseren Produkten die Brücke zum Flexitarier bauen und sagen: Du musst kein Tier essen. Was wir machen, ist besser: für dich, für die Umwelt und langfristig auch für dein Portemonnaie. Denn wir werden durch Effizienz, Skaleneffekte und Masse günstiger sein als tierisches Fleisch. Leider sind uns die Subventionen noch ein bisschen im Weg. Wenn wir auf diesen Ebenen besser werden als tierisches Fleisch, dann gibt es keinen Grund mehr, dieses zu essen“, sagt Pascal Bieri.

Er sieht die Wirtschaftlichkeit, Tiere großzuziehen, kritisch: „Man musst extrem viel Rohmaterial füttern, Massen an Soja und Weizen. Ein Hühnchen braucht fünf Gramm Protein, um ein Gramm tierisches Protein herzustellen. Bei einer Kuh sind es 25 Gramm pflanzliches Protein für ein Gramm tierisches. Von der Technologie her ist es also ziemlich ineffizient. Man füttert gute Nahrungsmittel in ein Tier rein, um es nachher zu schlachten. Und was hat man davon? Strukturierte Proteine, die schmecken und uns durch die hohe Proteindichte, die Fleisch hat, auch gut ernähren. Es gibt zudem übers Tierwohl und die Schäden an unserer Umwelt hinaus auch andere negative Faktoren: Antibiotika, Schwermetalle und gesättigte Fettsäuren, die man mitkonsumiert."

Fleischalternativen, die es schon auf dem Markt gab, waren wegen der Inhaltsstoffe keine Option für den 38-Jährigen. Er fragte sich, ob man nicht auch natürlichere Zutaten verwenden könnte, um Fleisch aus Pflanzen herzustellen. Das war die Gründungsidee hinter Planted. Gemeinsam mit den drei weiteren Gründungsmitgliedern forschte er in einem Labor an der ETH in Zürich an der perfekten Zusammensetzung und Entwicklung – vier Jahre später hat Planted die B Corp und IFS-Zertifizierung sowie über 200 Mitarbeiter, in der Schweiz und international.

Im Portfolio hat das Start-up etwa plant-based Chicken, Duck, Kebab, Pulled Pork. Pflanzliches Fleisch von Planted erzeugt im Vergleich zu tierischen Gegenstücken 77 bis 87 Prozent weniger CO2-äquivalente Emissionen und spart 75 bis 90 Prozent des Wassers ein. Die Konsumenten sind vor allem Flexitarier, die Wiederverkaufsrate in der Schweiz liegt bei 50 Prozent.

Doch wie funktioniert die Herstellung genau? Pascal Bieri gibt einen Einblick: „Wir fangen immer mit Protein, Fasern, Öl und Wasser an. Hierfür nehmen wir beispielsweise das Protein aus Gelberbsen oder Hafer oder den Presskuchen von Sonnenblumen und die Fasern, mischen diese mit Wasser und Öl im Extruder. Dort entsteht ein heißer Teig, der durch die Kühldüse gedrückt wird. Bedeutet: Circa 140 Grad heißer Teig wird durch eine 70-Grad-Kühldüse gedrückt. Vom Teig entstehen Reibungen, und durch diese Reibungen entstehen wiederum Fasern. Diese sind je nach Rohmaterialmix, Temperatur und Fließgeschwindigkeit dicker oder dünner, länger oder kürzer. Der nächste größere Schritt passiert im sogenannten Glashaus: Hier reißen wir ein riesiges texturiertes Stück Fleisch auseinander und sortieren es nach Größe – je nachdem, was produziert wird. Dann wird es in einem großen Tumbler mit Vitamin B12 fermentiert, bei Bedarf mariniert und dann verpackt. Wir fermentieren, um Geschmack reinzubringen, und arbeiten nicht mit irgendwelchen Aromen. Wir haben für diesen Produktionsprozess verschiedene Patente angemeldet.“

Dankbare Kooperationen

Seit Gründung kooperiert das Unternehmen mit Restaurants, die Planted, oft auch gebrandet, auf der Karte haben. Diese Kooperationen sind „wichtige Touchpoints, die den Retail extrem gut ergänzen“. Denn: Wenn ein Konsument im Restaurant das erste Mal eine positive Erfahrung mit einem Produkt oder einer Marke gemacht hat, ist der Weg zum Supermarktregal leichter. Aktuell ist Planted nach eigenen Angaben die Nummer-eins-Marke im Schweizer Einzelhandel in der Kategorie Fleischersatz/ pflanzliches Fleisch, in Österreich die Nummer zwei. In Deutschland kratzt das Unternehmen an den Top Ten.


"Wenn die Leute auf die Zutatenliste gucken und vergleichen – dann haben wir gewonnen."

Pascal Bieri, Co-Founder, Planted Foods


Beim Wachstum geholfen hat auch die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn. Seit Juni gibt es bereits das dritte Produkt im Bordrestaurant. Der USP für das Schweizer Start-up? Die rein natürlichen, pflanzlichen Zutaten: „So, wie wir unser planted Chicken machen, macht es bisher niemand sonst auf der Welt. Wenn die Leute auf die Zutatenliste gucken und vergleichen – dann haben wir gewonnen. Es gibt nichts Natürlicheres im Markt.“ Nach der Produktion ist das Fleisch aus Pflanzenprotein, das mariniert oder unmariniert angeboten wird, circa 60 Tage haltbar, eingefroren ein Jahr. „Den Retail-Kanal beliefern wir frisch. Das wird nie gefroren. Daher müssen wir alle zwei Wochen jedes Produkt produziert haben“, so der Co-Founder.

Die Riege der Mitbewerber ist groß

Wie sieht es bei den anderen Playern im Markt aus, die sich auf Fleisch aus Pflanzen spezialisiert haben? Ein weiteres Erfolgsbeispiel ist Endori. Der Fleischersatzhersteller hat vegane Nuggets, Hack, Burger oder Hähnchen im Portfolio. Hier sind die Kunden in erster Linie Flexitarier, es werden aber auch Vegetarier und Veganer angesprochen. „Die Erbse ist unser vorrangig verwendeter Rohstoff, den wir in signifikantem Umfang in Deutschland selbst anbauen. Die Produktion von pflanzlichem Fleisch erfordert weniger Land, Wasser und andere Ressourcen im Vergleich zur Tierhaltung für konventionelles Fleisch. Die Erbse ist nicht nur der wichtigste Eiweißlieferant für die pflanzlichen Produkte, sie bietet zudem zahlreiche Vorteile für die Umwelt. So benötigt sie keinen Stickstoffdünger, da sie den Stickstoff mithilfe natürlicher ‚Knöllchenbakterien‘ selbst aus der Luft gewinnt. Dadurch sorgt sie für besseres Grundwasser, gesündere Böden, ist somit eine echte Umweltschützerin. Zum Vergleich: Ein Burgerpatty aus Rind verursacht gemäß dem Institut für Energie- und Umweltforschung neun Kilogramm CO₂-Äquivalente pro Kilogramm, ein Bratling auf Erbsenbasis 1,8 Kilogramm CO₂-Äquivalente“, sagt Managing Director Matthias Stienken.

Er macht deutlich, was eine Endori-Studie ergab: „Jeder dritte Konsument tätigt im Einzelhandel Einkäufe in der Kategorie Fleisch-/Fischalternativen, 39 Prozent mehr als vor drei Jahren. Die Wiederkaufsrate liegt bei 71 Prozent – Tendenz anhaltend.“

Herangehensweisen

The Plantly Butchers setzt dagegen bei seinen Fleischalternativen auf Weizen: „Als Basiszutat für unsere Produkte verwenden wir Weizenprotein, das hauptsächlich aus Deutschland kommt. Somit unterstützen wir die regionale Landwirtschaft und achten auf kurze Transportwege. Der Proteingehalt unserer Produkte liegt zwischen 31 und 36 Prozent. In den Billie-Green-Produkten stecken rund fünf bis sechs Jahre Entwicklungsarbeit“, sagt Georg Achterkamp, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung.

Mitbewerber Vivera produziert wiederum mit Soja: „Die meisten unserer Produkte basieren auf Sojaprotein. Soja hat einen hohen Proteingehalt und das Eiweiß aus Soja hat ein gutes Aminosäureprofil. Das heißt, die Proteine können vom menschlichen Körper sehr gut verdaut werden. Das von uns verwendete Soja beziehen wir aus Europa, den USA und China aus Gebieten, in denen keine Abholzung stattgefunden hat“, so Karin Lowik, Marketing Director. Sie ergänzt: „Wir sind überzeugt, dass Fleischalternativen relevant bleiben werden. Und dass sie mit besseren und günstigeren Produkten größere Verbrauchergruppen für diese Kategorie gewinnen können.“

The Green Mountain dagegen, eine Schweizer Manufaktur, nutzt Weizen, Soja und Erbsen für seine plant-based Produkte. „Es geht immer um Lebensmittel. Beste Zutaten so regional wie möglich zu beschaffen und Produkte so nachhaltig wie möglich herzustellen ist uns sehr wichtig“, so Geschäftsführer Werner Ott.

Der Markt für Fleischalternativen ist längst keine Nische mehr. Hersteller sind sich einig, dass hier in den nächsten Jahren noch viel passieren wird. „Basierend auf dem aktuellen Einkaufsverhalten wird erwartet, dass der Markt für Fleisch-/Wurst-/Fischalternativen spätestens 2025 ein Umsatzvolumen von bis zu einer Milliarde Euro erreicht“, prognostiziert Matthias Stienken von Endori.


INTERVIEW

Pascal Bieri, Co-Founder Planted Foods

Wofür steht Planted? 
Als wir Planted gegründet haben, haben wir uns gefragt: Welche Produkte wollen wir machen? Im Zentrum stand immer: Aus natürlichen Zutaten mit biologisch natürlichen Prozessen pflanzliche Proteine so zu strukturieren, dass sie wie oder besser sind als Fleisch. Die Brand steht für Biss und Texturierung, gute natürliche Proteine, Nachhaltigkeit, Tierwohl und für Schmackhaftigkeit.
 
Wie wird Fleisch künftig gegessen?
Bewusster. In zehn Jahren werden wir von der pflanzlichen Alternativseite her Produkte haben, die von Biss, Geschmack, Nachhaltigkeit und Preis besser sein werden als das tierische Fleisch. Und gesundheitlich gesehen sowieso. Da gibt es nicht mehr viele Gründe, beim tierischen Fleisch zu bleiben.


 

INFO

Der Markt wächst und wächst

Eine Langzeitstudie, die im Auftrag von Endori von unabhängigen Marktforschungsunternehmen seit Ende 2021 zur Zukunft von plant-based Food im deutschen LEH durchgeführt wurde, ergab: Deutschland steckt mitten in der Ernährungswende. Jeder dritte Shopper kauft regelmäßig Fleischersatzprodukte. 

Das zeigt auch eine Analyse des Good Food Institutes (GFI), das auf Basis aktueller Einzelhandelsdaten des Marktforschungsunternehmens NielsenIQ eine Analyse zur Marktentwicklung im pflanzlichen Sektor durchgeführt hat. Das Ergebnis: Im europäischen Vergleich ist der Einzelhandelsmarkt in Deutschland für pflanzenbasierte Lebensmittel mit Abstand am größten. Zwischen 2020 und 2022 stieg der Umsatz um 42 Prozent auf circa 1,9 Milliarden Euro. Die Umsätze bei den tierischen Pendants gingen flächendeckend zurück.

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