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Round-Table plus: Profi-Talk zu Seafood-Zielen

Fisch und Seafood sind großartige Lebensmittel. Wie kann man sie besser verkaufen? Profis der Branche beim neuen RUNDSCHAU-Format Round Table plus bei Rewe Haase in Holstein haben Antworten parat.

Von Martina Kausch | Fotos: Jörg Brockstedt

Zum Start bereits selbst gerollte Räucherlachswraps und frische Knuspergarnelen – wenn man sich zu einem Round Table plus zum Thema „Seafood nachhaltig produzieren und verkaufen“ in einem Lebensmittelmarkt mit ausgewiesener Fischkompetenz trifft, gehört Feines aus Theke und Bistro dazu. Die Teilnehmer des Round Table waren vor Ort deutlich beeindruckt vom Angebot, mit dem Rewe-Kaufmann Benjamin Haase in Neustadt/ Holstein bereits im ersten Betriebsjahr mit seiner Marktfischerei im Eingangsbereich des Markts Maßstäbe setzt.

Das neue Format „Round Table plus“ der RUNDSCHAU vereint die Diskussionskompetenz von Brachenprofis aus Industrie und Handel mit dem praxiserprobten Fachwissen auf der Fläche. Bei Rewe Haase hat das Fachwissen Fisch ein Gesicht: Marion Seifert ist eine von 14 Fischsommelièren mit IHK-Abschluss, die es deutschlandweit gibt, weltweit sind es rund 150. Sie ist verantwortlich für die Abteilung und hat beim Einkauf freie Hand. Sie berichtet vor Ort, wie man eine Fisch- und Seafood-Theke erfolgreich führt. 

Geheimnisse der Fischtheke:
So funktioniert der Erfolg

Bei Rewe Haase wird man dank Lage und Ausstattung der Theke in die Seafood-Welt quasi hineingezogen. Unmöglich, bei der Optik und dem Angebot als Kunde nicht neugierig zu werden. Etwa 40 verschiedene Sorten sind im Angebot, dazu etwa 35 Räucherprodukte und rund 70 Fischsalate. Marion Seifert berichtet den Round Table-Gästen über die wichtigsten Regeln: Nach Saison, Nachfrage und Verzehranlässen passt sie das Angebot an. Immer lockt top Ware, die sie täglich frisch nach vielen eigenen Rezepten vorbereitet: Fertig zum Grillen liegen beispielsweise die Doraden mit Basilikum und Zitronenspalten gut sichtbar auf der Grillseite. Junge Kunden sind experimentierfreudig, aber für Beratung extrem dankbar. Die Unsicherheit und Ratlosigkeit, die viele Kunden beim Anblick von Seafood befällt, kann Seifert durch Fachwissen und Freundlichkeit in Käufe verwandeln. 

Zudem werden bei Rewe Haases Marktfischerei neue Angebote nach Trends aus der Bistroküche groß geschrieben. Das Wrap-Rollen habe sich das Team selbst beigebracht, im Netz gebe es auch ein paar Tutorials, schmunzelt die Sommelière – mit der nötigen Übung sehen die feinen Rollen nun perfekt aus und der steigende Umsatz gibt dem Team recht. 

Tipps zum Räuchern vor Ort

Kritische Fragen sind bei einem Round Table durchaus erwünscht, Edeka-Kaufmann Herbert Meyer holte sich bei Marion Seifert Tipps, denn der Betrieb eines Räucherofens im Markt stellt durchaus Anforderungen. Bei Rewe Haase werden zweimal wöchentlich Makrelen, Forellen, Heilbutt und Dorsch geräuchert, zum Winter und vor allem zu den Festtagen wolle man zusätzliche Produkte entwickeln. Geräuchert wird mit Buchenspänen; Buchenscheite neben dem Ofen im Markt sind eine schöne Deko.

Input aus der Forschung: 
So entscheidet der Shopper

Wer ist der Shopper? Die Forschung unterscheidet zwischen Shopper und Konsumer, Käufer und Konsument. Es handelt sich nicht immer um die gleiche Person – beispielsweise wenn jemand für die Familie kauft – aber der Shopper trifft am Regal die Kaufentscheidung, ist also derjenige, den der Handel erreichen muss. „Damit wir für zufriedene Shopper sorgen, müssen wir sie gut kennen“, sagt Inga Natrop (GS1 Germany). Sie sorgte beim Round Table plus für wissenschaftlichen Input.

These 1: 
Seafood-Kunden suchen Inspiration

Ist Fisch – ob frisch oder gefrostet – für viele Konsumenten das unbekannte Wesen im Supermarkt? Ja, so die übereinstimmende Meinung der Round Table plus-Teilnehmer. Wenn auf der Packung „Alaska Seelachs“ steht, wissen die allerwenigsten Verbraucher, wie ein Seelachs aussieht und wo Alaska liegt. Und bei eben so niedrigem Wissensstand seien Tipps zur Zubereitung umso wichtiger. „Genau das ist Iglos Ansatz“, sagt Markus Mischko: „Fischesssen muss Spaß machen und einfach sein. Wir haben für unsere Produkte insgesamt 365 Rezepte auf der Homepage und wir sehen täglich, wie viele Menschen sich morgens dort Inspirationen suchen.“ Das Community Management über die sozialen Netzwerke sei enorm wichtig, um Ansprechpartner für Konsumenten zu sein und Antworten auf die Frage zu geben, wie man dieses gesunde und komplizierte Lebensmittel am besten zubereite. Kristin G. Pettersen pflichtet bei: Der Deutsche kenne durchschnittlich fünf Rezepte auswendig, man müsse also Ideen liefern.

 


"Sprechen wir darüber, dass 40 Portionen Hering und eine Portion Rindfleisch die gleiche CO2-Bilanz haben."

Kristin G. Pettersen, Norwegian Seafood Council


These 2: 
Verpackung wird fossilfrei 

Das Thema Verpackung spielt bei sensibler Ware wie Fisch und Seafood eine besondere Rolle. An der Theke bei Rewe Haase bietet man Mehrwegbehälter an. Die Hanse Garnelen werden in Schalen aus Zuckerrohr, Folie und Füllmaterial aus Maisstärke und mit nachhaltigen Kühlpads auf den Weg zum Kunden geschickt, berichtet Michael Kudal. „Das kommt bei Verbrauchern unheimlich gut an, sie akzeptieren, dass der Preis so gestaltet ist, dass sie ein hochwertiges, regionales und nachhaltiges Qualitätsprodukt erhalten.“ 

Nachdem man bei Iglo seit 2020 Pappschalen für Schlemmerfilet eingeführt hat, sind bei Iglo aktuell 95 Prozent aller Verpackungen aus zertifiziertem Papier, berichtet Markus Mischko. Mittlerweile seien Unternehmen auf dem Weg, auch Papiere mit Feuchtigkeitsbarriere kunststoff- und silikonfrei anzubieten. Ein nächster Schritt in Richtung fossilfreie Verpackung.

Wie kann man das Thema Verpackung in Richtung Ressourcenschonung entwickeln, wenn man für eingelegte Heringe und Co. öl- und fettbeständige Behältnisse braucht? Für Homann berichtet Sebastian Lewandowski nicht nur von Plastikreduktion von 18 bis 28 Prozent beim Kernsortiment wie Sahne Heringsfilets und Fischglück-Produkten seit Sommer bzw. Frühherbst 2022, sondern auch von der sehr positiven Umsatz- und Absatzentwicklung infolgedessen. „Wir haben diese Verpackungsumstellung sehr kommuniziert. Die Kunden registrieren, dass wir die Verpackung geändert haben, den Preis aber nicht.“ Tatsächlich gehörten die auf plastikreduzierte Verpackung umgestellten Produkte zu den mit am besten wachsenden Kategorien. 

These 3: 
Siegel funktionieren

Je sensibler und spezieller die Ware ist, umso wichtiger sind als Vertrauensbasis für die Konsumenten akzeptierte Siegel. Tatsächlich seien ernährungsbewusste Konsumenten Produkten ohne Siegel gegenüber kritisch: TK-Importware, bei der lediglich das Etikett aus dem Exportland (aus dem asiatischen Raum) durch ein deutschsprachiges überklebt wurde, habe es im LEH doppelt schwer, teilten die Teilnehmer des Round Table plus ihre Beobachtungen übereinstimmend. Das Marine Stewardship Council-Siegel (MSC) und auch das des Aquaculture Stewardship Council (ASC) sei bei Shoppern akzeptiert und ein Verkaufsargument. 

These 4:
Ressourcen schonen wird Thema

Da der Begriff Nachhaltigkeit in Gefahr sei, zum Buzzword zu verkommen, eigneten sich Themen wie Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft zunehmend, um auf das Bemühen um umweltbewusste Produktions- und Vertriebsverfahren zu lenken, gaben Diskussionsteilnehmer zu bedenken.

Gerade wenn beispielsweise im Verpackungsbereich angesichts herrschender Vorschriften die Möglichkeiten zur Kunststoffreduzierung begrenzt sind, setzte man auf andere Schwerpunkte: Von Photovoltaikanlagen in den Fabriken, von Wasserreduktions- und Wiederverwendungsprogrammen berichtet Sebastian Lewandowski; von der Abwärmeenergiegewinnung Michael Kudal: Durch Abwärme von konstant warmem Brauchwasser eines Unternehmens aus der Nachbarschaft werden über eine PV-betriebene Wärmepumpe die Hanse Garnelenbecken vollständig klimaneutral beheizt.

Ein anderer Gedanke: Nachhaltigkeit werde sich zunehmend zu einem Hygienefaktor, zu einer Basisfunktion bei Produkten entwickeln, also zu einer Eigenschaft, die der Shopper zunehmend einfach erwartet – vor allem, bei höherem Preislevel.

These 5:
Die Deutschen sind unbelehrbar

Eine steile These: Die Deutschen mögen Begriffe wie Massentierhaltung einfach und ließen sich von Tatsachen nicht einfach überzeugen. Kristin G. Pettersen (Norwegian Seafood Council) berichtet: „Wir schreiben seit zehn Jahren permanent, dass in norwegischem Lachs nie Spuren von Antibiotika gefunden wurden. Wir nehmen jedes Jahr 2.000 Lachse aus dem Meer und lassen sie von unabhängigen Instituten untersuchen. Nie wurde etwas gefunden. Trotzdem: Als wir vor einem Monat Konsumenten die Frage gestellt haben, ob sie glauben, dass es in norwegischem Lachs Antibiotikum gibt, hat jeder zweite Befragte Ja gesagt.“ 
 

Zukunftsstrategien

Wie sehen die Zukunftsstrategien der Round Table plus-Teilnehmer aus? Für Sebstian Lewandoski (Homann) stehen einerseits die Bemühungen um ressourcenschonende Produktion im Fokus, vor allem aber die Frage, wie man die Frequenz des Fischverbrauchs steigern kann: Es seien tolle Produkte, die zu selten gekauft werden – vor allem im Vergleich zu mediterranen Ländern. Er arbeite gern mit, wenn man in der Branche gemeinsame Strategien zur Absatzsteigerung entwickele.

Markus Mischko (Iglo) spricht mehrere Ziele an. Dem Verbraucher einfache innovative Inspiration zu gutem Essen geben, sei der Grundgedanke. Iglos Muttergesellschaft, die Nomad Food Group, sei im Sustainability Dow Jones gelistet, deswegen werde das Thema Aquakultur, auch landbasiert, wichtiger. Und: „Wir wollen den Fischkonsum steigern, in den USA ist Alaska-Pollack beispielsweise Teil der Schulspeisung und der Mensaverpflegung.“ 

Herbert Meyer vertrat den Handel beim Round Table. Als (Edeka-) Händler verlasse man sich auf die Industrie und setze im eigenen Haus auf gut informiertes Personal, das Kunden bei Themen wie Verpackung, Nachhaltigkeit, Regionalität, Bio und Tierwohl hilft. Michael Kudal betont, das Unternehmen Hanse Garnelen habe sich quasi per DNA der Idee der ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft verschrieben. 

Kristin G. Petterson ist wichtig, in der Kommunikation das zu betonen, was der Kunde versteht – beispielweise, dass 40 Mahlzeiten Hering oder eine Mahlzeit Rindfleisch die gleiche CO2-Bilanz haben. „Mit gutem Gewissen genießen, was der Erde gut tut“ ‒ derartige Aussagen seien überzeugend. 


"Durch Fischalternativen erreicht man keine Verbesserung der Fischbestände im Meer."

Christopher Zimmermann, Thünen Institut für Ostseefischerei


Thema Fischalternativen

Auf die Frage „Müssen wir auf Fisch verzichten, um die Meere zu schützen?“ antworteten 39 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren mit Ja. Diese Befragung hat die von ASC und MSC gemeinsam ins Leben gerufene Initiative „Check deinen Fisch“ 2021 durchgeführt. Derartige Meinungen unterstützen den Boom bei der Enwicklung von pflanzlichen Fischalternativen.

Doch Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen Instituts für Ostseefischerei, sagt klar: Fischalternativen verbessern den Zustand von Fischbeständen in den Weltmeeren schlicht nicht. Vegane Ersatzprodukte seien ganz sicher nicht notwendig, um Fischbestände zu schonen – das erreiche man durch gute Bewirtschaftung. „Meere können durch die Nutzung der lebenden Ressourcen sogar besser geschützt werden als durch einen Nutzungsverzicht, denn bei einem Verzicht müssten die dann nicht genutzten 100 Millionen Tonnen Ertrag jährlich an Land produziert werden. Allein die Nährstoffe aus dieser Tierproduktion würden die Meere erheblich mehr belasten als eine nachhaltige Fischerei dies tut.“


Round Table Fisch

  • Tim Ackerl, Marktleiter, Rewe Haase
  • Florian Felka, Vertriebsleiter, Hanse Garnelen
  • Roger Köhlmann, Gebietsmanager Fisch & Feinkost, Rewe Nord
  • Michael Kudal, Marketing, Hanse Garnelen
  • Sebastian Lewandowski, Marketing Manager, Homann Fisch
  • Herbert Meyer, Edeka Meyer
  • Markus Mischko, Geschäftsführer Vertrieb, Iglo
  • Inga Natrop, Senior Managerin, GS1 Germany
  • Kristin G. Pettersen,  Country Director Deutschland, Norwegian Seafood Council
  • Marion Seifert, Fischsommelière, Rewe Haase

 

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