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RUNDSCHAU Round Table Mopro: Comeback der Theke

Regionalität, Tierwohl, Plastik – die Herausforderungen für die Käsebranche sind zahlreich, die Chancen aber auch. Das zeigte der RUNDSCHAU-Round Table in Frankfurt mit namhaften Branchenvertretern.

Die Teilnehmer am Round Table Mopro (v.l.n.r.): Katharina Enzmann (Emmi), Matthias Rensch (DMK), Gerhard Jerg (Jermi), Mareike Kosch (Ornua), Klaus Frericks (Gläserne Molkerei), Taissia Galperina (IRI), Andreas von Grabowiecki (Arla Foods), Sven Tönjes (Petri Feinkost), Marcelo Crescenti (RUNDSCHAU) und Stefan Wittstruck (Molkerei Rücker).
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Von Marcelo Crescenti | Fotos: Heiko Rhode

MARKTTRENDS

Bio, Genuss, Qualität, aber auch To-go und Convenience – die Trends im Käsemarkt.

Galperina: Die Konsumenten interessieren sich zunehmend für die Herkunft der Produkte und beispielsweise auch für die Zusatzstoffe. Zudem sind Auslobungen wie „von Natur aus laktosefrei“, „glutenfrei“ und „proteinreich“ im Trend. Bei der gelben Linie sehen wir den Proteintrend nicht.

Frericks: Bio wächst stetig und wir gehen davon aus, dass es so weitergeht. Tierwohl, Bio, Regionalität, diese Themen musst du heute beherrschen. Regionalität etwa ist ein Thema, zu dem wir bei Basisartikeln getrieben werden, weil weite Transportwege teuer sind.

Jerg: Es gibt aber auch den Trend hin zum Genuss, bei dem etwa Produkte mit einem hohen Fettanteil ihre Liebhaber finden. Man möchte sich was gönnen. Das sieht man auch in Restaurants, wo man zum guten Rotwein einen genussvollen Käse isst. Im diesem Kontext ist Ziegenkäse nach wie vor sehr stark.

Enzmann: Das möchte ich bestätigen. Wir sind im Übergang der Generation Y zur Generation Z. Diese jungen Menschen definieren sich noch stärker darüber, wie sie kaufen und was sie essen. Sie interessieren sich für die Produkte und ihre Herkunft, suchen etwas Besonderes, das Storytelling rückt weiter in den Fokus. Wir sehen das bei unserer Marke Kaltbach. Wer an der Theke ein Stück höhlengereiften Kaltbach-Käse kauft und das Päckchen mit dieser Spezialität zu Hause auspackt und genießt, sieht das wie einen kleinen Goldschatz. Das ist ein echter Foodtrend: bewusst hochwertig zu genießen.

Rensch: Das unterstreiche ich sogar. Allerdings sage ich auch: Achtung – die Kunden wollen weniger Plastikmüll auf der einen Seite, was ja ein Argument für Theke ist, auf der anderen Seite werden aber 80 Prozent des Käses über SB verkauft. Das sind gegenläufige Bewegungen. Auf der einen Seite der Convenience- Trend, auf der anderen der Trend zum Genuss.

Galperina: Man sollte auch den Trend zur Internationalisierung erwähnen, vor allem in Segmenten, in denen es schon internationale Marken gibt, zum Beispiel bei französischem Weichkäse oder griechischem Feta. Hier sehen wir Produkte von oft sogar kleineren Herstellern, die sich international positionieren und gleichzeitig eigene lokale Geschichten erzählen.

Kosch: Ich glaube, Qualität und Vielfalt sind wichtige Themen, gerade dadurch, dass sich die Leute immer mehr informieren und bereit sind, Dinge auszuprobieren. Sie reisen viel und möchten das, was sie auf Reisen gegessen haben, auch zu Hause kaufen.

Von Grabowiecki: Regionalität, Nachhaltigkeit und Transparenz werden in Zukunft weiter wichtig sein. Der Konsument wird das stärker einfordern. Daher intensivieren wir bei Arla unsere Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit und haben jüngst unsere neue Klimastrategie vorgestellt. So wollen wir unsere gesamten CO2-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent pro Kilogramm Milch reduzieren und bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen hinarbeiten.

VERTRIEB

Die Discounter rüsten auf, die Vollsortimenter müssen reagieren.

Crescenti: Wenn man sich den Markt anschaut, ist in der Kategorie vor allem der Discount gewachsen. Wo bleibt da der Genuss? Rensch: Menge und Genuss schließen sich nicht gegenseitig aus. Kosch: Der Discount ist allein schon dadurch gewachsen, dass sich Aldi und Lidl vermehrt für Markenprodukte geöffnet haben. Tönjes: Auch die Sortimente außerhalb der Marke sind natürlich bei den Discountern ausgebaut worden. Sie haben viel mehr Produkte und in den modernisierten Märkten auch viel mehr Platz in der Kühlung.

Von Grabowiecki: Die Markstrukturen werden sich verändern, nicht nur durch Onlinehändler, sondern auch die Discounter werden sicherlich weiter Druck ausüben auf die Vollsortimenter. Und da wird es am Ende darum gehen, wie ich mein Marktkonzept auf die Konsumenten zuschneiden kann. Hier kann sich der klassische Handel klar differenzieren. Wenn ich mir was gönnen möchte, gehe ich zur Theke, und dann soll es etwas Besonderes sein. Da kommt es nicht immer auf jeden Euro an. Jerg: Jahrelang gab es die Rivalität zwischen Rewe und Edeka. Heute müssen beide versuchen, sich gegenüber dem Discount wieder mehr zu differenzieren – und das geht nur über die Bedienung oder über den Service.

BEDIENTHEKE Der Absatz an der Theke sinkt, doch der Handel braucht das Profilierungsinstrument.

Wittstruck: Je länger die Öffnungszeiten werden, desto anspruchsvoller wird es für den Handel, seine Theken qualifiziert zu besetzen und zu garantieren, dass man auch nach 16 Uhr eine Beratung bekommt. Weil spätestens dann die zweite Schicht weg ist. Das ist die Herausforderung für den Handel, in Fachpersonal zu investieren. Und wir als Hersteller sind gefragt, die Produkte mit mehr Kommunikation aufzuladen. Rensch: Ich denke, dass der Gang zur Theke viele abschreckt, weil sie möglicherweise wenig Ahnung von Käse haben und damit Respekt vor einer vermeintlichen Blamage.

Tönjes: Der wichtigste Punkt ist doch, die Kunden wieder mehr zur Theke zu lenken. Und das kriegt man erst über die Augen. Der Kunde will Frische, er will tolle Sachen sehen, die er im Regal nicht bekommt. Und da muss die Differenzierung sein.

Enzmann: Ich glaube an eine gewisse Renaissance der Theken. Im Moment sind die Thekenabsätze leider rückläufig, dennoch können Theken, gut geführt, profitabel und ein wichtiger Anziehungspunkt und ein Profilierungstool für die Märkte sein. Unsere Theken werden vom benachbarten Ausland als etwas ganz Besonderes gesehen. In der Schweiz und in den Niederlanden gibt es fast keine Theken, nur große Prepackbereiche. Ich glaube fest daran, dass es in Deutschland ein Comeback der Theken geben wird, so intensiv, wie sich jetzt im Moment der Handel mit diesem Thema beschäftigt, um Differenzierungspunkte zum Discount zu finden.

SORTIMENT

Gefragt: Category Management, Regalpflege und vertieftes Wissen über die Kunden.

Rensch: Wir sehen Category Management mittlerweile ganzheitlich für die gesamte Pluskühlung und suchen uns auch Partner, mit denen wir gemeinsam Optimierungen anbieten. Das beinhaltet dann auch die rote Linie und Feinkost, zum Beispiel.

Enzmann: Ich denke, wir müssen mehr in Richtung Zielgruppenmanagement gehen. Ich finde es schwierig zu sagen: Lieber Einzelhändler, dein Regal hat immer nach einem spezifischen, gleichen Raster aufgebaut zu sein. Muss nicht der Handel vielmehr dahin gehen zu analysieren: Wer kauft eigentlich bei mir ein? Wen möchte ich wirklich ansprechen?

Rensch: Das ist eben CM der alten Schule, davon sollten wir uns verabschieden. Was ich meinte bedeutet auch, dass wir im Idealfall marktindividuell vorgehen und für jeden einzelnen Laden eine Empfehlung machen. Wittstruck: Ein aufgeräumtes Regal hilft sicherlich bei der Orientierung. Früher stand Käse kreuz und quer, heute finden sie die Produkte sauber nach Kategorien aufgeteilt - Weichkäse, dann Frischkäse, Schmelzkäse und Scheibenkäse. Wenn man dann noch nach würzig und nicht so würzig oder nach nordischem und süddeutschem Käse zusammenstellt, dann hilft das dem Verbraucher.

VERPACKUNG Plastikdiskussion und kein Ende: Auch die Verpackungsindustrie muss liefern.

Rensch: Man muss unterscheiden, welches Plastik verwendet wird: Ist es Mehrkomponentenplastik, das überhaupt nicht recycelbar ist, oder ist es eben „sauberes“ Plastik, das man recyceln kann. Wir als Hersteller sind aufgefordert, uns über das Thema intensiv Gedanken zu machen. Doch Stand heute können wir leider noch nicht auf Plastik verzichten.

Tönjes: Da ist die Verpackungsindustrie gefordert, uns Werkstoffe an die Hand zu geben, die recyclingfähig, hochtransparent, peel- und siegelfähig sind.

Kosch: An der Theke ist es viel einfacher, nachhaltig zu agieren. Ich denke zum Beispiel an die Pilotprojekte der Händler mit wiederverwendbaren Dosen. Ich glaube, das kommt. Wir sind erst am Anfang und es gilt, einiges auszuprobieren und zu verbessern. Es braucht noch ein bisschen Zeit, damit sich das Ganze entwickeln kann.

Jerg: Das ist auch ein Generationsthema. Meine Tochter kam kürzlich nach Hause, hat in den Kühlschrank geschaut und gesagt, Papa du kannst doch nicht so viel Plastik verwenden. Das gibt einem schon zu denken.

 

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