Auszubildende sollen den Übergang vom Leben in der geregelten Welt von Schule und Elternhaus in den Berufsalltag stemmen. Ein sehr strukturierter Empfang, Paten im Unternehmen, gut organisierte Ausbildungsabläufe helfen und eine eigene Service-App, Abbruchraten gering zu halten, sagt Monika Prechtl. Wie Onboarding bei Edeka Prechtl funktioniert, berichtet sie im RUNDSCHAU-Interview.
Onboarding bei Azubis – wie geht es, wann startet es?
Onboarding beginnt in dem Moment, in dem sich der Azubi bei uns bewirbt. Dann macht er als erstes ein Probearbeiten bei uns, oft hat er schon als Schüler ein Praktikum bei uns gemacht. Dann kommt es optimalerweise zur Vertragsunterzeichnung. Das ist für alle ein großer Schritt und deshalb schaue ich bei den Azubis immer, dass die Eltern mit dabei sind - jedenfalls bei denen, die noch zu Hause wohnen.
Auch bei denen über 18?
Ja, auch bei Azubis über 18. Das ist eine Wertschätzung auch gegenüber den Eltern. Die Eltern haben immer noch einen großen Einfluss, wenn die Azubis noch zu Hause wohnen. Das ist immer ein sehr schönes Gespräch und wir brauchen für den Vertrag immer eine Stunde.
Das ist sehr lang!
Das ist sehr lang, ja, das weiß ich. Aber es ist eine Wertschätzung und wenn ich dann sage: “ Jetzt feiert ihr! Schließlich habt jetzt einen Ausbildungsvertrag! Dann sind immer ganz alle ganz gerührt.
Das klingt nach einer sehr persönlichen Beziehung!
Ja, aber so sind wir halt. Mir ist wichtig, dass man das Elternhaus besser einschätzen kann. Ich sage auch zu den Eltern: Wenn während der Ausbildung Probleme entstehen, bitte reden Sie zuerst mit ihrem Sohn, der Tochter. Und wenn es in Ordnung ist, kommen auch Sie auf uns zu. Für uns ist alles in Ordnung! Oft kann man eventuelle Probleme auf kurzem Weg ausräumen.
Wie geht es nach der Vertragsunterzeichnung weiter?
Der Ausbildungsbeginn ist bei uns immer dann der erste Montag im September und das Onboarding im Unternehmen beginnt mit einer ganzen Einführungswoche in unserer Akademie. Alle Azubis - egal welche Ausbildung sie machen, ob sie jetzt Metzger, Fachwirt, Verkäufer, Einzelhändler werden – wir starten mit fünf ganzen Tagen in unserer Akademie.
Mancher würde sagen, da geht Arbeitszeit verloren…
Ja, ich kenne dieses Denken… aber es stimmt nicht. Was man anfangs in die Beziehung investiert, bekommt man definitiv zurück. Wenn man Personal langfristig binden möchte, funktioniert es heute nur so, mit Engagement für die Azubis, das am ersten Praktikumstag anfängt.
Was sind die Themen in der ersten Woche?
Der erste Tag beginnt mit der Firmengeschichte, es geht um Werte, Leitlinien der Firma. Dann haben wir eine Kommunikationsschulung und eine Obst- und Gemüseschulung, denn die meisten räumen dort morgens gleich mit ein. Außerdem gibt es einen Gesundheitstag, damit die Azubis lernen, wie man wirklich mit seinen körperlichen Kapazitäten in unserem doch körperlich belastbaren Beruf umgehen kann, wie man beispielsweise richtig hebt. Wir haben dafür einen Tag eine Sport- Wissenschaftlerin im Haus. Am Ende der Woche machen wir mit allen Azubis aus dem Unternehmen einen Ausflug. So lernen die “Neuen” auch gleich alle anderen Azubis kennen. Wir fahren z.B. ins Edeka-Lager und zu unseren regionalen Lieferanten.
In der zweiten Woche starten die Azubis im Markt?
Ja, und wenn sie in den Markt kommen, dann begrüßt sie als erstes der Marktleiter und der Pate. Jeder Azubi bekommt bei uns einen Paten. Der führt ihn durch den Laden. Und erst dann fängt der Azubi an auf der Fläche mitzuarbeiten. Es wird sehr strukturiert gehandelt. Die Azubis wissen auch von Anfang an, wo sie eingesetzt werden. Die wissen also: Wo bin ich am ersten Tag?
In welcher Abteilung und wie lange bin ich dort? Das zieht sich bei uns durch die ganze Ausbildungszeit.
Ist das denn so wichtig?
Ja. Wir haben festgestellt, die Azubis heutzutage brauchen ganz viel Sicherheit. Wenn man unstrukturiert etwas verlangt oder sagt: Fangt mal so oder so an – das klappt nicht. Sie brauchen Sicherheit und Struktur. Ich bekomme immer wieder als Feedback, dass sie es wahnsinnig schätzen, zu wissen: Der oder die ist für mich zuständig.
Ach ja, wichtig ist auch: Wir haben eine eigene Prechtl App. Egal, ob Azubi oder andere Mitarbeitender - sobald der Vertrag unterschrieben ist, bekommt man einen Zugang. In der App gibt es wirklich alle Informationen noch mal digitalisiert: Wie läuft die Lohnabrechnung, wie schaut sie aus? Welche Incentives gibt es? Wie melde ich mich krank? Außerdem machen wir auch Gewinnspiele für alle Mitarbeitenden, das kommt natürlich besonders gut an! Die Azubis haben eine separate Chat-Möglichkeit und können sich vorab, bevor sie den ersten Tag arbeiten, ein Bild über die Firma machen und wissen dann auch, wie man miteinander in der App kommuniziert. Seit drei Jahren haben wir aufgrund der App kein “schwarzes Brett” mehr.
Wie viele der Azubis übernehmen Sie?
Zwischen 90 und 95 Prozent.
Wie viele brechen die Ausbildung ab?
In der Regel beginnen bei uns jährlich rund 15 Azubis, bei ein bis zwei müssen wir uns trennen, dafür sind die ersten 4 Monate Probezeit da. Ich kenne auch Unternehmen mit einer Abbruchquote von 50 Prozent – davon sind wir weit entfernt. Aber wir überlegen sehr genau, wen wir in die Ausbildung nehmen. Das haben wir in den vergangenen Jahren gelernt. Wenn ich das so sagen darf: Klasse vor Masse.
Was bedeutet das konkret?
Wir geben jedem, bei dem wir Potential sehen, eine Chance, unabhängig von dem Schulabschluss oder der Nationalität. Wichtig ist definitiv das Sprachniveau, also unter dem Niveau B 2 machen wir keine Bewerbungsgespräche. Das haben wir mühsam gelernt - alles andere macht keinen Sinn. Unsere Azubis sind ab dem ersten Tag auf der Fläche und damit konfrontiert, dass Kunden Produktbegleitung wollen. Da müssen sie antworten können.
Woher kommen die Azubis ohne deutsche Muttersprache?
Wir haben beispielsweise einige bereits ausgebildete Marokkaner und auch als Azubis junge Leute aus Marokko. Das ist einfacher, weil sie dann auch die Patenschaft für die Neuen übernehmen können, es ist gut für die Integration im Team.
Welche Rolle spielen digitale Tools beim Bewerbungs- und Onboardingprozess?
Die meisten Kontakte knüpfen wir vor Ort bei Messen an Schulen oder bei großen Ausbildungsmessen. Die anderen Bewerbungen kommen nur noch online über unsere Homepage. Man kann den Lebenslauf hochladen, das ist sehr niederschwellig gehalten. Bewerbungen über whatsapp machen wir momentan noch nicht. Wir wollen die ernsthaften Bewerber, niemand, der aus der Sprunghaftigkeit heraus sagt, ach, ich bewerb´ mich mal schnell bei zehn Firmen.
Ich stelle eine These auf: Wenn man sich beim Onboardinng als Unternehmen keine Mühe gibt, verschenkt man unglaubliches Potenzial. Richtig, falsch, teilweise richtig?
Ganz richtig. Wir reden alle über Fachkräftemangel, und dann begreift man manchmal nicht, wie wichtig der erste Tag schon beim Praktikum ist, oder auch diese erste Woche. Azubis, die noch so jung sind, kommen aus einem Klassenverband mit einem Klassenlehrer. Ihnen wurde täglich fast jeder Handgriff haarklein erklärt. Sie sind von acht Uhr bis 13 Uhr in der Schule gewesen, die etwas Älteren etwas länger, aber trotzdem: nicht mehr und nicht weniger. An ihnen muss man auf dem Weg zum Beruf erst einmal ganz, ganz eng dranbleiben. Deshalb haben wir auch unser Patensystem. Paten sind meistens Ausgelernte, aber auch Mitarbeitende mit einer sehr langen Betriebszugehörigkeit. Wir schauen einfach, wer zusammenpasst.
Man muss als älterer Profi die Perspektive wechseln?
Ja, man muss die Perspektive wechseln. Und was es bei uns nicht geben darf, ist folgender Spruch: “Bei uns in der Ausbildung war das noch ganz anders. Die Azubis heute haben es eh so schön.” Ja, die Generation bekommt es, weil es notwendig ist und sich die Zeiten ändern. Es ist eine Sache der Wertschätzung und des Respektes. Dass ein Azubi jetzt nicht mehr niedrige Arbeiten vom ersten Tag an macht - ich weiß nicht, ob das manchmal in unserer Branche wirklich schon so angekommen ist. Wenn man keine Zeit investiert, gibt es keine Praktikanten und damit oft später weniger Azubis und Mitarbeitende.
Wir wollen die Azubis über die Zeit zu Leistungsträgern entwickeln. Dazu gehört, dass sie bei den Führungskräften sehen, wohin man sich entwickeln kann, wenn man sich anstrengt: dass man schon nach 10 oder 15 Jahre nach der Ausbildung Personalverantwortung für 80, 90 oder 100 Mitarbeitende haben kann. Da wollen und da sollen sie hin: Sie transportieren unsere Marke und die Begeisterung für die LEH.
Wie haben Sie sich persönlich und auch als Unternehmen diese Struktur für die Praktikanten und Azubis erarbeitet?
Sehr geholfen hat uns, dass wir seit 2019 von der ZBB zertifiziert sind – von der Zentralstelle für Berufsbildung im Handel. Unsere Märkte tragen also das Siegel “Zertifizierter Ausbildungsbetrieb“. Edeka hat gemeinsam mit der ZBB ein Programm entwickelt, bei dem sich Märkte als Ausbildungsbetrieb zertifizieren lassen können. Auch das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen Firmen.