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Surinam von nebenan

Tropische Früchte sind die Zierde jeder Obst- und Gemüseabteilung. Doch was tun, wenn Nachhaltigkeitsthemen zunehmend in den Fokus des Verbrauchers rücken? Haben Papaya, Melone und Co. aus regionalem Anbau eine Chance auf dem Markt? Die RUNDSCHAU auf der Spur der Exoten aus deutschen Landen.

Von Martina Kausch | Fotos: Schmitt, Lukaschek

Das allergrößte Staunen beim Thema Anbau tropischer Früchte in Mitteleuropa überkommt den Bananenliebhaber in Island, in der Nähe der Hauptstadt Reykjavík. Wenig südlich des Nördlichen Polarkreises gibt es in dem Örtchen Hveragerði bereits seit 1941 ein Gewächshaus, in dem Bananen wachsen, die im Lebensmitteleinzelhandel  nebenan verkauft werden. Das Geheimnis der zweitgrößten Bananenplantage Europas ist die Erdwärme, die in Island dank der geologischen Gegebenheiten leicht genutzt werden kann: Über hundert Grad heißer Wasserdampf aus der Erde wird zu Wasser verdichtet, das heiße Wasser durch Heizrohre der Gewächshäuser geleitet. So beheizt, gedeihen neben Bananen auch Kaktusfrüchte, Orangen, Kaffee und Feigen. Und Geothermiekraftwerke versorgen übrigens die gesamte Hauptstadt Reykjavík.

Ralf Schmitt muss herzhaft lachen angesichts der Frage, ob er denn in Oberfranken auch tief bohrt, um seinen Früchten zur Reifesüße zu verhelfen. Nein – in Bayern gebe es andere Wärmequellen, sagt der Geschäftsführer und wissenschaftliche Leiter des Tropenhauses am Rennsteig. Paralellen zu Hveragerði gibt es nur insofern, als mit Edeka Wagner in Coburg auch ein Händler die Produkte aus dem Tropenhaus anbietet – oder zumindest angeboten hat. Denn laut Ralf Schmitt ist der Verkauf vor Ort oder an die Sternegastronomie für ihn ebenso lukrativ, wenn nicht gar lukrativer als der über Handelsunternehmen. Einerseits gibt es aus Tropenhausanbau besondere Spezialitäten wie Schwarze Sapoten. Sie wachsen in Mittelamerika, man könne sie nur als Flugware importieren, so Schmitt, aber die Ware sei oft stark durch Schwermetalle und Pestizide verseucht, deswegen würde sie im deutschen LEH kaum angeboten. Ein guter Preis ist Schmitt also sicher. Andererseits werden viele Früchte auch im Tropenhaus verarbeitet, und für Chutneys oder Marmeladen zahlen Besucher gern.

Industrieabwärme nutzen

Wie in Island, so gab es auch in Tettau im Frankenwald zunächst ungenutzte Energie und dann die Frage, wie man sie nutzen kann. „Die Idee, die zu dem Projekt Klein Eden geführt hat, ist eine energieeffiziente Abwärmenutzung im Niedertemperatur-
bereich“, berichtet Schmitt. Eine Glashütte, seit 1661 mit Sitz in Kleintettau, produziert Abwärme. „Üblicherweise wird die Abwärme als energetisches Abfallprodukt einfach in die Umwelt abgegeben, aber der Inhaber der Glashütte wollte ein Projekt erschaffen, um diese Abwärme effizient zu nutzen“, erinnert sich der engagierte Gärtnermeister. Carl-August Heinz’ Idee: ein Gewächshaus für tropische Früchte. Heinz und Schmitt recherchierten, entdeckten ein ähnliches Projekt in der Schweiz und setzten das Vorhaben in die Tat um. Ab 2008 wurde geplant, Ende 2011 begann der Bau des Projektes mit dem poetischen Namen Klein Eden. Bis 2014 entstanden eine Gewächshausanlage und ein Verwaltungsgebäude mit einer Gesamtfläche von rund 3.500 Quadratmetern Fläche.
Die Anlage ging in Betrieb und entwickelte sich positiv. Aktuell produziert Klein Eden nicht nur Früchte wie Papaya, Jackfruit und Surinamkirsche, sondern auch Fische wie Barsch und Tilapia. „Der Anbau im Tropenhaus erfolgt durch ein Polykultursystem als Kreislaufsystem. Durch die Abwärme werden sowohl das Gewächshaus als auch das Wasser für die Aquakultur der Fische geheizt. Dieses Wasser wird in den Mastbecken durch die Exkremente der Fische und die übrigen Futterrückstände mit Nährstoffen angereichert und als Gießwasser weiterverwendet“, erläutert Schmitt. Polykultur bedeute also die nachhaltige Produktion von tropischen Früchten und Speisefischen. So weit, so gut.


Die Produktion lief, die Vermarktung stellte Schmitt jedoch anfangs vor größere Probleme als gedacht. Die tropischen Früchte und Fische stießen im Land der heimischen Karpfenzucht und in der Nähe des Knoblauchslands, wo unter anderem Gurken und Meerettich angebaut werden, keineswegs auf Begeisterung. „Das können Sie zitieren: Der Frankenwald ist kulinarisch sehr festgelegt. Es gibt Berührungsprobleme mit Exoten, man sagt einfach, das braucht kein Mensch. Uns fehlen an diesem Standort die internationalen Kunden, die die Früchte aus ihrer Heimat kennen – oder sie einfach mögen“, ist Schmitts Einschätzung.  Nach wie vor beliefert Klein Eden Gourmetrestaurants, doch München ist weit entfernt, und lange Transportwege sind ja eigentlich nicht im Sinne des Nachhaltigkeitgedankens.

Für Touristen und die Forschung

Zwei Wege hat Klein Eden mittlerweile eingeschlagen. Einerseits ist das Projekt Ziel für Touristen von nah und fern. Im 800 Quadratmeter großen Besucherhaus kann man per Audioguide die Welt der tropischen und subtropischen Nutzpflanzen erkunden und sich bilden – eine Sonderausstellung informiert mittlerweile auch über Reptilien, Amphibien und Wirbellose.
Andererseits ist das Produktionsgewächshaus mit einer Größe von 2.600 Quadratmetern zunehmend eine Forschungseinrichtung für tropische Kulturen. In Kooperation mit der Universität Bayreuth geht man den Fragen nach, welche tropischen Nutzpflanzen sich für die Produktion unter Glas in Mitteleuropa eignen, wie  sich Wachstums- und Produktionsprozesse für biologische Nahrungsmittel bei hohem Ertrag standardisieren lassen und welche Abwärme wo für den Anbau genutzt werden kann. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf wird zukünftig weitergeforscht, mit Hauptaugenmerk auf Papaya und Sternfrucht, Guave
und Sapote.

Nachfrage nach Exoten steigt

Das Ziel ist klar. Es sollen Früchte wachsen, die bis zu ihrer Genussreife an der Pflanze bleiben können, um dort ihr volles Aroma entwickeln zu können. Denn immer noch hat natürlich gereifte (Flug-)Ware ein intensiveres Aroma als die Ware aus Reifehäusern. Und die Nachfrage nach Exoten im LEH steigt. So  arbeitet der Obstproduzent SanLucar bereits seit 2019 mit dem Mango- und Avocado-Spezialisten Satori zusammen, um zunächst auf dem deutschen und österreichischen Markt stärkere Präsenz zu zeigen. Um Abschriften zu vermeiden, kommt immer mehr Technik ins Spiel. „Damit der Endverbraucher die ideale Konsistenz der Avocado besser identifizieren kann, wurde eine Verpackung entwickelt, deren Design den Reifegrad des Produkts anzeigt“, erklärt Marianela Rodríguez, Expertin für exotische Früchte bei San Lucar. Um bei langen Transportwegen CO₂ zu sparen, transportiert beispielsweise San Lucar seit demw Frühjahr 2021 Zitrusfrüchte nicht mehr per Lkw, sondern mit der Bahn von Valencia nach Köln.

Melonen und Physalis aus der Region

Der Anbau von einheimischem Obst und Gemüse leidet unter den Folgen des Klimawandels, aber den kommerziellen Anbau exotischer Früchte können Landwirte hierzulande ausweiten. Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erweitern Produzenten besonders im Süden und Südwesten die Produktpaletten um Südfrüchte wie Melonen oder Physalis. So reifen Melonen nach Angaben des Bundesinformationszen-trums Landwirtschaft (BZL) im kleinflächigen Anbau von Mitte Juli bis Anfang September. Der Absatz erfolge meist im Direktverkauf ab Hof, aber auch über den LEH in der näheren Region. Da keine weiten Transportwege anfallen, können die Früchte reif geerntet werden. Dies komme, so die BLE, dem Trend entgegen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher verstärkt nach Obst und Gemüse aus regionalem Anbau fragen.

Kiwibeeren aus dem Harz

Melonen wie Cantaloup oder Galia werden im kalten Gewächshaus, unter Tunnel oder im Freiland zeitweise unter einer Vliesabdeckung angebaut. Bereits nach acht Wochen beginnt die Ernte, die sich über vier Wochen erstreckt.  
Die Physalis sei von August bis Oktober zum Beispiel aus Betrieben in der Pfalz und in Niederbayern erhältlich, weiß das BLZ. Der Anbau erfolge im Freiland, da ein deutlicher Tag-Nacht-Temperaturwechsel den Fruchtansatz fördere. Die Frucht werde meist – wie üblich – mit ihrem Blütenkelch vermarktet.


Aber nicht nur im Süden und Südwesten Deutschlands fördert der Klimawandel den Anbau von subtropischen oder tropischem Obst. Die vitaminreiche Kiwibeere, eigentlich in Italien heimisch, wächst mittlerweile bis zur Erntereife im Südharz. Obstbauer Roman Langels baut sie in Aseleben am Süßen See auf einer Fläche von zehn Hektar an und vermarktet sie ab Hof – in diesem Jahr erstmals in größeren Mengen. Dafür braucht er nicht einmal ein Gewächshaus. Mit Melonenanbau hat er sich zusammen mit anderen Landwirten aus der Region bereits seit einigen Jahren einen Namen gemacht.

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