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Umsatzmacher Influencer?

Vor allem bei Ernährungsthemen folgen viele Internetnutzer den „Empfehlungen“ bekannter Social-Media-Persönlichkeiten. Markenartikler springen zunehmend auf den Zug auf – und buchen Influencer, um ihre Produkte anzupreisen. Doch ein Selbstläufer sind solche Kampagnen nicht.

Von Axel Stefan Sonntag, Johanna Wies | Fotos: Adobe Stock/ rh2010

Kaufland hatte für seinen Videoclip weder Kosten noch Mühen gescheut: Schlagersänger Michael Wendler ging Anfang Oktober vergangenen Jahres mit seinem von „Egal“ zu „Regal“ abgewandelten Song in den sozialen Medien online – und warb dort für die Neckarsulmer mit „Echt billig“. Doch das Marketing währte noch nicht einmal 24 Stunden: Weil sich Wendler per Instagram ganz offensichtlich den Corona-Verschwörungstheoretikern anschloss und „nahezu alle Fernsehsender“ als angeblich „gleichgeschaltet“ und „politisch gesteuert“ brandmarkte, distanzierte sich Kaufland von dem Video und nahm es kurzerhand offline.

Dieses Beispiel, welches die Wirtschaftswoche als „Debakel“ bezeichnet, zeigt: Bekannte Persönlichkeiten als Influencer für sich selbst zu nutzen ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Gleichwohl rückt deren Einsatz zunehmend auf die Agenda führender Werbetreibender. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) nutzen sie 59 Prozent der befragten Unternehmen für ihr Marketing. Weitere 24 Prozent buchen die Personen zwar noch nicht, überlegen aber, es zu tun. Durchaus mit einem gewissen Budget: 19 Prozent reservieren Beträge zwischen 50.000 und 100.000 Euro jährlich. Die Rechnung scheint aufzugehen: Mehr als jeder fünfte Deutsche (22 %) hat laut BVDW schon einmal ein Produkt gekauft, weil er es zuvor bei einem Influencer sah. „Influencer haben sich als Tool im Marketingmix etabliert“, sagt Anke Herbener, Vizepräsidentin des BVDW.

Das gilt insbesondere, was das Thema Essen und Ernährung betrifft. Auf der von Hubert Burda Media gegründeten Online-Plattform Brands you love erstellen Influencer „paid content“, werben also gegen Honorar, unter anderem auch für Lebensmittel. Karwendel ist hier sehr engagiert, insbesondere was „moderne“ Produkte wie pflanzliche Aufstriche und Proteinmolkereiprodukte betrifft.

Dr. Oetker sucht hier ebenfalls „500 ernährungsbewusste Genießer“, die den Proteinpudding probieren sollen. „Wir kooperieren regelmäßig und über alle Sortimente hinweg mit Influencern“, sagt Daniela Emonts-Gast, bei den Bielefeldern Hauptabteilungsleiterin Marketing Deutschland. Um jeden Preis geschieht dies aber nicht: „Unser Fokus liegt auf der Zusammenarbeit mit Personen, die gut zur Marke Dr. Oetker passen und glaubwürdig für das entsprechende Thema stehen.“ Konkret: Die infrage kommenden Persönlichkeiten müssen durch einen „optisch ansprechenden Content, eine gewisse Reichweite und Aktivität der Follower“ überzeugen, nennt Emonts-Gast beispielhaft einige Kriterien. Grundsätzlich sei eine „langfristige Zusammenarbeit die Basis für ein Vertrauensverhältnis und damit einer erfolgreichen Kooperation.“

Kennzeichnung erforderlich

Weil Influencer für ihre „Empfehlungen“ in aller Regel Geld erhalten, spielen rechtliche Aspekte eine wichtige Rolle. Das Thema beschäftigt inzwischen Rechtsanwälte und Gerichte, Abmahnungen in Höhe von vier- bis fünfstelligen Beträgen sind keine Seltenheit.

Die Wettbewerbszentrale veröffentlichte bereits 2017 einen „Leitfaden zur Kennzeichnung von Werbung auf Instagram“. Ziel: Auch in den sozialen Netzwerken will die „größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution“ einen „fairen Wettbewerb“ sicherstellen. Die Medienanstalten wiederum überprüfen – ob im Fernsehen oder in sozialen Medien – inwieweit Werbung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die Aufseher entwickelten eine Kennzeichnungsmatrix für Social-Media-Angebote. Grundsätzlich klar ist: Wer im Gegenzug Geld, Waren oder andere Leistungen erhält, muss seine Postings auf jeden Fall als „Werbung“ kennzeichnen.

Liegen keine kommerziellen Anreize Dritter vor, ist das Loblied auf manche Marke, manches Unternehmen zwar laut Medienanstalten „in der Regel“ nicht kennzeichnungspflichtig. Gleichwohl heißt es: Vorsicht vor zu positiver Darstellung! „Im Zweifel fragen wir bei den Anbietern nach“, berichtet Stefanie Lefeldt, stellvertretende Justiziarin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Manchmal hört ihr Team dann, dass für den angesprochenen konkreten Beitrag zwar kein Geld floss. „Der eine oder andere hofft aber, auf diese Weise entweder als Influencer entdeckt zu werden oder, wenn er es schon ist, auf Folgeaufträge“, weiß Lefeldt. Dies gelte insbesondere dann, wenn User „vorgegebene Hashtags, die wir durchaus kennen, verwenden. Auch ein ausgiebiges Verschlagworten (Taggen) oder gar Verlinken sprechen dafür, dass solche Postings mit einem Hinweis zu versehen sind.“ Der Hinweis „Werbung“ müsse dann zu Beginn eines Beitrags stehen, „versteckte Hinweise wie ,ad‘ oder weiße auf weiße Schrift akzeptieren wir nicht“, betont sie. Dabei geht es der MABB nicht darum, Angst und Schrecken zu verbreiten. „Mehr als 90 Prozent der Fälle klären sich gütlich. Doch wenn jemand nicht reagiert oder es zu Wiederholungen kommt, leiten wir förmliche Verfahren ein“, erklärt Lefeldt.

Ausreden gelten nicht

Und wenn Influencer glauben, ihr Geschäft unauffällig über „Empfehlungen“, die sie in Kommentaren schreiben, erledigen zu können? „Keine gute Idee“, warnt Klaus Hornung, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei GHI Rechtsanwälte in Mannheim. „Bevor jetzt jemand auf dumme Ideen kommt: Es wäre schon auffällig, wenn ein Influencer auffallend häufig solche ,Fragen‘ gestellt bekommt und er diese immer bereitwillig unter Nennung von ,zu empfehlenden‘ Marken und Unternehmen beantwortet.“ Hornung nennt weitere Tipps, die insbesondere für selbstständige Kaufleute relevant sein können (siehe unten).

Gleichwohl nimmt die Burda-Tochter Brands you love die gesetzlichen Vorgaben „nicht als Hindernis“ wahr. „Dass eine Marke als Absender bzw. Kooperationspartner bei Influencer-Posts in Erscheinung tritt und dadurch eine Kennzeichnungspflicht besteht, wirkt sich unserer Erfahrung nach weder auf die Glaubwürdigkeit noch auf die Interaktionen bei den Posts aus“, so Nina Zimmermann, Geschäftsführerin bei Burda Studios. Dem Erfolg des Influencer-Marketings, vor allem bei Food und Ernährung, tue dies keinen Abbruch: „In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat sich die Lebensmittelbranche zu einem der relevantesten Segmente im Influencer-Marketing entwickelt und ist aus Instagram und Co. nicht mehr wegzudenken“, sagt Zimmermann. Food und Genuss könne man wunderbar mit Erfahrungen, schönen Bildern und neuen Ideen darstellen.

„Unsere Erfahrungen waren überwiegend positiv, und wir konnten dadurch Reichweite und Aufmerksamkeit in der Zielgruppe der 20- bis 39-Jährigen für die Marke Hengstenberg über die eigenen Kanäle hinaus generieren“, zieht Svenja Wutzel, Leitung Unternehmenskommunikation und Digitales bei Hengstenberg, eine Bilanz. Zwar seien Vorbereitung, Umsetzung und Auswertung einer Kampagne sehr arbeitsintensiv. „Doch wir haben bislang unsere Zielsetzungen erreicht, und die Kosten standen in einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis.“

Bleibt die Frage, ob und wie die Erfolge der Influencer überhaupt messbar sind. Wutzel verweist auf die Definition von vorher festzulegenden Zielen. Sie nennt dabei Bruttoreichweite (die Summe aller plattformübergreifenden Kontakte von Influencern), Zahl der Content-Pieces (Postings, Storys, Artikel etc.) und den „Word-of-Mouth“-Effekt, also die Mundpropaganda. Entscheidend ist für viele ebenfalls, wie viele Menschen, die sich einen Beitrag anschauen, wirklich darauf mit Aktionen wie „Like“, „Teilen“ oder Kommentieren reagieren.

Bezahlt mit Schokoladen-Snacks

Und Kaufland? Dort geht es rund. Nicht nur hat das Unternehmen am 1. Mai auf Twitch fünf Stunden lang seinen Marktplatz Kaufland.de gefeiert, mit insgesamt über eine Million Live-Aufrufe und dem größten Give-away-Event, das es bisher auf Twitch Deutschland gab. Die Twitch-Größen Trymacs, Chefstrobel, Rewinside und Rumathra waren zu Gast in einer zum Warenlager umgestalteten Kaufland-Filiale. Auch das Twitter-Team erhält prominenten Support. Seit dem 1. Juni unterstützt Robert Michel alias „Rob Vegas“ nach einer ersten Kooperation auf Twitter weiterhin das Kaufland-Team. Im April übernahm der Social-Media-Experte und Video-Blogger für eine Woche den Twitter-Account des Unternehmens. Sein Name klingt vielleicht auch wie ein Volksmusiker, wie er selbst schreibt, er sei aber sehr schnell im Gehirn abgespeichert. Vegas möchte für den Job kein Geld, sondern: eine PKW-Ladung voll Schokoladen-Snacks.

 

Interview mit Klaus Hornung, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz GHI Rechtsanwälte Mannheim

Welche Auflagen gelten?

Vor allem wettbewerbsrechtliche. Unsachliche Diffamierung von Konkurrenzprodukten ist beispielsweise verboten. Sind Honorare, Geschenke etc. vereinbart, müssen die Beiträge unübersehbar und unmissverständlich als „Werbung“ gekennzeichnet sein.

Weiterhin sind Marken-, Urheber- und Persönlichkeitsrechte zu beachten. Was gilt, wenn ein Influencer von einem Einkauf in einem „ganz klasse Supermarkt“ berichtet?

Kennzeichnungspflichtige Werbung und bloße Meinungsäußerung sind leider oft nur schwer abzugrenzen. In diesem Fall kommt es vor allem auf den Stellenwert dieser positiven Erwähnung im Kontext des ganzen Beitrages an. Selbst wenn man sich eine Gegenleistung nur erhofft, würde ich von kennzeichnungspflichtiger Werbung ausgehen.

Wie ist es, wenn der Händler selbst mit dem Influencer wirbt?

Dann betreibt der Händler Werbung. Gibt es dafür keine Gegenleistung, muss er damit rechnen, dass der Influencer verletzte Persönlichkeitsrechte geltend machen kann. Es ist üblich, eine Werbefigur zu bezahlen. Dann wiederum ist es auch für den Influencer Werbung.

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