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Round Table TK: Viele Wege, ein Ziel

Im LEH erzielten Tiefkühlwaren 2020 ein neues Rekordhoch.Wie lässt sich der Schwung nutzen, auf welchen Themen liegt der Fokus? Ein Fazit aus dem Branchen-Talk: Chancen gibt es viele, gemeinsames Agieren ist gefragt.

Von Sibylle Menzel | Fotos: stock.adobe.com/Farknot Architec/ RUNDSCHAU; Unternehmen

THEMA 1: TREND

Der Booster der Kategorie heißt Nachhaltigkeit. Welche Konzepte und Maßnahmen sind in der Branche gefordert?

Philipp Kluck: Wir haben bei Iglo drei große Trends definiert, zunächst Regionalität – ein Großteil unseres Gemüses kommt aus dem Münsterland. Kurze Wege, nachhaltiger, ressourcenschonender Anbau, das sind Themen, die wir bedienen. Da haben wir als TK-Anbieter viele Möglichkeiten: Kombinieren wir Regionalität mit den Vorzügen von TK, wie zum Beispiel keine Konservierungs- und Zusatzstoffe, besseres Nährwertprofil und längere Haltbarkeit, können wir uns damit gegenüber dem Frischeangebot stärker differenzieren. Dann natürlich die Verpackung: 95 Prozent unserer Verpackungen bestehen bereits aus dem nachwachsenden Rohstoff Papier. Unser drittes Thema heißt „Die neue Ess-Klasse“, also eine bewusste Ernährung auf Basis von pflanzenbasierten Alternativen. Nun gilt es, auf diese umweltbewussten Alternativen hinzuweisen und sie zu promoten. Ich sehe tolle Vorteile und Möglichkeiten, um uns als TK-Anbieter hier zu differenzieren.

 

Hinnerk Ehlers: Bei uns ist Nachhaltigkeit seit Jahren tief in der DNA verwurzelt und eine Herzensangelegenheit. Mittlerweile sind eigentlich alle Player engagiert und strengen sich an, nachhaltiger zu werden. Das ist insgesamt wichtig für die Branche. Es gibt bei Verbrauchern ja nach wie vor eine gewisse Skepsis, etwa gegenüber Tiefkühlketten oder Energieeinsatz. Dabei kann Tiefkühlkost ökologischer sein, als frisch zu kochen. Wenn ich frisches Gemüse aus dem Gewächshaus verwende, ist der CO2-Fußabdruck schlechter als bei der Verwendung von Tiefkühlgemüse. Es gibt viele Ansatzpunkte, wo die Branche – wir als Team gewissermaßen – Dinge verändern und die Kategorie weiterentwickeln kann.

Dr. Sabine Eichner: Wie Herr Ehlers sagt: Klimabilanz, CO2-Fußabadruck – das sind Themen, die zwar gerade sehr stark in den Unternehmen bearbeitet werden, aber für den Verbraucher nicht einfach zu greifen sind. Wir müssen gut und verständliche Botschaften herausarbeiten. Außerdem gehört zu diesem Komplex sicher auch die Reduktion von Lebensmittelverschwendung, zu der wir ein Pilotprojekt initiiert haben. Zusammen mit den bereits genannten Vorteilen von TK können wir dem Kunden das Thema sozusagen als All-in-one-Lösung anbieten.

Judith Petit: Weitere Themen sehe ich bei Energie und nachhaltiger Logistik. Wir beziehen seit diesem Jahr zu 100 Prozent Ökostrom und transportieren unsere Tomaten klimaneutral per Schiene. Durch diese und weitere Maßnahmen produzieren wir unsere Piccolinis seit diesem Sommer klimaneutral – ein Meilenstein für uns und die Verbraucher.

Arne Tiemann: Für uns ist das Thema Clean Labeling und die Natürlichkeit von Produkten extrem wichtig. Und seit Anfang des Jahres legt McCain den Schwerpunkt auf regenerative Landwirtschaft: Alle Ertragsbauern, von denen wir Kartoffeln beziehen, werden bis 2030 umstellen. Das ist ein großer, kostspieliger Schritt. Aber wir sehen die Notwendigkeit – Kartoffeln brauchen viel Wasser und viel Platz. Wir sehen auch, wie die Erntebedingungen von Jahr zu Jahr schwieriger werden. Transport, glaube ich, betrifft alle. Im Bereich CO2-Einsparungen im Transport arbeiten wir auch mit dem Handel sehr eng zusammen

Sabine Ahrens: Gerade bei Kartoffel- und Gemüseprodukten haben wir festgestellt, dass neben Regionalität der Bereich Bio massiv zunimmt und die Ausweitung der Sortimente im TK-Bereich vorangetrieben wird. Ein großer Vorteil von TK-Produkten liegt ja auch in der Natürlichkeit, der Reduktion der Zutatenlisten. Und das ist für unser Unternehmen ein wichtiger Baustein, der auch immer mehr Interesse bei den Verbrauchern findet. Massive Änderungen gibt es zudem beim Thema Verpackung mit der Reduzierung der my-Stärke bei unseren Plastikverpackungen um nahezu 70 Prozent.

Ahmed Tan: Unsere Wahrnehmung im Markt ist auch, dass Kunden jetzt zweimal mehr nachschauen, was in den Produkten enthalten ist. Sie streben nach gesunder Ernährung, Regionalität spielt da eine ganz große Rolle. Wenn wir von Nachhaltigkeit bei Verpackungen sprechen, stellt sich mir die Frage, warum werden Verpackungsgrößen für kleinere Portionen nicht minimiert?

Ahrens: Wir haben es vor Jahren mit kleinen Verpackungen versucht, die Kleinteiligkeit hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Für 250-Gramm-Pommes sehen wir bislang keinen Markt. Für die Mikrowelle bedienen wir mit 140-Gramm-Portionen den Single-Markt und den Snackingbereich.

Asche: Wir haben uns ebenfalls mit dem kleinen Einkauf, vor allem von Single-Haushalten, beschäftigt und sind auf keine vernünftige Drehzahl gekommen. Ich sehe es auch als genauso nachhaltig an, wenn ich eine einheitliche Auslastung über die Linien bringen kann und nicht für kleine Abpacklösungen separate Linien beschaffen muss. Sehr viel spannender finde ich die Ansätze, die Beutelgrößen über entsprechende Verschweißungen, über Abrissperforation noch einmal zu trennen. Um die durch die Pandemie erzeugte „Renaissance“ der TK-Produkte dauerhaft erhalten zu können, sind Themen wie Verfügbarkeit oder Portionierbarkeit auch im Sinne der Endverbraucher.

THEMA 2: SHOPPER

Das gestiegene Interesse an TK-Waren eröffnet neue Chancen, Shoppern die Vorteile der Warengruppe zu vermitteln.

Petit: Es ist die große Aufgabe, alle nachhaltigen Maßnahmen, die wir unternehmen, in Richtung Verbraucher zu kommunizieren. Wie erfährt er davon, wie bekommt er die Transparenz und das Vertrauen in unsere Glaubwürdigkeit? Da müssen wir wirklich die unterschiedlichsten Kanäle nutzen, sei es die Verpackung, die Website oder Social-Media-Kanäle, die Verbraucher immer mehr verwenden, um sich zu informieren.
 

 

Tiemann: Bislang war McCain diesbezüglich sehr zurückhaltend, aber das ist jetzt im Umbruch. Neben den sozialen Medien denken wir auch above the line über TV, Radio et cetera nach. Wir merken über Anfragen, dass der Verbraucher mehr wissen will, auch der Handel ist höchst interessiert.

Ehlers: Wir müssen eine hohe Transparenz über alle Kanäle erreichen. Transparenz schafft Vertrauen. Und man braucht gute Produkte und Innovationen. Um neue Verwender an die Kategorie heranzuführen und neue Verzehranlässe zu schaffen, wie es alle Player aktuell am Markt etwa mit veganen Themen tun, müssen die Themen auch beworben werden. Unser gemeinsames Interesse ist es ja, die Attraktivität der Kategorie weiter zu steigern – je mehr Werbung alle Player machen, auch die mittleren und kleinen, umso besser.

Kluck: Ich denke, das ist nicht nur eine Frage für die Industrie, sondern auch, wie wir zusammen mit unseren Handelspartnern die Attraktivität der Kategorie erhöhen und Kunden anziehen können. Nur circa 35 Prozent der Shopper gehen in die TK-Abteilung, auch weil es dort meist kein tolles Shoppingerlebnis gibt. Ungefähr 70 Prozent der Kaufentscheidung fällt immer noch am PoS und nicht zu Hause. Es geht also darum, die Vorteile auch in der TK-Abteilung emotional zu kommunizieren. Und wenn sie ein beschlagenes Fenster sehen und kein Mensch am PoS etwas über Regionalität und Nachhaltigkeit sagt, dann ist das ein Problem. Ich glaube, da müssen wir eine Lösung finden, gemeinsam.

Dr. Eichner: Ich finde es wichtig, dass wir in der Branche „ins gleiche Horn stoßen“. Dazu veröffentlichen wir zum Beispiel unsere TK-Kernbotschaften. Hier sind alle Themen, von Nachhaltigkeit bis Regionalität et cetera, in klare, wissenschaftlich faktenbasierte Botschaften gefasst. Darin sehen wir einen guten Ansatz, wenn alle unsere Hersteller auf diese Grundlagen zurückgreifen, im Tenor: „Das hat die Wissenschaft unabhängig für uns erarbeitet, darauf können wir uns stützen, das haben wir nicht erfunden.“ Bei der Emotionalisierung der TK-Abteilung sehen wir noch Luft nach oben. Auch das Auffinden der Produkte ist immer noch ein Thema.

Tan: In unserem Markt haben wir nun Schranksysteme installiert und hatten am Anfang große Schwierigkeiten beim Einräumen und Platzieren der Ware, bis wir mit Vorschubsystemen nachgearbeitet haben, um die Ware auch vernünftig zu präsentieren. Ich habe ganz bewusst nach Segmenten platziert – vegan zu vegan et cetera, das erleichtert unserer Erfahrung nach das Auffinden sehr. Was Aktionen im Markt angeht, sehe ich im Tiefkühlbereich noch nicht so den Schwung wie in anderen Abteilungen, wie zum Beispiel bei Molkereiprodukten. Ich würde mir wünschen, mehr Außendienst vor Ort zu sehen, um Aktionen zu planen, mit denen man die Produkte dem Kunden näherbringen kann. Es gibt auch Hersteller, die stark über Facebook werben – das hat bei uns am PoS sofort eingeschlagen. Facebook, Instagram, Influencer, das sind alles Möglichkeiten, auf die vor allem Jugendliche sehr gut eingehen.

Ahrens: Aus unserer Sicht ist es schade, dass die Möglichkeit über Truhenfolien, Schilder oder Aufstecker meist nur begrenzt möglich ist. Wir bekommen häufig die Aussage, dass der Handel selbst kommunizieren möchte. Es wäre daher wünschenswert, hier gemeinsame Themen zu finden.
Asche: Die Akzeptanz, Aktionen mitzufahren, muss steigen. Auch über Aktionsfelder, die der Handel spielt, zum Beispiel über Länderaktionen. Und hier können wir Produkte anbieten, sodass der Kunde an der Truhe merkt, es ist Bewegung im Sortiment, Innovation funktioniert auch im TK-Bereich. Dafür muss Platz generiert werden, um verschiedene Aktionen zu fahren und die Möglichkeiten zu nutzen.

RUNDSCHAU: Welche Möglichkeiten bietet die Verpackung für das Marketing?

Ehlers: Wir möchten den CO2-Fußabruck auf die Verpackung bringen, aber irgendwann wird es dann auch ganz schön bunt und voll. Die Verweildauer am Regal ist nicht hoch, der Shopper ist froh, wenn er ein TK-Produkt wieder aus der Hand legt. Insofern ist es eine Herausforderung, schnell auf den Punkt zu kommen und relevante Themen zu platzieren.

Petit: Über unsere Studie „Klima und Ernährung“ haben wir herausgefunden, dass sich 73 Prozent der Verbraucher ein Klimalabel wünschen. Wir werden Ende dieses Jahres die klimaneutrale Produktion der Piccolinis und die entsprechenden Maßnahmen, die damit verbunden sind, auch auf der Faltschachtel kommunizieren.
Kluck: Unabhängig von Claims spielt die Verpackung an sich eine wichtige Rolle. Konsumenten verstehen auf jeden Fall, dass Plastik nicht die zeitgemäße Verpackung ist, und greifen eher zu Papierkarton.

THEMA 3: DISTRIBUTION

E-Commerce, Liefer- und Heimdienste legen zu – zusätzliche Chancen für TK?

Tiemann: Ich wage zu bezweifeln, dass insbesondere der TK-Bereich durch E-Commerce wächst. Der Anteil an Lieferungen wird wachsen, aber nicht englisches Niveau erreichen. Dennoch ist es ein wichtiger Markt, in dem Kommunikation anders gespielt wird. Unterschiedliche Instrumente werden relevant, um Marken erlebbarer zu machen.

Ahrens: 2020 war das Wachstum mit Heimdiensten exorbitant. 2021 ist davon viel geblieben, aber die Dynamik ist nicht mehr da. Für die große Masse wird sich das nicht nachhaltig durchsetzen. Bei E-Commerce wird sich die Bedeutung für den LEH noch zeigen. Wir als Anbieter können uns hier natürlich anders präsentieren. Nachteile, die wir am physischen PoS haben, haben wir digital nicht.
Petit: Man kann auch in diese Richtung denken: Wie kann ich E-Commerce mit dem PoS verzahnen, welche Möglichkeiten gibt es, um voneinander profitieren zu können? Entscheidend werden unter anderem die Entwicklungen für Transporte und auch Lieferkästen mit integrierter TK-Kühlung sein. Das ist bislang noch eine Hürde.

Ehlers: Ich glaube, man muss sich E-Commerce gedanklich öffnen. Wir sind es gewohnt, an jeder Ecke einkaufen zu können. Wird die nächste Generation das auch machen, oder wird sie andere Einkaufserlebnisse fordern? Diese Frage stellen sich die großen Händler auch. Genauso wie sich bestimmt Hersteller von Kühl- und Tiefkühlschränken mit der „Warenannahme“ an der Haustüre beschäftigen. Die Dinge werden sich entwickeln.

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