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"Vorschläge der Borchert-Kommission endlich umsetzen"

Anlässlich der Grünen Woche werden die Forderungen erneuert, Vorschläge der Borchert-Kommission endlich umzusetzen. Verbände erhöhen den Druck auf Landwirtschaftsminister Özdemir. Auch der Kritische Agrarbericht wird vorgestellt.

Ein Haferfeld mit Blühstreifen: Bei einem Tag der regenerativen Landwirtschaft in Blieskastel/ Saarpfalz 2023 hat Nestlé betont, "nachhaltige Lebensmittelsysteme in großem Maßstab zu fördern". Foto: Kausch
Von Martina Kausch

Anlässlich des Starts der Agrarmesse Grüne Woche fordert das Deutsche Tiefkühlinstitut (dti) die Politik auf, verlässliche Rahmenbedingungen für eine intakte und wettbewerbsfähige Landwirtschaft zu schaffen, und die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft endlich politisch umzusetzen. Die gleiche Forderung an Landwirtschaftsminister Özdemir kam von weiteren Playern wie dem  Demeter-Verband. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) hatte Perspektiven für die Tierhaltung bis 2040 entwickelt. Angsichts mangelnder politischer Umsetzung hat sie im August 2023 die Arbeit eingestellt.

„Dass eine Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft notwendig ist, die ökologisch, sozial gerecht und nachhaltig ist und dazu die gesellschaftlich geforderten Ansprüche an Tierwohl erfüllt, darüber sind sich alle einig. Dies war bereits Konsens in der Zukunftskommission Landwirtschaft sowie der „Borchert”-Kommission, die beide längst Konzepte dazu vorgelegt haben“, so Demeter-Vorstand Dr. Alexander Gerber.  

"Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat 2021 mit der gesamten Wertschöpfungsgemeinschaft von Industrie, Handel und Landwirtschaft sowie Politik, Wissenschaft und NGO Vorschläge erarbeitet", so dti-Chefin Sabine Eichner. „Wir wünschen uns, dass Bundesernährungsminister Özdemir die Themen nicht nur aus der Agrar-Perspektive betrachtet, sondern auch die Weiterverarbeitung bis zum Handel und in die Gastronomie sieht." Die Borchert-Kommission habe dies bereits geleistet. 

"Wir brauchen eine zuverlässige und weitsichtige Wirtschaftspolitik für die gesamte Ernährungswirtschaft, die den Standort stärkt und die Wettbewerbsfähigkeit erhält! Dazu gehört beispielsweise, den Zuschuss zu den Netzentgelten beizubehalten – eine Streichung würde Lebensmittel enorm verteuern.“

Schlechte Stimmung in der Branche zum Messestart

„Die Grüne Woche ist stets das erste Jahreshighlight im Kalender der Ernährungs- und Lebensmittelwirtschaft. 2024 starten wir aber mit denkbar schlechter Stimmung ins Messegeschehen“, so Eichner. „Die Bäuerinnen und Bauern sind auf den Barrikaden, die Gastronomie ächzt unter der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Unsere Tiefkühlunternehmen leiden, wie die ganze Lebensmittelbranche, weiterhin unter hohen Energie-, Produktions- und Rohstoffkosten, überbordender Bürokratie, anspruchsvollen neuen nationalen und europäischen Gesetzesregelungen. Die Sorgen der Lebensmittelbranche sind groß angesichts der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung der Verbraucher, der politischen Unsicherheit und der düsteren Wirtschaftsprognosen.“

Kritischer Agrarbericht

Auf der Grünen Woche in Berlin stellt das AgrarBündnis den Kritischen Agrarbericht 2024 vor. Der Bericht dokumentiert jährlich die Vielfalt der politischen Debatte zu Landwirtschaft und Ernährung. Er formuliert fundierte Kritik am derzeitigen Agrarsystem, benennt aber auch Konzepte, Ideen und gelungene Praxisbeispiele, wie es anders gehen könnte. Einen besonderen Schwerpunkt legt der Kritische Agrarbericht 2024 auf das zur Zeit viel diskutierte Thema Tiere und die Transformation der Landwirtschaft.

Frieder Thomas, Geschäftsführer des Bündnisses, ging auf die Ursachen für die Proteste der vielen Bäuerinnen und Bauern ein. „Die anhaltende gesellschaftliche Diskussion über die Nutztierhaltung hat zu einer großen Verunsicherung in der Landwirtschaft geführt. Die Zahl der tierhaltenden Betriebe sinkt dramatisch, während die Fleischimporte zunehmen. Aber die notwendige Transformation hin zu einem gesunden, gerechten, umweltfreundlichen und für alle Beteiligten auch wirtschaftlich tragfähigen Agrar- und Ernährungssystem droht an parteipolitischen Querelen, fehlender Finanzierung, aber auch an mangelnder Einsicht in seine gesellschaftliche und ökonomische Notwendigkeit zu scheitern." Die Fortschreibung des bisherigen Trends mit intensiver Tierhaltung und immer größeren Ställen sei keine Lösung. Gleichzeitig wollten Bürgerinnen und Bürger zwar mehr Tierschutz und zugleich weniger Umwelt- und Klimabelastung durch die Tierhaltung, entschieden sich aber als Verbraucherviel zu oft für Billigangebote – "verleitet von Rabattschlachten der großen Handelsketten, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden“, so Frieder.

 

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