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Store-Check: Coop Bozen - Tanz um den Ginkgo

Österreichs Kaiserin Sissi beeinflusst durch ein Baumgeschenk noch 2022 die Architektur des neuen Coop-Flagschiffmarkts in Bozen.

 

In der Fleischtheke liegt konventionelles und Bio-Fleisch.
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Von Martina Kausch | Fotos: Tiberio Sorvillo

Gibt es hier tatsächlich Lebensmittel? In diesem Palazzo aus dem 18. Jahrhundert, dem Palais Campofranco an Bozens Hauptplatz, an dessen Glasfassade als erstes der angebissene Apfel als Logo eines US-Technologieunternehmens ins Auge fällt? Essbare Äpfel gibt es im Untergeschoss, im neuen Coop am Waltherplatz. Doch dass man den entdeckt, ist nicht selbstverständlich, denn vor dem Gebäude steht zwar ein Aufsteller, aber am Gebäude prangt der Coop- Schriftzug eher unauffällig in einem unbeleuchteten Arkadenbogen. Einen Markt im Untergeschoss sichtbar zu machen, war eine der Herausforderungen, die Coop bis zur Eröffnung im September 2021 meistern musste.

 

 

 

Flagschiffmarkt in zentraler Lage

Seit 17 Jahren besteht die Konsumgenossenschaft KonCoop unter dem Dach der Coop in Südtirol, sie betreibt drei Märkte in Bozen. Als sich die Gelegenheit bot, am zentralen Waltherplatz mitten in der Stadt einen Standort zu eröffnen, sollte eine „Visitenkarte für das Genossenschaftswesen“ entstehen, wie KonCoop-Geschäftsführer Roland Morat das Projekt beschreibt. Doch Planung und Bau stockten mehrfach. Neben der Lage im Untergeschoss eines denkmalgeschützten Palais musste man in Bozen am Waltherplatz noch ganz andere Gegebenheiten berücksichtigen. Im Innenhof des Gebäudekomplexes steht ein Ginkgo, der es in sich hat. „Noch nie wurde in Südtirol um einen einzelnen Baum so viel Aufhebens gemacht“, schrieb das Bozener Wochenblatt ff. 160 Jahre alt soll er sein, ein Geschenk der österreichischen Kaiserin Sissi an die Adelsfamilie, der das Palais bis heute gehört. Abholzen unmöglich, designen erwünscht, und so umbaute man den Baum mit einem sechs Meter tiefen Topf, der nun teilweise die Struktur des Coop im Ginkgo-Wurzelbereich prägt. Der Topf ist im Markt sichtbar und wurde mit Regalen umschlossen. Diese spektakuläre Besonderheit deutlich zu machen, darauf verzichtet man allerdings bei der Ladengestaltung.

Viel Platz und viele Inseln

Zunächst zum Eingang. Hinter dem ebenerdigen Eingang durch die Palazzo-Arkaden weisen Aufsteller und rote Pfeile den Weg zur Rolltreppe. Im Untergeschoss dann greift das Farbkonzept, durch die Coop-roten Wände wird das Geschäft immer sichtbarer. Glastüren öffnen sich und nun steht man in einem Lebensmittelmarkt mit unerwartetem Ausmaß und gleich inmitten von Obst und Gemüse. Das wird zum Teil an den Seiten vor der Wand präsentiert, zum Teil auf Inseln. Auffallend: An der Wand gibt es nur eine Etage zur Präsentation der Ware, dafür ist die Wand mit stilisierten Bäumen in Schwarz und Coop-Rot bemalt. Soviel Schönheit zulasten der Platzausnutzung für das Sortiment muss sein? Und doch gibt die luftige Gestaltung dem Markt Frische und Modernität. Hinter dem Eingangsbereich mit der Obst- und Gemüseabteilung wird der Raum deutlich höher, auch das ist den Bauvorschriften rund um Ginkgo und Tiefgarage geschuldet. Geschickt sind nun an der Wand als kleine getrennte Theken Backshop und Frischetheke platziert, das Frischfleisch stammt sowohl aus Bio als auch aus konventioneller Haltung. Ins Konzept passt, dass Brotsorten und Süßigkeiten – ob konventionell oder biologisch – nicht aufgebacken, sondern von lokalen Bäckereien täglich frisch zubereitet und geliefert werden. Gegenüber die Präsentation des umfangreichen Pastasortiments, bevor man in Richtung Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel, Kosmetik und Getränke, Wein, Bier und Spirituosen zur Tiefkühlware und damit in Richtung Kasse einbiegt. Interessant: Kurz vor dem Ausgang, hinter der Kasse, gibt es eine Servicestation mit Ansprechpartner für alle Genossenschaftsfragen.

Tageslicht dank Technik

Eine weitere Herausforderung neben der Sichtbarkeit ist in einem Untergeschoss die Belichtung. Sie wurde im Bozener Coop beispielhaft durch Tageslichttechnik gelöst. Die weißen Decken und der rote Boden lassen eine moderne, offene Atmosphäre entstehen, Regale aus einem Materialmix aus Holz und Metall passen sich in diesen Look perfekt ein und das Gestänge oben an den Regalen wird optimal zur Beschriftung genutzt. Die braucht einerseits Platz, weil sie in Südtirol zweisprachig ist. Die großen Schilder bieten aber auch Raum für Warenkunde, Infos zu Marken und Herkunft der Produkte, denn diese Themen sind der Coop besonders wichtig. Wörtlich beschreibt die Konsumgenossenschaft KonCoop als Betreiber der Lebensmittelmärkte zum Thema Führung eines Supermarkts folgende Ziele: „Mitbestimmung der Konsumenten, Qualität zu fairen Preisen, Förderung des ethischen Konsums und Vermarktung lokaler Produkte.“

Ein großer Wurf

Drei Filialen hat KonCoop 2021 eröffnet, alle wurden von Interstore Schweitzer und Imoon als Partner für Lichtlösungen gestaltet. Das Konzept bestimmter grafischer Elemente zu den Themen Landschaft und Herstellungsprozess der Produkte findet sich in allen Filialen wieder. Nun ist der Bozener Markt mit seinem Ginkgo im Riesentopf und den Regalen drumherum etwas ganz Besonderes – warum hat man darauf verzichtet, diese spektakuläre Bauleistung an die Kunden zu kommunizieren? Die Wurzeln an die Wände zu malen, so einen Wow-Effekt hervorzurufen? Nein. Coop gestaltet die Wände auch hier ausschließlich mit stilisierten Tieren aus der alpinen Landwirtschaft samt Dirndlmädchen und Lederhosen-Buben. Das Baum-Baugeheimnis erschliesst sich auf diese Weise ausschließlich dem Informierten. Vielleicht haben zwei Jahre Baustopp dem Sinn für Humor geschadet, vielleicht dachte man auch, der Genossenschaftsidee seien noch mehr Design und Marketing nicht zuträglich. Andererseits: Auch so ist der Bozener Markt nicht nur für die Coop in Südtirol ein großer Wurf, punktet mit moderner, frischer Atmosphäre, technischer Top-Ausstattung und ist ehrlich im Sortiment.

Interview

Interview mit Roland Morat, Geschäftsführer KonCoop

Worauf wurde beim Sortiment des neuen Marktes in Bozen besonders geachtet?

Es gibt eine sehr breite Palette von Produkten der Marke Südtirol und von Bio Alto. Bio Alto Südtirol ist die neue Vertriebsgenossenschaft für lokale Bioprodukte, sie wurde mitbegründet von KonCoop.

Die KonCoop als Träger der Coop-Supermärkte engagiert sich auch für das Thema ethischer Konsum?

Das stimmt. Deswegen stammen bei diesem Sortiment die fair gehandelten Produkte sowohl aus der eigenen Produktlinie Solidal Coop als auch von Altromercato, dem Konsortium der Weltläden Italiens.

Ich habe gesehen, dass in der Fleischtheke Biofleisch neben konventionellem Fleisch liegt?

Ja. Das Biofleisch stammt von Südtiroler Rindern, Schafen und Geflügel. Wir wollen den Kunden an Bio und das Tierwohl-Thema heranführen. Dass wir in der Fleischtheke zweigleisig fahren, ist eine Entscheidung als erster Schritt zu mehr Bewusstseinsbildung.

Wie sieht es mit dem Thema Unverpackt aus?

Der neue Markt am Waltherplatz ist für den Verkauf von nichtverpackten Bioprodukten zertifiziert

MARKT DATEN

Coop Campofranco, Bozen

> Adresse: Waltherplatz, 39100 Bozen/ Südtirol

> Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 9 bis 20 Uhr, sonntags 9 bis 19 Uhr

> Eröffnung: 07.09.2021

> Verkaufsfläche: 900 m2, davon 65 m2 Getränkeabteilung

> Länge der Frischtheke: 10,6 Meter

> Anzahl der Produkte: Rund 8.000

> Zahl der Mitarbeiter: 19

> Besonderheiten: Hoher Anteil an Bioprodukten, regionalen Produkten und Produkten aus fairem Handel.

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