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Store-Check: Grüne neue Rewe-Welt in Wiesbaden

Basilikum- und Barschzucht auf dem Dach, Grünstrom für die Technik und Regenwassernutzung: Das ist die Rewe-Antwort auf die Frage nach Nachhaltigkeit.

Von Martina Kausch | Fotos: Hans-Rudolf Schulz

Es ist die ganz besondere Optik, die neugierig macht, wenn man in Wiesbaden-Erbenheim von der Straße aus auf den neuen Rewe-Markt zufährt. Den Parkplatz und die Umgebung vergisst man fast, so präsent steht das Gebäude an der Berliner Straße, so hell und markant leuchtet die Holzkonstruktion selbst bei bedecktem Himmel dem Besucher entgegen. Dass hier ein völlig neues Konzept umgesetzt wurde, vermutet man bereits beim ersten Blick. So viel Holz und Glas, auch auf dem Dach, muss auf etwas Neues hinweisen.

Aufsehen im In- und Ausland

Dass der Markt Aufsehen erregt, erlebt man täglich nicht nur an der Reaktion der Kunden und der Tatsache, dass viele auch aus der Umgebung zum Einkauf anreisen. Beinahe täglich führt Eventbetreuerin Michaela Völkel Besuchergruppen über Parkplatz, Grundstück, Markt, Gewächshaus und Dachterrasse. Aus französischen und italienischen Handelsunternehmen schauen sich Verantwortliche die neue Rewe-Markt-Generation an.

Keine Frage, zu erkunden gibt es jede Menge, auch jede Menge Details. Der Parkplatz ist nur teilweise asphaltiert, die einzelnen Stellplätze sind nicht versiegelt, zwischen den Steinen als Befestigung kann Wasser versickern. Angelegt sind die Parkplätze asymmetrisch als Loop, Schleife, um zentrale Grünflächen herum – aber die Zahl der Stellplätze ist dieselbe wie auf herkömmlich geplanten Parkanlagen. Ein gutes Beispiel, wie man auch durch andere, naturnähere Planung zum angestrebten Ziel kommen kann. Und weil im Sommer Wiesen zwischen den Stellplätzen blühen, kümmert sich ein Imker um einige Bienenvölker. Die Bienenhäuser stehen hinter dem Markt, schließlich sollen sich Kunden nicht belästigt fühlen.

Green Building, weiterentwickelt

Den Markt selber hat Rewe als neue Generation der Green Buildings entwickelt. Nach rund 200 errichteten Märkten sollte das seit 2009 bestehende Konzept aus auch direkt am Eingang sichtbaren riesigen schrägen Holzträgern zu neuer Optik weitergeführt werden. Statt den massiven Massen prägen nun kleinere viereckige Balken verschachtelt die Stützenstruktur, die sich gewölbeähnlichund deutlich sichtbar durch den gesamten Markt zieht. Insgesamt 42 Holzstützen tragen die Decke, sechs Meter hoch ist der Markt bis zur gläsernen Bedachung. Durch die Optik und die Belichtung durch die kleinteiligen Fenster ist es im gesamten Raum angenehm hell, die Lichteinstrahlung kann aber gesteuert werden. Kühl-, Beleuchtungs- und Klimatechnik wurden auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

Für diese Architektur hat Rewe mit dem Londoner Architekturbüro ACME zusammengearbeitet. Die wie umgekehrte Eckenpyramiden aussehende Säulen gehören zu den oft verwendeten Gestaltungs- und Bauelementen des Büros. „Die skulpturalen Holzstützen ermöglichen die Integration von Dachfarmen und anderen Nutzungen auf dem Dach, spenden Schatten und Schutz für offene Marktstände darunter und geben der Markthalle einen neuen menschlichen Maßstab“, sagt Friedrich Ludewig, Gründer und Direktor von ACME. Apropos Dachfarmen und andere Nutzungen: Durch die modulare Bauweise könnten auf dem Supermarktdach auch Wohnungen, Parkdecks oder Lagerräume ihren Platz finden.
Betritt man den Markt, steht man neben breiten Convenience-Kühlwänden in der Obst- und Gemüseabteilung und damit im Reich von Linda Rücker (siehe Interview). Das Sortiment erweitern viele regionale Lieferanten. In einer gut sichtbaren Ecke ist das Basilikum aus eigener Dachzucht ansprechend präsentiert.

Am Anfang alles Frische

Mit wenigen Schritten erreicht man den Café- und Bistro-Bereich. Von hier aus führt eine breite Wendeltreppe hinauf ins Dachgeschoss und damit in den Gewächshaus-Bereich. Im Erdgeschoss selber führt der Kundenlauf sofort zur Frischetheke. Man wollte im neuen Green-Building-Konzept die Frische komplett im Eingangsbereich platzieren, um beim Kunden gleich mit dieser Kompetenz zu punkten.

Tatsächlich ist das Angebot eindrucksvoll. In der Fleischtheke liegen auch vor Ort hergestellte Basilikum-Bratwürste – mit dem Basilikum vom Dach, Bio-Rindfleisch, Hessisches Landschwein und auch regionales Lammfleisch neben dem bei Rewe Üblichen. Die Kücheninsel ist von Kunden einsehbar und bietet ein Maximum an Transparenz. Die Frischfischabteilung ist bereits gut sortiert.

Auch im Trockensortiment punktet der Markt. Von Honig über Eier bis zu Eis sind regionale Hersteller mit ihren Produkten vertreten, Wegweiser weisen in die Richtungihrer Geschäfte. Es gibt eine große Unverpackt-Abteilung, mit der Rewe noch Erfahrungen sammelt, sind doch Hygiene und Verpackung zu Coronazeiten ein sensibles Thema.

Barsche und Basilikum

Und dann die Aquaponik-Farm. Der Begriff bezeichnet die Kombination zweier Kreislaufsysteme, eine für Aquakultur (Aufzucht von Fischen und anderen Wassertieren) und eine für Hydroponik (Zucht von Nutzpflanzen im Wasserbad). Die Pflanzen werden mit den Ausscheidungen der Fische als Dünger versorgt. Die Farm ist also eine Produktionsstätte mitten in der Stadt. Betrieben vom Rewe Partner ECF Farmsystems, wachsen nun jährlich 800.000 Basilikumpflanzen ohne jegliche Pestizide. Das Wasser wird doppelt genutzt, ECF spricht von Lebensmittelproduktion mit 90 Prozent weniger Wasserverbrauch gegenüber herkömmlicher Landwirtschaft.

Rund 14.000 Töpfe Basilikum werden in dieser Kräuterquelle pro Woche plastikfrei vor Ort verpackt. Über die Wendeltreppe können Kunden die Dachfarm erreichen und durch das Glas auf die Pflanzen schauen, Infotafeln und Monitor klären über die Technik auf. Nicht zu beobachten ist die Fischzucht: 20.000 Buntbarsche werden in Bassins auf rund 230 Quadratmetern gezüchtet und vor Ort verarbeitet. So entsteht pro Monat circa eine Tonne Fischfleisch. Im Februar 2022 sollen die Barsche die Verkaufsgröße von 500 Gramm erreicht haben – dann ist die Rewe-Nahversorgung mit diesem eindrucksvollen Konzept endgültig in einer neuen Dimension angekommen.

Interview

mit Linda Rücker, Abteilungsleiterin Obst und Gemüse

Worauf freuen Sie sich, wenn Sie morgens mit der Arbeit in der Abteilung starten?
Im Obst- und Gemüsebereich kann man viel gestalten und besonders kreativ sein, das ist das Besondere und darauf freue ich mich. Hier in Erbenheim können wir außerdem das Basilikum verkaufen, das oben auf dem Dach gewachsen ist, das ist auch besonders.

Es gibt eine Ananasschneidemaschine, wie wird sie angenommen?
Sehr gut. Man hat viel weniger Verschnitt, wenn man die Ananas mit der Maschine schälen und schneiden lässt, das haben die Kunden auch gemerkt. Man hat einfach mehr von der Frucht.

Sie arbeiten hier in Erbenheim mit vielen regionalen Lieferanten zusammen?
Ja, wir haben allein im O&G-Bereich rund 80 regionale Lieferanten, davon kommen allein 30 aus Wiesbaden. Mit ihnen muss man immer Kontakt halten, absprechen, wer was liefern kann, das ist eine ganze Menge Organisation.

War die Obst- und Gemüseabteilung schon von Anfang an Ihre Lieblingsabteilung?
Nein, ich bin nach und nach reingewachsen. Ich habe bei der Rewe meine Ausbildung gemacht – 2001 hatte ich angefangen – und war dann zunächst im Büro. Dort hatte ich mit den Spätanlieferungen zu tun und fand das interessant. Dann wurde ich gefragt, ob ich nicht im Markt bei O&G mitarbeiten wollte und das hat Spaß gemacht.

Haben Sie ein Lieblingsobst oder -gemüse?
Ja, Mangold! Mangold mag ich, damit kann man viel machen und die Ware, die wir verkaufen, hat eine super Qualität.

Marktdaten

Adresse: Berliner Straße 277, 65205 Wiesbaden
Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 7 bis 22 Uhr
Eröffnung: 27. Mai 2021
Verkaufsfläche: 1.511 m2
Besonderheiten: Weiterentwicklung des Rewe Green-Building- Konzepts, Aquaponik-Anlage für Kräuter und Fischzucht durch ECF Farmsystems, Sushitheke (EatHappy), Bäckerei und Bistro, Ladestation für E-Autos und -Bikes, Scan&Go, Abholstation.

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