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Store-Check: Meinl am Graben, Wien - Mit Charme innovativ

Die Welt des guten Geschmacks, zeitgemäß präsentiert: Das ist der traditionsreiche Wiener Gourmettempel Meinl am Graben nach einem Totalumbau.

Imposant schwingt sich eine runde Treppenanlage ins Obergeschoss von Meinl am Graben in Wien.
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Von Claudia Jörg-Brosche | Fotos: Peter Schmidt

In bester Gesellschaft

Louis Vuitton, Chanel, Hermès, Dior: Graben und Kohlmarkt sind die exklusivsten Adressen der Wiener Innenstadt und beherbergen viele edle Boutiquen. In dieser erlauchten Nachbarschaft ist der Lebensmittel-Traditionsbetrieb Meinl am Graben seit knapp 70 Jahren als Gourmet-Ikone etabliert. Nun wurde das Feinschmeckerimperium komplett umgebaut. Fazit nach einem Besuch vor Ort: Alles ist neu – und blieb doch beim Alten.

Gourmettempel mit Tradition

Anno 1862 gründete Julius Meinl I. sein kleines Geschäft und expandierte zunächst dank einer innovativen Methode des Kaffeeröstens. Ab 1913 mauserte sich das Familienunternehmen zum größten Lebensmittelkonzern der Monarchie, es war bald nah und fern für seine erlesenen Köstlichkeiten bekannt. 1955 eröffnete die Flaggschiff-Filiale am Graben 19 und war in jener Zeit mit ihren gut gefüllten Delikatessenregalen und einzigartigen Serviceleistungen eine echte Sensation. Meinl am Graben überdauerte in den Folgejahren alle Krisen (die anderen Filialen hingegen wurden allesamt abgegeben) und steht bis heute für Tradition, Genuss und Wertbeständigkeit (Quelle: Gallup Image Tracking, Juni 2018). 92 Prozent der Österreicher kennen das Logo, und in jedem Wien-Reiseführer ist Meinl am Graben als Attraktion für Gourmets zu finden.

Umbauen und Atmosphäre erhalten

Nun wurde das Delikatessengeschäft einem sechs Monate dauernden Umbau unterzogen und eröffnete Ende Oktober 2021 im neuen Glanz wieder. „Die letzte Renovierung erfolgte 1999, die Technik war veraltet: Da mussten neue Lösungen her“, erklärt Geschäftsführer Udo Kaubek. „Bei der umfassenden Modernisierung legten wir besonderen Wert darauf, den Charakter und gewohnten Charme des Standorts zu behalten. Das Ergebnis ist ein Lebensmittelgeschäft mit viel Flair und gleichzeitig auf architektonischem, ökonomischem und technischem Topniveau. Ganz nach dem Motto: Alles bleibt besser!“. Vorhandene historische Möbel wurden – soweit machbar – abgebaut, renoviert und wieder integriert: etwa ein schöner, alter Holzschrank oder ein imposanter Steinbrunnen. Brandneu hingegen ist die Haustechnik: „Für bestmögliche Energieeffizienz stellten wir auf neue Vitrinen und Kühlmöbel mit Glastüren um. Die Kühlung erfolgt nun über Fernkälte der Stadt Wien und nicht mehr über eine hauseigene Anlage im Innenhof. Auch die Lichtgestaltung wurde auf den neuesten Stand der Technik gebracht, die Lampen sind österreichische Produkte aus Graz“, erklärt Kaubek. Auffälligste Novität die Architektur betreffend ist die kühne, runde Treppenanlage in das Obergeschoss, die sich ohne Stütze elegant emporschwingt und dank Flüssigmetallverkleidung mattgolden glänzt. Für Kunden mit Einkaufswagen stehen zusätzlich drei Panoramalifte zur Verfügung. „Die Treppe ist mein Lieblingsstück im neuen Shop. Die Konstruktion war sehr aufwendig, jetzt aber ist sie ein echter Hingucker!“ Mit dem Umbau beauftragte Meinl das Wiener Büro Hamann Architects, insgesamt wurden rund sieben Millionen Euro investiert.

Cafébar statt Restaurant

Das neue Logo präsentiert sich deutlich reduziert, vom einstigen Mohrenkopf im Profil samt Fez und Quaste blieb nur die arabisch-türkische Kopfbedeckung (der Fez) in geradliniger Form. Noch etwas fällt dem Stammkunden auf: Die berühmte Meinl-Weinbar im Souterrain gibt es nicht mehr – und auch das Restaurant im Obergeschoss ist wegen Eigenbedarf des Hauseigentümers gewichen. Dafür gibt es im Eingangsbereich Meinls Cafébar mit 60 Sitzplätzen samt Gastgarten und Kaffeespezialitäten nach über 30 verschiedenen Rezepturen. Die Küche wurde außer Haus verlegt. 

Mehr Produkte auf weniger Fläche

Das Meinl-Imperium ist nun also rund 250 Quadratmeter kleiner. Um das zu kompensieren, wurde die Warenpräsentation überarbeitet und der vorhandene Platz neu verteilt. Kaubek: „Dank geschickter architektonischer Lösungen verfügen wir nun sogar über etwas mehr Regalmeter und Produkte.“ Die vergrößerte Fischtheke (s. Interview) befindet sich nun im Erdgeschoss. Daran schließt die (leicht verkleinerte) Fläche für Obst- und Gemüse an. Die auffallend ansprechende, innovative Art der Schichtung regt zum Zugreifen an: Die vielfältigen Vitaminspender glänzen appetitlich und gut ausgeleuchtet in flachen, kreisrunden Schalen, die wie Präsentierteller wirken und sich – jeweils seitlich versetzt – an der Wand hochziehen. „So können wir ein größeres Sortiment, allerdings jeweils mit kleineren Stückzahlen, präsentieren“, erklärt Geschäftsführer Kaubek. „Das ist zwar personalintensiv, denn es muss permanent betreut und nachgeschichtet werden. Dank geringerem Warendruck und längerer Lagerung im Kühlhaus geht allerdings weniger kaputt.“

Marmor für die Käsetheke

Im Obergeschoss, dort, wo früher das Restaurant war, befindet sich nun die neue Käsetheke aus weißem Marmor. Abteilungsleiterin Daliborka Schatzl liebt an ihrem Arbeitsplatz auch die Lage neben einem großen Fenster: „Der Blick von hier auf die Prachtstraße Graben ist fantastisch!“ Zu ihren 400 Käsesorten zählen auch seltene Delikatessen. Wie beispielsweise der italienische Safrankäse „Verde all Zafferano Presco“, ein „Cremoso al Tartufo“, ein drei Jahre gereifter Bergkäse aus Frankreich oder der norwegische Ziegen-Halbfestkäse Ekte Geitost. Vorbei an der beachtlichen Weinabteilung (hier sind allein 100 Sorten Champagner zu haben – bis hin zur 15-Liter-Großflasche für 2.499 Euro) gelangt der Kunde in die Feinkost- und in die Fleischabteilung mit rund 400 Fleischprodukten in Bedienung. Vieles wird laut Kaubek selbst produziert. Neu im Sortiment sind unter anderem Lungaugold-Biofleisch und Wurstwaren von Spitzenkoch Andreas Döllerer (beide aus dem Salzburger Land), Produkte der Fleischerei Graf aus Leithaprodersdorf (Burgenland) oder Brand & Levi Salami aus Holland. Auch Kurioses steht im Regal, etwa die rein vegane „Gänseleber“ namens Noix Gras. Doch bei Meinl am Graben gibt es nicht nur exquisite, hochpreisige Delikatessen, rund 30 Prozent des Sortiments besteht aus Standardware.

Personal Shopping im LEH

Was unterscheidet Meinl am Graben von anderen edlen Lebensmittelanbietern in der Wiener Innenstadt? „Es gibt nur einen Meinl am Graben – völlig eigenständig und nicht als Flaggschiff einer zentral gesteuerten Supermarktkette“, sagt Geschäftsführer Kaubek. Man agiere beweglich und kurzfristig, statt starrer Schichtpläne gelte hier ein flexibles Ziehharmonikaprinzip. Kaubek betont außerdem die Serviceorientierung. Einzelbestellungen würden bestmöglich erfüllt; Hauszustellung sei möglich. Ein Informationsschalter dient den Kunden als Anlaufstelle für Fragen jeder Art. Gegen Voranmeldung begleitet ein Genussexperte durch das Feinschmeckerparadies – und das kostenfrei: Personal Shopping ist hier also im LEH angekommen.

Marktdaten

Meinl am Graben, Wien

> Adresse: Graben 19, 1010 Wien/Österreich

> Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 bis 19.30 Uhr, Samstag 9 bis 18 Uhr

> Wiedereröffnung: 21. Oktober 2021

> Verkaufsfläche: 1.600 m2

> Anzahl Mitarbeiter: 140

> Artikelanzahl: rund 17.000 bis 18.500 (vor Feiertagen mehr)

> Bio-Produkte: rund 450 > Besonderheiten: Hauseigene Patisserie, Catering, Cafébar.

Interview...

... mit Christian Oberradter, Leiter Abteilung Fisch

Seit wann arbeiten Sie bei Meinl am Graben und in der Fischabteilung?

Ich arbeite seit 1997 hier, 2001 durfte ich – auf eigenen Wunsch – die Fischabteilung übernehmen. Frischfisch ist das interessanteste Produkt. Das Angebot ändert sich je nach Saison laufend. Insgesamt umfasst das Sortiment in der Bedienung 250 frische Fischprodukte. Vor Kurzem bekamen wir einen großartigen ganzen, 200 Kilogramm schweren Bluefin Tuna aus nachhaltiger Zucht in der Iberischen See. Den durfte ich selbst filetieren.

Was sind die Abteilungs-Highlights ?

Da haben wir einen wunderschönen Red Snapper, orange leuchtenden Kaisergranaten zum Kilopreis von 229 Euro, diverse Wildfänge – beispielsweise Wolfsbarsch oder Steinbutt, blaue Gebirgsgarnelen aus Österreich und frische Nordseekrabben. Letztere sind nur bei uns und sonst nirgendwo in Österreich zu bekommen. Sehr beliebt sind auch unsere hausgemachten Tatars vom Thunfisch oder Lachs.

Hand aufs Herz: Wie empfindlich ist Frischfisch tatsächlich?

Fisch bleibt bei richtiger Lagerung erstaunlich lange topfrisch. Auf Unmengen von zerstoßenem Eis gebettet und permanent frisch bedeckt, verliert er über drei bis vier Tage nicht an Qualität.

Hat sich das Verhalten der Fischkonsumenten in letzter Zeit geändert?

Oh ja, das Bewusstsein für beste Qualität – Wildfang und Bio – wächst stetig. Der höhere Preis ist für unsere Kunden nicht von Bedeutung.

Altes Mobiliar wurde gekonnt eingegliedert.
Die Kassenzone, von modernen Kronleuchtern belichtet.
Obst und Gemüse imposant geordnet.

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