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Category Management: Umsatzzuwachs mit System

Warum wird in einer bestimmten Warengruppe gekauft, und wie kann man diesen Verkauf noch weiter steigern? Diese Frage stellen sich Händler schon lange. Antworten darauf liefert das moderne Category Management. Doch was sind die aktuellen Möglichkeiten und Herausforderungen? Ein spannender Blick auf das perfekte Sortiment.

Von Gunnar Brune | Fotos: Relex Solutions / Otso Alasko

Seit gut 30 Jahren verspricht Category Management zweistellige Umsatzzuwächse, glücklichere Shopper, Konsumenten, Händler und Hersteller. Kann das sein? Man könnte denken, die Technik ist ausgereizt. Doch tatsächlich lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Zum grundsätzlichen Verständnis: Der Begriff „Category Management“ wurde von Wirtschaftswissenschaftler Dr. Brian Harris, der an der Universität von Southern California forschte, in den 90er-Jahren geprägt. Im Kern geht es hierbei um die Frage, warum in einer Warengruppe gekauft wird und wie dieser Verkauf gefördert werden kann. In Deutschland ist Birgit Schröder von GS1 Germany eine wichtige Expertin und Treiberin des Themas. Gemeinsam mit Christian Eisenberg, Ange-lika Hense und Dr. Jennifer Meyer hat sie mit dem Buch „Category Management – In acht Schritten zu mehr Erfolg am Point of Sale“ gerade eine umfassende Einführung in diese Thematik veröffentlicht. Ihre Definition? „Category Management beschreibt einen gemeinsamen Prozess von Händlern und Herstellern, bei dem Warengruppen oder auch Servicekategorien als strategische Geschäftseinheiten geführt und gemanagt werden. So sollen der Kundennutzen erhöht und Ergebnisverbesserungen erzielt werden.“ 

Die drei Säulen des modernen CM

Den historischen Weg dahin bereiteten drei neue Sichtweisen, die uns heute logisch erscheinen, aber damals erstmalig in dieser Kombination breite Zustimmung fanden. So ist erstens die Konsumenten- und Shopper-Perspektive ein wichtiger Faktor für den Erfolg im Handel. Die Warengruppen werden deshalb aus Konsumbedürfnissen abgeleitet, das heißt Sortimente und Platzierungen bauen auf den Denkweisen und dem Kaufentscheidungsprozess der Konsumenten auf. Eine Warengruppe oder „Category“ ist dabei eine Gruppe von Produkten, die ein spezielles Konsumbedürfnis bedient. Darunter fallen Produkte, die zueinander in Konkurrenz stehen, wie bei dem Bedürfnis „Snacken“ zwei verschiedene Sorten Kartoffelchips, und Produkte, die sich gegenseitig ergänzen, wie Tortillachips und Dips.

Zweitens muss klar zwischen Konsumenten und Shoppern unterschieden werden. Shopper kaufen ein. Konsumenten konsumieren. In anderen Worten: Eltern können Shopper und Konsumenten sein, Babys nur Konsumenten. Und zu guter Letzt gilt: Handel und Hersteller verhandeln nicht nur um Konditionen, sondern können auch Kooperationspartner sein, also bei verschiedenen Themen in einem Boot sitzen. Der Legende nach war es 1987, als Lou Pritchett, damals Vice President of Sales von Procter & Gamble, den Gründer von Walmart Sam Walton zu einer zweitägigen Kanutour in Arkansas einlud, um ihn zu überzeugen, dass es im Interesse beider Unternehmen wäre, eine Partnerschaft einzugehen. Der Plan ging auf und die Zusammenarbeit der Unternehmen der beiden Männer in einem Boot war sehr erfolgreich. Die Allianz der beiden Giganten forderte Handel und Industrie insgesamt heraus, neue Wege zu gehen und zu kooperieren, um den Shoppern bessere Angebote machen zu können. Dazu müssen viele Prozesse optimiert und effizienter gestaltet werden.  Dieser übergreifende Ansatz wird „Efficient Consumer Response“, abgekürzt ECR, genannt. Das Category Management ist davon die bekannteste Teildisziplin.


Die Top 3 des Category Management

1. Die Konsumenten- und Shopperperspektive ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg im Handel. Die Warengruppen werden deshalb aus Konsumbedürfnissen abgeleitet, das heißt Sortimente und Platzierungen bauen auf den Denkweisen und dem Kaufentscheidungsprozess der Konsumenten auf. Eine Warengruppe oder „Category“ ist dabei eine Gruppe von Produkten, die ein spezielles Konsumbedürfnis bedient. Darunter fallen Produkte, die zueinander in Konkurrenz stehen, wie bei dem Bedürfnis „Snacken“ zwei verschiedene Sorten Kartoffelchips, und Produkte, die sich gegenseitig ergänzen, wie Tortillachips und Dips.
2. Es muss klar zwischen Konsumenten und Shoppern unterschieden werden. Shopper kaufen ein. Konsumenten konsumieren. In anderen Worten: Eltern können Shopper und Konsumenten sein, Babys nur Konsumenten.
3. Handel und Hersteller verhandeln nicht nur um Konditionen, sondern können auch Kooperationspartner sein, also bei verschiedenen Themen in einem Boot sitzen. 



 

Category Management: Insights sind essenziell 

CM ist ein Prozess, der laufend nach neuen Informationen, Entscheidungen und Handlungen verlangt. Die Hersteller verfügen aus ihrer eigenen Marketingforschung über viele Informationen zu Konsum, Konsumbedürfnissen und Shopperverhalten. In der internationalen Marketingsprache werden diese „Insights“ genannt. Der Handel wiederum holt auf und verfügt außerdem mit Kassendaten und Loyalitätsprogrammen über eigene detaillierte Informationen. Konsumenten- und Shopperinsights werden zwingend für den gesamten Category-Management-Prozess benötigt. 

Ein Handelsunternehmen wird im Category Management aus kartellrechtlichen und praktischen Gründen einen bevorzugten Partner auswählen. Dieser wurde lange „Category Captain“ genannt. Doch wie wird er ausgewählt? Von gemeinsamen Kanufahrten ist nichts mehr zu hören. Heute bieten daher viele Hersteller dem Handel die Zusammenarbeit an. Manchmal wird auch ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die Rolle des Category Captains konnte in der Anfangszeit in den USA sehr weit gehen. Es gab Extreme, bei denen Verantwortung für den Erfolg einer Warengruppe fast allein in dessen Händen lag und sein Team für die Arbeit in Büroflächen des Händlers einzog. Die Idee: Kosten sparen und die externen Experten für Konsumbedürfnisse arbeiten lassen. Dies konnte zu Problemen führen, denn oftmals wurden Konkurrenten ausgelistet oder schlechter platziert, Konsumenten wanderten ab, die Käuferreichweite des Händlers sank. Eine Win-win-Situation sieht anders aus. Seitdem schauen Händler und die Kartellbehörden genauer hin. Die Zusammenarbeit im Category Management muss klar und idealerweise schriftlich geregelt sein. Dazu zählen die Ziele, der Handlungsrahmen der Akteure, der Umgang mit Informationen und auch das, was zu unterlassen ist. Der Begriff Category Captain wurde folgerichtig von dem des Category Advisors abgelöst. 


Category Management: Der Handel hat es in der Hand

In Deutschland hat sich Category Management etwas anders entwickelt. Unter Beachtung des Kartellrechts und im hiesigen starken Wettbewerb scheint der Handel immer die letzte Entscheidung behalten zu haben. Neben den Zentralen arbeiten gerade in Deutschland auch die selbstständigen Händler mit Category Management. Sie nehmen eine interessante Position ein. Einerseits betreiben viele Selbstständige ihr eigenes Category Management, und es stehen ihnen neben den eigenen Daten die Vorgaben und viele Informationen der Handelszentralen zur Verfügung. Andererseits können sie dafür aber nicht große und maximal ausgestattete Teams bereithalten. Die Vertriebe der Herstellermarken bieten sich auch hier als Category Advisor an, und es wird gemeinsam experimentiert und optimiert.

Effektives und effizientes Category Management lebt von Daten und Informationen. Durch die modernen Warenwirtschafts- und Kassensysteme entstehen ganz neue Möglichkeiten, und Informationen können durch Automatisierung schneller aggregiert, aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden. Teilweise sind Insellösungen für einzelne Teilaufgaben wie die Erstellung von Regal-belegungsplänen, „Planogramme“ genannt, im Spacemanagement im Einsatz. Das Ziel sind natürlich hochintegrierte Systeme, die über Schnittstellen an vorhandene Datenquellen angebunden sind. Johannes Krüger, Product Owner bei Bison Deutschland, bestätigt dies. Er hat die Erfahrung gemacht, dass der Handel Category Management immer aktiver nutzt und mit den Vorteilen das Interesse an der Anbindung auch externer Daten wie Saisonalität, Großveranstaltungen und Wetter deutlich gewachsen ist. Diese externen Faktoren können teilweise von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt ausgewertet und detailliert in die Modelle des Category Managements integriert werden. 

Planogramme waren lange nur für „Cluster“ beziehungsweise Filialtypen planbar. Mit modernen, hochautomatisierten Anwendungen können Warendisposition und Regalplanung aber bereits filialgenau stattfinden. Regionale Besonderheiten werden von Vollsortimentern und Discountern wie nie zuvor berücksichtigt und geplant. So beschreibt es auch Josef Ilgen, Category Management Principal DACH bei Relex Solutions: „Die meisten Händler führen mittlerweile zwischen 12.000 und 15.000 SKUs mit mehr als 100 Einzelinformationen im Bereich Logistik, Preis, Produktstammdaten, aber auch Produktperformance. Deshalb ist eine manuelle Planung heutzutage kaum noch möglich oder sehr zeitaufwendig. Dazu kommt, dass jede Filiale individuell ist, deshalb sollten sich Händler nicht auf generische Planogramme verlassen. Wer stattdessen auf filialspezifische Regalplanung setzt, steigert nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern auch den Warenumschlag um bis zu zwölf Prozent, reduziert Regalüberfüllungen um 15 bis 25 Prozent und den gesamten Bestand sogar um bis zu 30 Prozent.”

In der Praxis kämpfen Handel und Softwareanbieter aber sehr häufig mit den Schnittstellen und der Einbindung von Warenwirtschaft, Kasse, Konsumentendaten und weiteren externen Informationen in die Category-Management-Software. Die meisten Category Manager jonglieren tatsächlich auch heute noch mit Excel-Tabellen im Daten-Tsunami. Sie kämpfen um den Zugriff auf Daten und deren Zusammenführung und Aufbereitung aus den verschiedenen Systemen. Und sie kämpfen um die Akzeptanz für ihre Maßnahmen: Die Roll-out-Quote liegt nach einer aktuellen Umfrage der GS1 bei nur 63 Prozent. Dabei genügt der Roll-out allein noch lange nicht: „Category Management hört nicht beim Planogramm auf“, sagt Ulrike Pattberg, Geschäftsführerin iMi salesmarketing GmbH. „Die Shopper müssen am PoS geführt und kommunikativ angesprochen werden. Je professioneller das Category Management arbeitet, desto effizienter kann die PoS-Kommunikation den Verkauf unterstützen.“


CM muss gelernt werden

Category Management braucht deshalb in allen Stufen des Prozesses Menschen, die wissen, was sie tun. Wie nie zuvor müssen sie analytische Fähigkeiten haben und mit Daten planen, handeln und optimieren können. Die Ausbildung hält qualitativ und quantitativ mit der technischen Entwicklung mit: In Deutschland wurden allein von der GS1 Germany seit ihrer Einführung über 4.600 Zertifikate für zertifizierte Category Manager ausgestellt. Davon gingen fast 2.000 in den Handel, mit wachsendem Anteil. Dazu kommen viele Fortbildungskurse ohne zertifizierten Abschluss. Birgit Schröder berichtet, dass im Handel die Abteilungen für Category Management und Einkauf heute teilweise komplett zertifiziert sind. In den USA werden von der dortigen Category Management Association sogar zertifizierte Fortbildungen für die speziellen Tools angeboten, die Walmart den Category Advisors zu Verfügung stellt. 

Weltweit wird so eine neue Generation von Category Managern ausgebildet. Und diese werden mit den neuen digitalen Analyse-, Planungs- und Assistenzsystemen den Shoppern ein besseres Angebot machen als jemals zuvor. Vielleicht ist erst jetzt, 30 Jahre nachdem die Prinzipien des Category Managements entwickelt wurden, die Zeit dazu wirklich reif, denn heute stehen die benötigten Daten ebenso zur Verfügung wie gut ausgebildete Category Manager und ausgereifte Instrumente für Analyse, Planung und Umsetzung. Herstellern und Handel gelingt es immer öfter, das ganze Potenzial des Category Managements effektiv umzusetzen. Hier werden die Bedürfnisse der Shopper effizienter bedient. Und das bedeutet mehr Marktanteil und mehr Profit. Ja, im Category Management ist viel von Kooperation zwischen Hersteller und Händler die Rede. Wenn man genauer hinschaut, sieht man: Es ist knallharter Wettbewerb um den Shopper im Handel.

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