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ForscherAuftritt Florian Klaus: Das Ende der Purpose-Blase

Bei Marken drehte sich zuletzt vieles um das Thema „Sinnhaftigkeit“. Viel Energie und Geld wurden in den eigenen Purpose gesteckt. Doch die Krise holt die Unternehmen auf den Boden zurück. Zum Glück, findet Florian Klaus.

Florian Klaus; Foto: Andreas Thomaier Fotohandwerk
Von Alexander Thürer | Fotos: Andreas Thomaier Fotohandwerk

Die fetten Jahre sind vorbei, viele Menschen müssen den Gürtel enger schnallen. Doch nicht nur Verbraucher spüren den kalten Wind. Vielen Unternehmen attestieren Sie nun ein erzwungenes Ende der Purpose-Inflation. Was heißt das?
Schaut man sich die Kommunikation vieler Marken an, dann ist schon auffällig, dass es jetzt wieder vorrangig um klassische Nutzenargumente, den Preis und Verfügbarkeit geht. Das Thema „Weltrettung“ rückt auf einmal in den Hintergrund. Und das ist manchmal ganz angenehm.

War „Purpose“ also am Ende zu oft einfach nur Marketing, das man sich jetzt wieder sparen kann? 
So hart würde ich das nicht ausdrücken, denn Purpose kann natürlich auch sehr viel Sinn machen. Ein gutes Beispiel ist Tesla. Hier hat der Purpose des Unternehmens, also dessen Mission – in diesem Falle die Welt durch Elektrotautos besser zu machen –, direkt mit dem wirtschaftlichen Erfolg zu tun. Ganz häufig werden solche Firmen zudem von starken Persönlichkeiten mit einem glaubwürdigen Ziel geführt. Macht das für Kunden Sinn, wird deren Kaufentscheidung positiv beeinflusst.

Daneben ist Purpose aber in den letzten Jahren für viele Unternehmen zum Standardrezept geworden. Auf einmal haben sich Mayonnaise-marken die Weltrettung auf die Fahne geschrieben. Da hatten viele Menschen das Gefühl, das es eher um das Ego der Leute dahinter geht. Es gibt eine These von Mark Ritson, der sagt, dass du an vielen Stellen Marketingverantwortliche sitzen hast, die ein schlechtes Gewissen bei dem haben, was sie tun. Ist es wirklich sinnvoll, was ich mache? Wird die Welt besser, wenn ich die zehnte Salamiaufschnitt-Variante in den LEH bringe?

Es scheint also das Bedürfnis gegeben zu haben, sich Sinn einzukaufen, zum Beispiel durch einen zurechtkonstruierten Purpose. Jetzt scheint man, auch aus der Not heraus, wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet zu sein und kritischer zu hinterfragen, wo Purpose Sinn machen kann. 

Und was ist mit dem Purpose nach innen? Mitarbeiter werden schließlich immer anspruchsvoller, was die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit angeht …
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann ein nach innen definierter Purpose enorm an Bedeutung gewinnen. Es wird immer wichtiger, dass ein Arbeitgeber seiner Mannschaft sagen kann, was sie hier eigentlich tun und was den Laden zusammenhält. Das können gemeinsame Regeln, Ziele oder die Idee davon sein, wie man sein Business ehrbar gestalten will. Wenn man da ein attraktives, glaubwürdiges Angebot machen kann, ist das ein großer Vorteil. Leider ist in dieser Beziehung zuletzt viel durcheinander gegangen. 

Was sind die praktischen Folgen dieser von Ihnen beschriebenen abflachenden Purpose-Inflation?
Viele Unternehmen müssen jetzt noch mal neu bewerten, in welche Themen sie wirklich Geld investieren wollen. Die Leute fangen krisenbedingt eben wieder an, nach Preis zu kaufen und, wie vorher schon, nach kontextbezogenem Nutzen. Handelsmarken legen enorm zu. Ich finde, es tut gut, sich auf das zu besinnen, was am Ende entscheidend ist: den Leuten ein Angebot im Markt zu machen, das ihr Leben intuitiv bereichert oder leichter macht.
 
Erleben wir also eine Flurbereinigung, bei der am Ende nur jene Purpose-Storys übrigbleiben, an denen auch etwas dran war? Und wird das nicht die Produktvielfalt beeinträchtigen?
Bei jenen, die ihren Purpose bisher nur drübergestülpt haben, weil es Mode war, werden sicher die Finanzabteilungen stärker hinschauen. Aber die, die es schon immer als Teil ihrer DNA getan haben, werden damit sicher auch weitermachen – und in Teilen auch Erfolg haben. Aber es wird leider auch die geben – vor allem in der Start-up-Welt – bei denen trotz eines guten Purpose das Geld schnell knapp wird. Das bedeutet, wir werden in Zukunft weniger Produkte im Handel haben, und gerade Mittelmarken werden unter Druck geraten.

 


ZUR PERSON

Florian Klaus ist Markenpsychologe bei K&A Brand Research. www.ka-brandresearch.com


 

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