Für den Veganuary wurde in Deutschland 2019 erstmals geworben. Wie wichtig ist er?
Wenn man oberflächlich draufguckt, ist es ziemlich leicht, sich über den Veganuary lustig zu machen. Die Gruppe der Verbraucher, die sich den kompletten Januar hindurch vegan ernähren, ist nicht riesig. Hinzu kommt, dass der Monat sowieso relativ leichte Beute für all diejenigen ist, die sich bewusster verhalten wollen, da viele nach dem Dezember ein schlechtes Gewissen haben. Also kann man schnell Kritik üben. Psychologisch gesehen ist es jedoch sinnvoll, den Veganuary und somit ein klares Signal zu haben, dass es gut ist, sich über tierfreie Ernährung Gedanken zu machen. Immer vorausgesetzt, dass Unternehmen das betriebswirtschaftlich wollen.
Es gibt eine signifikante Masse an Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, und Anbieter, die das unterstützen. Den Handel, der dabei hilft. Es gibt noch keine Mehrheit, die mitmacht, aber es wird nach und nach zur Normalität. Solche Regelmäßigkeiten kommen dem menschlichen Wesen entgegen. Wir funktionieren so, dass wir uns an Vorbildern und Routinen orientieren. Das ist für uns Hilfe und Entlastung. Auch wenn es kurzfristig nicht den riesigen Absatz- und Umsatzerfolg verspricht, ist es für Verhaltensänderungen wichtig, Routinen aufzustellen.
Also könnte man sagen: Der Veganuary ist zunächst nur ein Experiment, das zur Umstellung und schließlich zur Routine wird?
Darauf könnte man spekulieren, ja. Der Gedanke kann ja schlecht sein, dass der Januar die Welt besser macht und wir uns für den Rest des Jahres verhalten wie immer. Das war sicher auch als Experimentiermonat gedacht, was psychologisch betrachtet vernünftig ist. Denn wir brauchen diese Probeläufe und Unterstützung. Menschen sind soziale Wesen, sie brauchen das Signal: Mach dir da mal einen Kopf dazu, andere tun es auch. Schließlich sind wir auch Herdentiere. Einer der stärksten Einflussfaktoren, den wir auf menschliches Verhalten kennen, ist: Die anderen machen es auch. Das ist ein starker Treiber für uns. Wir wollen dazugehören.
Wäre die Beteiligung an einem „nur“ vegetarischen Aktionsmonat höher?
Ich glaube schon. Die Verhältnisse sind ein bisschen pyramidal: Wir haben unten eine breite Masse an konventionellen Essern; dann stapeln sich darauf die Flexitarier, darauf die Vegetarier, dann die Veganer. Bei vegan sprechen wir in Deutschland laut Selbstaussage von drei Prozent der Bevölkerung. Wenn wir sagen: Es gibt eine Zielsetzung, die ist betriebswirtschaftlich interessant für Handel und Markenartikler und da wollen wir hin, dann muss ich Ziele, die ich in den Raum stelle, erreichbar gestalten. Veganismus ist ein hohes Ziel. Ich würde aber auch bezweifeln, dass jeder Verbraucher weiß, wofür Veganuary steht. Wir erleben es in Studien regelmäßig, dass Leute die Abkürzung „veg.“ für alles Mögliche nutzen. Das kann vegan, vegetarisch aber auch veggie, also Gemüse, sein.
Was sind allgemein die größten Hürden für die Verbraucher?
Wenn wir über vegan/vegetarisch reden, dann ist eine große Hürde das Nichtwissen, wie ich damit umgehe. Es gibt Marken, die haben nicht umsonst die Gelingsicherheit in den Vordergrund gestellt. Ich muss das Gefühl haben, dass ich da etwas produziere, das mir und den anderen im Haushalt schmeckt. Unser aller größtes Problem ist neues Verhalten. Wir sind nicht gut darin, absichtlich unser Verhalten zu verändern. Außer, wenn sich Rahmenbedingungen ändern und neues Handeln erzwingen.
Da wären wir beim Thema Gemütlichkeit ...
Total, wir sind einfach Herden- und Gewohnheitstiere. Das ist auch sinnvoll. Das Gehirn frisst die größten Energieanteile in unserem Körper. Daher versucht es, möglichst sparsam mit seinen Kapazitäten umzugehen und nicht ständig neu zu denken oder zu entscheiden. Es ist die Aufgabe des Gehirns, möglichst wenig zu denken. Ein bisschen ungünstig …
ZUR PERSON
Florian Klaus ist Markenpsychologe bei K&A Brand Research. www.ka-brandresearch.com