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ForscherAuftritt Florian Klaus: Convenient muss es sein!

Künstliche Intelligenz und neue smarte Tools verändern das Gesicht des Handels. Aber wie hoch ist die Akzeptanz der Kunden eigentlich für all diese Gimmicks, wann steigen sie aus? Für Florian Klaus sind das essenzielle Fragen.

Florian Klaus; Foto: Andreas Thomaier Fotohandwerk
Von Alexander Thürer | Fotos: Andreas Thomaier Fotohandwerk

KI ist überall, auch wenn viele ihr skeptisch gegenüberstehen. Wie sichtbar darf KI sein?
Einfach gesagt: KI kommt immer dann gut an, wenn sie die Bequemlichkeit spürbar steigert. Oder Kosten reduziert. Wenn man Leuten vermitteln kann, dass sie zum Beispiel über einen Algorithmus passgenaue Informationen statt uninteressanter Werbung bekommen, ist die Akzeptanz größer als die Bedenken. Manchmal kommt es aber auch auf den Absender an, das hat kürzlich eine spannende Studie gezeigt.

Dabei ging es um eine Art Tech-Hack, mit dessen Hilfe man die Steuereinheit älterer Smart-Home-Lösungen KI-gesteuert austricksen konnte. Wurde dieses Kästchen nun von einem Handwerker angeboten, war die Kaufbereitschaft bei den Kunden sehr hoch, und auch der Preis war nebensächlich. Ist der Absender aber die große Entwicklerfirma, die mit ihrer technologischen Erfahrung und der Einbindung von KI argumentiert, sind die Kunden, besonders die Deutschen, raus. Hier spielt das Gefühl von Kontrollverlust eine große Rolle.

KI ist also für viele Menschen ein Worst-Case-Szenario?
Manche haben das Gefühl, überflutet zu werden, die Optionen zu verlieren und dass jemand oder etwas anderes entscheidet, welche Alternativen ihnen aufgezeigt werden. Das geht bis zur Angst vor Freiheitsverlust. Wenn man aber auf der anderen Seite den Convenience-Anspruch bedienen und vermitteln kann, dass das Leben der Leute leichter wird, weil vorab eine Auswahl in ihrem Sinn getroffen wurde, dann sind sie bereit, Kontrolle ab- und auch Daten herzugeben. Freiheit ist dann plötzlich nicht mehr so wichtig.

Ist die Lücke Chance für futuristische Grab&Go-Konzepte?
Das ist bis dato so etwas wie der ultimative Lackmustest für KI im Handel. Hier wird dem Kunden in Aussicht gestellt, dass er nicht mehr an der Kasse warten muss, dass nichts und niemand beim Einkaufen stört. Anbieter wie Amazon versprechen glaubhaft, unseren Alltag damit leichter zu machen. Auf der anderen Seite ist da aber schon eine Schwelle, an der viele abspringen, weil sie sagen „Hey, da sind meine Kontodaten und mein Name hinterlegt, und das möchte ich nicht.“

Hinzu kommt, dass wir in Deutschland eine ganz spezielle Vergangenheit mit Diktatur, Überwachung und fremden Entscheidungen haben. Wir sehen hier regelmäßig einen ausgeprägten Ost-West-Unterschied. In den neuen Bundesländern wird der Idee „jemand verwendet meine Daten für irgendetwas und legt ein Profil über mich an“ mit noch mehr Skepsis begegnet.
 
Es gibt neben KI auch Self-Scanning-Kassen. Böse Zungen nennen sie das Vapiano des Handels, bei dem der Kunde die Arbeit macht. Ist das convenient genug, um sich langfristig durchzusetzen?
Ich denke, hier muss man sehen, in welcher Phase wir aktuell sind. Momentan ist Self-Checkout manchmal anstrengender, als sich in die Schlange zu stellen, weil die Adaption und die Erfahrung damit noch so niedrig ist. Das heißt, es ist nicht ungewöhnlich, dass du jemanden vor dir hast, bei dem etwas schiefgeht. Dann stehst du eventuell länger in der Schlange als an der klassischen Kasse und musst noch jeden Artikel selbst scannen, hast also keine Vereinfachung. Wenn Self-Checkout irgendwann in der Breite gelernt ist und sich zur Fast Lane entwickelt, kann es für den Kunden ein echter Vorteil werden.

Aber auch der „Vapiano-Punkt“ ist wichtig. Am Anfang hat das funktioniert, weil es neu und hip war und jeder es mal ausprobieren wollte. Das Outsourcen von Arbeit an den Kunden, ohne gleichzeitig einen echten Benefit zu liefern, war auf Dauer aber ein Problem. Das heißt für den Handel: Wenn du da Geschwindigkeit draufkriegen willst, muss das dem Kunden mittelfristig einen Vorteil bringen, der über unsichere Zeitersparnis hinausgeht. Der einfachste Weg wäre ein kleiner Discount auf den Einkauf oder eine Verlosung im Sinne von „Jeder xte selbst gescannte Einkauf ist kostenlos.“ 


ZUR PERSON

Florian Klaus ist Markenpsychologe bei K&A Brand Research. www.ka-brandresearch.com


 

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