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Der Mund als Markt

Die Verwendung von Zahnbürste und Co. ist meist reinste Routine, Langeweile kommt im Bereich der Mund- und Zahnpflegeprodukte dennoch nicht auf. Insights und verkaufsfördernde Tipps von den Top-Playern der Branche.

Von Sibylle Menzel | Fotos: AdobeStock/Rido

Die Mehrheit der Deutschen pflegt konsequent ihre Mundgesundheit, nach den Marktforschern von Mintel
glauben 77 Prozent hierzulande sogar, dass das Aussehen ihrer Zähne ihr Selbstvertrauen beeinflusst. Selbst in Zeiten allgemeiner Kaufzurückhaltung wird bei den Mund- und Zahnpflegeprodukten jedenfalls zugegriffen: Laut Jahresbericht 2024 des Industrieverbands Körperpflege und Waschmittel (IKW) legte das Segment wie in vorausgegangenen Jahren erneut zu. 2024 wurden 1,98 Millionen Euro umgesetzt, ein Plus von 9,2 Prozent.
 

Shopper nutzen zwar die Bandbreite vom Preiseinstieg bis zum Premiumbereich, zugleich ist eine starke Markenaffinität zu beobachten. Im Vergleich zu anderen Konsumgüterkategorien spielen Eigenmarken bei Zahnpasta und Co. demnach keine allzu große Rolle.

“Verbraucher sind in diesem Bereich stark markenorientiert. Vertrauen und Qualität sind entscheidend. Etablierte Marken mit zahnärztlicher Empfehlung geniessen hohe Loyalität. Gleichzeitig beobachten wir eine zunehmende Offenheit für Innovationen mit echtem Mehrwert. Natürliche Inhaltsstoffe, trendstarke Wirkstoffe oder nachhaltige Verpackungslösungen sprechen besonders jüngere Zielgruppen an. Voraussetzung ist, dass das Produkt relevant ist. Dann sind Konsumentinnen und Konsumenten durchaus bereit, Neues auszuprobieren.” (Weleda)

 

 

Wachstum durch Innovation

“Auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten greifen Verbraucher zu bekannten Marken, denen sie zum Teil seit Jahrzehnten vertrauen. Trotz des höheren Preises von Produkten im Premiumbereich, kann Wachstum mit Innovationen erzielt werden, sprich mit zusätzlichen Benefits”, sagt Alexander Brückner, Head of Sales DACH bei Haleon.

Welche Trends bestimmen den Markt? Alexander Brückner: “Vor allem Zahnpasten mit einem klaren Benefit über die Reinigungsleistung und frischen Atem hinausgehend sind gefragt, etwa mit Inhaltsstoffen gegen Schmerzempfindlichkeit, für die Stärkung des Zahnfleisches oder mit Whitening-Effekt. Parallel spielt Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle, so sind etwa umweltfreundliche Verpackungen zur Mindestanforderung geworden.”

Julia Michel, CMO Laverana, lavera Nturkosmetik: „Im deutschen Markt für Zahn- und Mundhygiene stehen Produkte mit Mehrfachnutzen, schonenden Formulierungen und natürlichen Inhaltsstoffen im Fokus. Verbraucher wünschen sich langanhaltende Frische, Schutz vor Karies und strahlend weißen Zahnschmelz und damit auch milde Whitening-Produkte. Innovative Inhaltsstoffe wie Probiotika und Präbiotika gewinnen an Bedeutung, da sie das orale Mikrobiom unterstützen und somit Zahnfleischentzündungen vorbeugen. Zudem werden neben den Tuben- oder Dispenser Produkten neue Formate wie Zahnpastatabletten, Pulver oder smarte Zahnbürsten mit App-Anbindung immer beliebter – insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Ein weiterer Trend den wir als ‚Skinification‘ beobachten, ist auch auf die Zahnpflege übertragbar. Damit meine ich Zahnpflege mit Wirkstoffen für Zusatznutzen wie gezielte Schutzmechanismen für Zähne und Zahnfleisch sowie gesunde, gepflegte Mundschleimhaut."

Am Point of Sale

Wie kann der Handel auf Markttrends und Verbraucherverhalten reagieren? Die Empfehlungen für eine verkaufsstarke Präsentation:

Julia Michel: „Der Handel kann gezielt auf Markttrends reagieren, indem er innovative und nachhaltige Zahnpflegeprodukte ins Sortiment aufnimmt, familienfreundliche Produkte und Kinderprodukte prominent platziert und sowohl Eigen- als auch Premiummarken anbietet. Preisaktionen, die Betonung von Umweltfreundlichkeit und die Nutzung digitaler Kanäle helfen zusätzlich, verschiedene Zielgruppen anzusprechen und neue Käufer zu gewinnen. Für eine verkaufsstarke Präsentation empfiehlt sich eine klare Segmentierung nach Zielgruppen am Regal, die visuelle Hervorhebung von Neuheiten und Innovationen, zum Beispiel durch Displays oder Probiergrößen. Eine transparente Kommunikation der Inhaltsstoffe, die Platzierung in der Nähe verwandter Kategorien sowie saisonale Aktionen fördern die Kaufbereitschaft und Impulskäufe."  

Dirk Diekmann, Verkaufsdirektor Elektro-Channel für DACH bei Procter & Gamble: “Hier geht es vor allem um den hohen Wiedererkennungswert von starken Marken wie Oral-B, der die Shopper:innen zum Kauf animieren soll. Wir setzen unsere elektrischen Zahnbürsten mit hochwertigen Präsentationseinheiten in Szene, um Konsumenten die Produktwahl am POS zu erleichtern und vernetzte Geräte erlebbar zu machen. So können wir alle empfohlenen Modelle abbilden – vom Preiseinstiegssegment bis hin zu Superpremium. Bei den Aufsteckbürsten setzen wir auf Überfüller-Packs, die zum regelmäßigeren Wechseln anregen sollen und besondere Kaufanreize setzen.”

 

Tablette statt Zahnpasta 

Sie sind fester Sortimentsbestandteil vieler Drogeriemärkte und Handelsketten. Dennoch: „Der Tipping-
Point ist noch nicht überschritten, der Marktanteil von Zahnputztabletten liegt im Promillebereich. Aber die Aufmerksamkeit nimmt zu“, hofft Axel Kaiser. Ihre Vorteile sieht der CEO von Denttabs, Marken und Eigenmarkenhersteller der Tabletten, in drei Aspekten:
Nachhaltigkeit: Keine Tuben, kein Wasser – die Tabletten sind papierverpackt und lösen sich im Mund durch den Speichel. Inhaltsstoffe: Sie kommen ohne Konservierungsstoffe, Schaumbildner, Stabilisatoren oder Keimhemmer aus. Anwendung: Viele Anwender berichten von positiven Effekten, z. B. weniger bis kein Zahnfleischbluten oder Zahnstein und glattere Zähne.

Wie lässt sich der Verkauf ankurbeln? Axel Kaiser: "Entscheidend ist: Sichtbarkeit. Zahnputztabletten müssen dahin, wo Menschen ihre alltäglichen Entscheidungen treffen – direkt ins Regal neben der klassischen Zahnpasta. Der Lebensmitteleinzelhandel spielt dabei eine Schlüsselrolle. Was hilft:
Gezielte Zweitplatzierungen (z. B. am Kassenband oder bei Naturkosmetik), erklärende Displays mit QR-Codes oder Video-Loops, Probiergrößen für Einsteiger:innen – denn wer einmal umstellt, bleibt oft dabei.

Der LEH kann durch mutige Sortimentsentscheidungen unterstützen. Produkte wie Zahnputztabletten gehören deutlich sichtbar ins Hauptregal – und sollten mit Informationen begleitet werden, die ihre Relevanz erklären. Nachhaltigkeit darf nicht nur in der Bio-Ecke stattfinden."

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