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ForscherAuftritt Florian Klaus: Die Stunde der Eigenmarken

Kunden kaufen aus dem Bauch heraus, sagt Florian Klaus. Der Markenberater prophezeit daher den Eigenmarken des Handels eine große Zukunft und rät von zu egozentrischem Marketing ab.

Florian Klaus, Psychologe und Marketingexperte
Von Alexander Thürer | Fotos: Andreas Thomaier Fotohandwerk

Forian Klaus ist der Neue bei ForscherAuftritt. Der Psychologe und Marketingexperte in der Geschäftsleitung der Marktforschungsagentur K&A Brand Research beschäftigt sich mit Verbraucherverhalten und Marketingstrategien.

Krise folgt auf Krise, Corona ist kaum überwunden, schon überschattet die Ukraine alles und schürt neue Ängste. Wie nachhaltig verändert das alles eigentlich das Verbraucherdenken?
Wir beobachten aktuell wieder, wie träge sich Menschen verändern. Insofern ist Verbraucherdenken das eine, Kaufverhalten das andere und in erster Linie von Routinen durchsetzt, die wir uns im Alltag aneignen. Was Menschen ihren Zielen mit wenig Aufwand näher bringt, das merken sie sich. Nach und nach verdichten sich solche Erfahrungen zu einer Art Autopilot, der uns möglichst reibungslos durch den Tag lotst.

Und dieser Autopilot ist immun gegen Krisen?
Da liegt aktuell der Knackpunkt. Wir werden ständig in Social-Distancing-Verlängerung geschickt und jetzt kommt noch Inflation dazu. Das sind beides harte Umfeldfaktoren, die ausreichend Wucht und Zeit haben, uns neue Routinen anzutrainieren. Das bietet dem Handel neue Chancen, etwa beim Thema Eigenmarken. Und bringt Markenartikler, insbesondere die weniger profilierte Mitte, in noch stärkere Bedrängnis.

Gewinnen Marken also zukünftig eher auf der emotionalen Ebene?
Das tun sie schon immer, oder? Selbst besonders günstige Marken werden ja nicht nur wegen des Preises gekauft. Sie vermitteln das gute Gefühl, bestimmte Leistungsfaktoren erschwinglich zu machen. Markenbezogene Emotionen sind allerdings etwas sehr anderes als Emotionen im zwischenmenschlichen Sinn. Da wird sich die Welt gerne schöngeredet. Der Handel schmückt sich gern damit, die Leute sicher durch die Pandemie gebracht zu haben. Aber man darf nicht vergessen, dass die Versorgung mit Lebensmitteln eine Standardanforderung ist. Daher sollte man die emotionale Bindung hier nicht überbewerten.

Sie betonen, dass es bei Kaufentscheidungen vor allem auf den Kontext ankommt. Was bedeutet das?
Im Grunde läuft es darauf hinaus: Die Momente, in denen Kunden eine Entscheidung treffen, haben unweigerlich ein konkretes Umfeld. Das fängt bei früheren Erfahrungen mit der Kategorie an und reicht über situative Bedürfnisse bis hin zum beabsichtigten, konkreten Verwendungsanlass. Abendessen mit der Familie ist etwas anderes als ein Treffen mit Freunden. Alles Abendessen, aber mit anderen Bedingungen, für die ein Produkt die passenden Codes senden muss. Wir erleben ständig, dass Menschen in spezifischen Situationen ihre angeblich tieferliegenden Bedürfnisse über Bord werfen. Marken dürfen sich deshalb immer weniger mit einer fein hergeleiteten Positionierung aufhalten, sondern müssen zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Signale senden.

Menschen entscheiden also mit dem Bauch, nicht mit dem Kopf?
Hundertprozentig ja. Im Prinzip haben wir alle diesen Autopiloten im Kopf, der nicht von alten Trieben herrührt, sondern von unserem Alltagserleben. Der gleicht intuitiv Kontexte mit Lösungen ab, damit wir ohne Burnout durch den Tag und den Supermarkt kommen. Unser Job ist es, Marken physisch, also via Distribution, und mental via Codes möglichst einfach kaufbar zu machen. Leider ist es aber hipper, sich mit Marke zu befassen als mit Verbrauchern. Purpose ist so ein Beispiel. Bei all dem, was täglich auf uns einprasselt, ist die Bereitschaft der Verbraucher, sich mit der Mission von Marken zu befassen, meist überschaubar. Klar, Ausnahmen gibt es und auch völlig andere Gründe für Purpose-Strategien. Investoren sind dafür oft die richtige Zielgruppe, Verbraucher genauso oft nicht.

 

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