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ForscherAuftritt Florian Klaus: Robin Hood & Schwarzer Peter

Der Preiskampf zwischen Handel und Industrie findet heute in der Öffentlichkeit statt – und der Shopper freut sich über die Hilfe in der Not. Wo der Kunde aber klare Grenzen zieht und was Markenartikler jetzt tun können.

Florian Klaus; Foto: Andreas Thomaier Fotohandwerk
Von Alexander Thürer | Fotos: Andreas Thomaier Fotohandwerk

Die Preisschlachten zwischen Handel und Industrie bekommt mittlerweile auch der Verbraucher hautnah mit. Der Handel schlüpft dabei gern in die Rolle des „Robin Hood“, der für das Wohl der Kunden kämpft. Kommt das aber auch so beim Consumer an und wie dankbar ist der tatsächlich?
Das kommt immer auf die Kategorie und den Kunden an. Nehmen wir die Süßware und das Beispiel Rewe und die Auslistung der Mars-Produkte: Da haben wir tatsächlich überwiegend positive Rückmeldungen bekommen. Der Handel hat sich ja schon während Corona zum Freund und Helfer stilisiert. Da passt dieser Kampf um den guten Preis für den Kunden bestens ins Narrativ. Das gilt aber nur in den Kategorien, in denen der Kunde eine Auswahl hat und auch zuvor nicht auf ein Favourite festgelegt war.

Das Entscheidende: Der Kunde empfindet durch Auslistungen keinen individuellen Schaden, wenn er nach wie vor Alternativen hat. Und man hat plötzlich sogar eine Rechtfertigung, Handelsmarken zu kaufen, was ja immer etwas negativ belastet war, vor allem, wenn es ums Teilen ging.

Wenn es in anderen Kategorien aber Favoriten gibt, sieht es mit dem Verständnis und der Dankbarkeit des Kunden anders aus?
Ja, sicher. Wenn jetzt beispielsweise Persil ausgelistet würde, wäre das etwas völlig anderes, denn da hat der Kunde eine persönliche Beziehung zum Produkt, liebt vielleicht den Geruch. Das ist nicht so ohne Weiteres ersetzbar. Und da will der Kunde plötzlich nicht mehr, dass auf seine Kosten politische Kämpfe ausgefochten werden. Das heißt im Klartext: Du kannst als Händler und vor allem mit deinen Handelsmarken beim Verbraucher punkten – aber nicht in jeder Kategorie!

Haben Marken also derzeit eher den Schwarzen Peter, wenn es um die Rechtfertigung von Preissteigerungen geht? Werden sie von Verbrauchern jetzt kategorisch als Abzocker angesehen?
Ich sehe tatsächlich massive Probleme bei vielen Markenartiklern auf uns zukommen, da der angesprochene Schwarze Peter zu 100 Prozent bei ihnen liegt. Dafür gibt es vielfältige Gründe, die sich jetzt auch nicht kurzfristig beheben lassen. Verbraucher haben über Jahre immer wieder Hinweise dafür bekommen, dass sie von Marken übervorteilt werden. Man denke nur an Stiftung Warentest, Foodwatch oder das Thema Shrinkflation! Dem entgegen stehen die kleinen Start-ups, die als „Davids“ mit Themen wie Handwerk, Liebe zum Produkt und fehlender industrieller Abzocke Sympathiepunkte sammeln. Das finden wir bei Markenartikeln nur sehr selten.

Was könnte ein Markenartikler tun, um dieses negative Image wieder zu seinen Gunsten zu drehen? Ist das kurzfristig überhaupt möglich? 
Da braucht es drei Dinge. Punkt eins: Geduld, denn kurzfristig wird das nicht klappen. Imageaufbau braucht eben Zeit. Punkt zwei: Transparenz. Auch das geht nicht von null auf hundert. Aber neue Glaubwürdigkeit braucht eben auch ein Bekenntnis zum Verbraucher. Der dritte Punkt? Wir sehen unglaublich wenig Markenartikler, die das Thema Krise adressieren.

Einerseits hat man natürlich Angst, etwas falsch zu machen. Andererseits kann es auch Sinn haben, auf die heile Welt zu setzen. Kein Krieg, kein Corona, keine Inflation ... Aber ich glaube, dass da eine Riesenchance liegt, gerade jetzt den Elefant im Raum anzusprechen und die eigenen Bemühungen für den Verbraucher zu zeigen, etwa durch eine weniger aufwendige Verpackung. Das ist nicht immer sexy, aber es ist richtig.

Wie lange kann das Spiel mit den Handelsmarken noch gutgehen? Die Margen sind geringer, der Preisanstieg im Vergleich höher ...
Der preisliche Abstand zu Markenartikeln wird kleiner werden. Und da liegt auch so ein bisschen Hoffnung, denn Menschen sind Opportunisten. Sobald der Preisvorteil weg ist, ändern sie auch ihr Verhalten.

 


ZUR PERSON

Florian Klaus ist Markenpsychologe bei K&A Brand Research. www.ka-brandresearch.com


 

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