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Ideen für die Milch-Zukunft

Wie können Molkereien dem Hype um Haferdrink und andere Milchalternativen begegnen? Konzepte für Regionalität und Nachhaltigkeit sowie Informationen sind gefragt – die Initiative Milch mischt kräftig mit.

Von Martina Kausch | Fotos: Adobe Stock/kubais

Die Herausforderungen für Milcherzeuger und Molkereien sind groß: Die Produktion von Trinkmilch tierischen Ursprungs geht zurück, der Absatz von Milchalternativen steigt. 2021 wurden laut Statistischem Bundesamt (Destatis) in Deutschland 7,6 Milliarden Liter Trinkmilch zum Absatz erzeugt, das war der niedrigste Wert seit 2002.

Allein gegenüber dem Vorjahr sank die zum Absatz bestimmte Produktion um 7,1 Prozent. Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ging der Pro-Kopf-Verbrauch von Konsummilch 2021 gegenüber dem Vorjahr um 4,4 Prozent zurück.

Auf der anderen Seite steht das Geschäft mit Milchalternativen. Der Umsatz mit Alternativprodukten lag laut Statista Consumer Insights 2022 bei 610 Millionen Euro – ein Anstieg um 190 Prozent innerhalb von acht Jahren. Besonders beliebt ist die „Milch“ aus Hafer.


Bei 47,4 Kilogramm Milch lag der Pro-Kopf-Verbrauch 2021 in Deutschland. 2015 waren es noch 52,8 Kilogramm gewesen.

Quelle: Bundesanstalt für Ernährung (BLE)


Weidemilch oder Trinkmahlzeit?

Auch wenn der Umsatz von tierischer Trinkmilch immer noch etwa zehnmal so hoch ist wie der mit ihren Alternativen, arbeiten die Molkereien an Strategien, um einerseits das Milchangebot um Sorten wie Bio, laktosefrei, H-Milch, Weidemilch oder Baristamilch zu erweitern, andererseits auch Hybridprodukte mit Haferdrink zu entwickeln und das Angebot kundenfreundlich in unterschiedlichen Größen ins Regal zu bringen.

Oder um Mischprodukte zu pushen: Ehrmann bietet mit dem neuen Produkt Foodie eine Trinkmahlzeit an, die – auf Basis von Trinkmilch – 30 Gramm Protein sowie 26 Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe enthält. Doch auch hier ist der Markt umkämpft: Das Münchner Unternehmen Yfood hat gegen Ehrmann aktuell Klage wegen unzulässiger Produktnachahmung eingereicht, wie Yfood gegenüber der RUNDSCHAU bestätigt.

Kampf mit USPs

Ganz wichtig ist für alle Molkereien die Bemühung um USPs. Themen wie Regionalität und Nachhaltigkeit auch bei Verpackungsfragen werden groß gespielt. „Der große USP der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land liegt in der doppelten Herkunftsgarantie. Der Rohstoff Milch kommt von den eigenen Mitgliedern entlang des nördlichen Alpenkamms, die Verarbeitung der Berchtesgadener-Land-Milchspezialitäten erfolgt ausschließlich am einzigen Molkereistandort in Piding im Berchtesgadener Land,“ erläutert Florian Zielinski vom Verkauf.

Die Molkerei Berchtesgadener Land sei daneben der Trinkmilchspezialist in der Molkereibranche: Verschiedene Rohmilchqualitäten, Erhitzungsverfahren, Verpackungen und Gebindegrößen für unterschiedliche Kundengruppen würden angeboten. Erfasst und verarbeitet würden Bergbauern-Milch, konventionelle Milch aus dem Voralpenland sowie Bio-Alpenmilch in Demeter- und Naturland-Qualität. Die Milchmischgetränke (400 Gramm Tetra Top in vier Sorten) lägen für 2023 im Sommerfokus und würden mit einem Info-Leporello ausgestattet. Die Molkerei setzt auf Mehrweg und hat eine neue Milchflaschenabfüllanlage in Betrieb genommen.

Laktosefrei für die Region

Produkte der Molkerei Hemme sind im Milchregal dank schwarzer Verpackung unübersehbar. Doch allein optische Qualitäten reichen natürlich nicht aus: „Wir reagieren auf verändertes Verbraucherverhalten und haben seit Oktober 2022 auch laktosefreie Milch im Sortiment. Der original Hemme Geschmack bleibt bei dieser Milch erhalten“, berichtet Alwine Hemme, zuständig für Vertrieb und Marketing. „Als Bediener der nordwestlichen Märkte sind wir die einzige regionale Marke, die laktosefreie Produkt anbietet. Damit heben wir uns ab und planen laktosefreien Joghurt für die Zukunft“, so Hemme.

Bio-Heumilch und Hybride

Die eindeutige Herkunft aus dem Schwarzwald mit Nachhaltigkeit und neuen Trends zu verbinden ist die Strategie von Schwarzwaldmilch. „Dementsprechend reicht unser Sortiment von Weidemilch, Bio Milch und Bio Heumilch bis hin zu Schwarzwaldmilch Protein, Milch + Hafer sowie der lactosefreien Milch unter der Marke LAC lactosefrei“, erläutert Moritz Collmar, 

Leitung PR und Marketing bei der Freiburger Molkerei. Seit 2018 gibt es Bio-Heumilch, seit 2021 die Protein-Linie und seit 2022 das erste Hybridprodukt auf dem deutschen Markt (50 % Milch, 50 % Haferdrink). „Dieses Jahr ergänzen wir außerdem unsere Marke LAC lactosefrei um eine Bio-Linie.“ Zum Thema Nachhaltigkeit gibt es ebenfalls Neues: „Aktuell implementieren wir den ZNU-Standard (für Nachhaltiges Wirtschaften der Universität Witten/Herdecke, Anm. d. Redaktion) und werden noch im Laufe dieses Jahres zertifiziert“, so Collmar.

Für Baristas und Hasenfans

Außerdem gibt es noch Milchsorten für besondere Zwecke – und manchmal hilft schlicht Fest-Optik beim Umsatz. Weihenstephan hat die Cappuccino-Fans im Blick und eine Barista Milch (eine H-Milch mit 3 % Fett) auf den Markt gebracht. Außerdem schließt man sich nach Information von Nicole Kormann (Senior PR und Content Managerin) der bundesweiten Kampagne von „Too good to go“ an und macht sich mit dem „Oft länger gut“- Label stark gegen Food Waste. Die Weihenstephan Frischmilch machte im Januar den Anfang, das weitere Portfolio soll laut Unternehmen folgen.

Aber was sind alle diese Initiativen im Vergleich zur Wirkung von Frühlingshasen? Weihenstephan lanciert eine Reihe von Produkten zu besonderen Anlässen im besonderen Look. So gab’s 2023 Milch, Kakao, Sahne, Schlagrahm und Joghurt Natur in verschiedenen Größen und Fettstufen als limitierte Auflage in einer Oster-Designedition. Auf den Packungen führte ein integrierter QR-Code zu österlichen Koch- und Basteltipps und damit aus der Küche ins Familienleben.


INTERVIEW

Neue Bilder für die Milch: Interview mit Kerstin Wriedt, Initiative Milch

Sie sind die Geschäftsführerin: Was ist das Ziel der Initiative Milch, warum wurde sie gegründet, wer trägt sie?
Die Initiative Milch wurde im Jahr 2021 gegründet und wird von Milchbauern und Molkereien getragen. Unser Ziel: Mehr Wertschätzung und Vertrauen für das wertvolle Lebensmittel Milch und für die moderne Milchwirtschaft.

Was erwidern Sie auf Schlagworte und Themen wie Kuh als Klimakiller oder Milch als Allergierisiko?
Wir setzen auf Fakten: Das Methan aus der gesamten Tierhaltung in Deutschland macht nur circa 3,7 Prozent der Gesamtemissionen aus. Bereiche wie Mobilität und Energie sind mit sehr viel mehr Emissionen verbunden als etwa eine Portion Butter auf dem Brot. Wir erzählen vom nachhaltigen Weg der Branche und erleben, dass Verbraucher das sehr schätzen. Klar ist aber auch, dass sich „die Milch“ dazu im Zeitgeist mitbewegen muss. Dazu gehen wir in den offenen Dialog: Ob in unserem Podcast, auf Messen oder in Talk-Runden. Wir wollen informieren und zu Diskussionen anregen, etwa über Nachhaltigkeit.


"Unser Ziel: Mehr Wertschätzung und Vertrauen für das wertvolle Lebensmittel Milch und die Milchwirtschaft."

Kerstin Wriedt, Geschäftsführerin, Initiative Milch


Was muss sich beim Thema Milch ändern? Wie kann das geschehen?
Rund 90 Prozent der Konsumenten haben Milch und Milchprodukte in ihren Kühlschränken, weil sie ihren Geschmack lieben und sie für ihre ausgewogene Ernährung wichtig finden, wie Bonsai Research 2022 festgestellt hat. Gleichzeitig rücken Themen wie klimaschonende Ernährung und Tierwohl in den Vordergrund – nicht nur bei der Generation Z, sondern in allen Altersgruppen. Dementsprechend haben Menschen auch großes 
Interesse daran, ein anderes Bild von der Milch als früher zu finden. Sie fordern Bilder, die darstellen, wie die Milch neue Kreisläufe schafft, Tiere und Natur gleichberechtigt behandelt werden und wie sich Technologie weiterentwickelt – im verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und dem Blick auf Klimaneutralität bis 2050.

Zu den aktuellen Themen gehört auch die Darstellung moderner Milchprodukte, die Lebensfreude vermitteln, daraus ergeben sich neue Aufgaben, denen sich die Branche stellt. Und wir nehmen die Auswirkungen der Milchwirtschaft auf das Klima sehr ernst und treiben Innovationen aktiv voran, um die CO2-Emissionen zu verringern.


besser verkaufen.

Charakteristisch und unübersehbar

Vom Direktvertrieb in den LEH – für diesen Vertriebsschritt mussten 2010 bei der Molkerei Hemme eine Markenidentität und ein unverwechselbares Design geschaffen werden, um für die Produkte „in einem reinen Verdrängungswettbewerb im Kühlregal“ einen Platz zu erkämpfen. So formuliert es das Designbüro Cord Warnecke. Als schwarze Flecken im sonst bunten Milch-Marktumfeld sind die Produkte nun unübersehbar – hier im Rewe-Markt von Georg Szedlak in Gehrden bei Hannover. 

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