Aufmerksamkeit erregen und Sympathie für das Unternehmen gewinnen, so beschreibt Yannik Deusing von Edeka Niemerszein die ersten Schritte, wenn es um die Mitarbeitersuche geht. Was im Anschluss folgen sollte, erzählt Deusing im Gespräch.
Was zählt aus Ihrer Sicht zu den größten Herausforderungen, wenn es um das Thema „Mitarbeiter finden und binden“ geht?
Die größte Herausforderung ist, glaube ich, dass sich deutlich weniger Menschen im Einzelhandel bewerben als noch vor Jahren. Hinzu kommt, dass verschiedene Generationen aufeinandertreffen: Die jungen Menschen, die sich jetzt für eine Ausbildung bewerben, haben ganz andere Anforderungen und Erfahrungen als ihre aktuellen Ausbilder.
Die große Schwierigkeit ist also, Leute zu finden, die überhaupt im Einzelhandel arbeiten wollen, und dann die beiderseitigen Erwartungen anzupassen – sowohl die der Jungen, die kommen, als auch derjenigen, die ausbilden.
Was erwarten denn die jungen Leute?
Freiheit, flexible Arbeitszeiten, möglichst freie Entfaltung, viele möchten reisen. Wir hören auch hin und wieder Sätze wie „Wenn ich fünf Minuten später komme, ist es ja nicht schlimm.“ Natürlich gibt es auch bei uns Berufe, beispielsweise im Büro, in denen diese fünf Minuten tatsächlich nicht tragisch wären. Aber wenn jemand für die Kasse eingeteilt ist, funktioniert diese Einstellung eben nicht. Dementsprechend schwierig ist es, bei solchen Erwartungen die Kompromisse zu finden.
Was sagen Sie jemanden, der kommen möchte, wann es ihm passt?
Auf diese Weise können wir das natürlich nicht bieten. Wir versuchen immer wieder zu erklären, worum es in den Einsatzgebieten geht, und das Verständnis dafür zu schärfen, warum Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit wichtig sind.
Was hat sich in den letzten Jahren geändert, um überhaupt Azubis zu gewinnen?
Als ich 2018 gestartet bin, haben wir an gefangen, große Plakatwände für spezielle Azubikampagnen zu bespielen, und natürlich Zeitungsanzeigen geschaltet – alles, was analog möglich war. Mittlerweile läuft im Grunde fast alles nur noch digital, wir schalten höchstens noch ein, zwei Plakate und Printanzeigen.
Digital haben wir jetzt eine Suchmaschinenoptimierung, die unsere Stellenanzeigen online bewirbt – bei Google, Facebook und Instagram. Unsere Azubis treten auch bei TikTok auf und machen da ganz verrückte Sachen. Wir nutzen also viele digitale Möglichkeiten, um auf uns aufmerksam zu machen und Interessenten auf die Website zu locken.
Über Ihre Website kann man alles für eine Bewerbung hochladen. Könnte ich mich auch mit einem Video bewerben?
Ja, dafür arbeiten wir mit einer Firma zusammen, die Videobewerbungen direkt in einer App anbietet und an uns weiterleitet. Hier bewirbt man sich nicht mit einem Lebenslauf, sondern erstellt ein 60-sekündiges Video. Und auf diese Weise gehen auch Bewerbungen bei uns ein.
In einem unserer Märkte arbeitet aktuell ein sehr zuverlässiger, pünktlicher und fleißiger Azubi, der uns so ein Video gesendet hat – ich glaube, wir haben bis heute noch keinen Lebenslauf von ihm. Eine WhatsApp-Nummer ist übrigens auch auf der Website, mit dem Wunsch, einfach ein Sprach-Memo aufzunehmen, es muss nicht mal ein Video sein.
Funktioniert es heute gar nicht mehr anders oder ist dieses Vorgehen Ihr Wettbewerbsvorteil?
Das ist ganz klar unser Vorteil. Wir bekommen zwar noch relativ viele Bewerbungen per E-Mail zugesandt, aber wenn man potenzielle Bewerber auf die Website gebracht hat, dann muss man auch die Hürden abbauen und versuchen, diese Interessenten kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen.
Es ist schlussendlich nicht wichtig, ob eine Zwei oder Drei auf dem Zeugnis steht. Für uns ist wichtig, dass die Menschen zuverlässig sind und Leidenschaft entfalten können. Es ist definitiv ein Vorteil, es ihnen bei der Bewerbung einfach zu machen.
"Die Auszubildenden bewerben sich nicht bei uns, sondern wir bewerben uns bei ihnen."
Yannik Deusing, Edeka Niemerszein
Die Ansprache, um Auszubildende zu gewinnen, scheint heute auch eine andere zu sein, Niemerszein agiert sehr Social-Media-affin …
Ja, es geht in erster Linie darum, Aufmerksamkeit zu erregen und Sympathie zu gewinnen. Ist das geschafft, können sich Interessenten weiter über die Ausbildung und Karrieremöglichkeiten informieren. Karriere ist ein wichtiges Stichwort, es muss deutlich werden, wo der Weg hinführen kann. Übrigens sind die Azubis auf der Website alle unsere eigenen Auszubildenden, da wird nichts gespielt.
Heißt, man muss die Azubis erst einmal von seinem Unternehmen überzeugen.
Genau, im ersten Schritt bewerben sich nicht die Azubis bei uns, wir bewerben uns bei ihnen.
Welche Benefits erhalten Auszubildende bei Niemerszein?
Wir haben hier sehr viel zu bieten. Neben den Hard Facts (s. unten) ist uns aber vor allem die persönliche Bindung zu den Auszubildenden und ihre individuelle Förderung sehr wichtig. Nicht jeder braucht zum Beispiel eine Fortbildung, sondern erst einmal ein, zwei Jahre persönliche Erfahrung oder auch jemanden unterstützend zur Seite gestellt. Solche Überlegungen vermitteln wir ganz persönlich und individuell auf die Person abgestimmt.
Das heißt, wir gießen nicht mit der Gießkanne Programme aus. Wir klären sehr individuell, wo der Azubi, die Nachwuchskraft, der Mitarbeiter hin möchte und welche Perspektive es für diesen Weg gibt.