Das ist die Mutter aller Kleinflächen: ein Markt an einer Straßenecke in Berlin Kreuzberg, Bushaltestelle direkt vor dem Haus, die Kneipe an der Ecke direkt gegenüber. Vor dem kleinen Eingang stapeln sich im Außenbereich rechts und links frisches Obst, Gemüse in Paletten, ein paar Blumen und ein großer Wandaufsteller mit Topfkräutern zu einem kurzen Weg des Grüns. Eine Markise schützt die Ware, stilvolle Laternenlampen beleuchten schummrig. Innen reiht sich in modernen und gepflegten Regalen vom Boden bis zur Decke ein Sortiment von Apfelsaft bis Zwiebelsoße, Bier aus der Hauptstadt und Brot aus Edekas Eigenproduktion. Dazu Musik für die Stimmung und eine Kasse, an der man bar zahlt, und das bis 21 Uhr. Nah und gut steht auf dem Eingangsschild – dass man es mit Edeka zu tun hat, erkennt der erfahrene Kunde eventuell, wenn er sich von der Seite nähert, blaue Schrift auf gelbem Grund und „Wir lieben Lebensmittel“ liest. Kein Logo, aber eine gute Adresse, „seit 1957“ steht neben dem Schriftzug.
Leitungswasser und Mikrowelle
Szenenwechsel nach Fulda in die Bahnhofstraße. 1957? Nein, März 2021. Ein kleiner urbaner Laden im Tegut-typischen Orange. Das hessische Handelsunternehmen, das Bio und Regionalität zu seiner DNA zählt und damit in seinen Märkten punktet, hat mit dem Konzept Tegut Quartier die geänderten Bedürfnisse vieler (jüngerer) Kunden im Blick. Sie wollen Bio und Regional, aber eben auch ein anderes Denken – hier geht das Team um Gründerenkel Thomas Gutberlet voran. Wo bitte kommt ein Handelsunternehmen sonst auf die Idee, nicht nur Mineralwasser in Flaschen zu verkaufen, sondern die Kunden auch eigene Flaschen mit Leitungswasser füllen zu lassen – und die Flaschen dafür sogar zur Verfügung zu stellen? Der Name des Konzepts ist Programm: Bei Tegut Quartier geht es um Hochfrequenzstandorte. Der Markt? Ein Hybrid aus Supermarkt, Bistro, Kaffeebar und urbanem Servicedienstleister. Man kann sein Smartphone aufladen, Kaffee trinken oder mitnehmen und vor allem: schnell Essen organisieren, das es nicht überall gibt. „Im Tegut Quartier kann sich jeder ganz einfach frisch und ausgewogen ernähren. Manche Produkte sind komplett verzehrfertig, andere können vor Ort mit minimalem Aufwand fertig zubereitet werden. Hierfür stehen Mikrowellen, eine Besteck- und Servicestation und sogar ein Kontaktgrill zur Verfügung“, erklärt Thomas Stäb, Leiter Vertrieb Convenience-Märkte bei Tegut. Bio für die Mikrowelle – wer da Gegensätze erkennt, muss Gedanken wie „das Beste aus zwei Welten“ wohl noch pflegen lernen. Aber: Der Kunde entscheidet.
„Lost in Transaction“?
Gelernt hat Tegut jedenfalls. Laut der Studie „Lost in Transaction“ von Paysafe haben vor allem jüngere Kundinnen und Kunden während der Pandemie ihr Einkaufs- und Bezahlverhalten besonders stark umgestellt. Nur 17 Prozent der 18- bis 24-jährigen Deutschen haben im Frühjahr in Geschäften eingekauft und bar bezahlt, so die Studie. Gerne wird also online bestellt, und gerne werden digitale Paymentlösungen genutzt. Die Studie wurde von einer der nach eigenen Angaben führenden Zahlungsplattformen beauftragt, aber andere Untersuchungen bestätigen die steigende Affinität zum digitalen Ordern, Bezahlen und Tracken. Wenn man nun das Büro mittags aber doch einmal zum Frischeluftschnappen verlassen möchte, sollte man die neuen Shoppingvorlieben auch beim Organisieren der Mittagsstärkung leben dürfen: Also per Smartphone zum Live-Snack samt Akkuladung und etwas Verzichtpflege am Leitungswasserhahn – tickt so die Zukunft der Kleinfläche? „Lost in Transaction“ sieht voraus, dass viele Jüngere nach der Pandemie ihr Verhalten im Wesentlichen beibehalten werden.