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Zukunft Handel (V): Wandeln auf neuen Pfaden

Um die Effizienz zu steigern und den individuellen Kundenbedürfnissen besser Rechnung zu tragen, verändert die Kassenzone zunehmend ihr Gesicht. Vor allem Self-Service-Systeme, bei denen Shopper entweder die Händler-Hardware oder das eigene Smartphone nutzen, werden verstärkt eingesetzt. Ein Überblick über aktuelle Trends.

Von Mirko Jeschke | Fotos: Reinhard Rosendahl, Michael Breuer, EHI

Dass der im Lebensmitteleinzelhandel seit Jahrzehnten bewährte Check-out mit Laufband und Bargeldzahlung langsam aber sicher sein Alleinstellungsmerkmal verliert, ist an der steigenden Zahl innovativ gestalteter Kassenzonen abzulesen. So kommen – nicht zuletzt getrieben durch die Corona-Folgen – immer häufiger Self-Service-Systeme zum Einsatz, bei denen die Kunden selbst den Großteil des Checkout-Vorgangs übernehmen. Gleichzeitig wird an klassischen Bedienkassen eine Reihe zusätzlicher Aufgaben erledigt, von Bankgeschäften bis hin zu Reisebuchungen.

Ungeachtet dessen ist die Anzahl der Kassen im Handel in Deutschland – aufgrund struktureller Veränderungen im Handel und der starken Entwicklung des E-Commerce – nach Erhebungen des EHI Retail Institute mit 976.900 auf den niedrigsten Stand seit 1997 gefallen. Das durchschnittliche Alter einer Kasse beträgt 5,9 Jahre (2020: 5,7 Jahre), nachdem sich die Prioritäten bei der Erneuerung der Kassensysteme pandemiebedingt geändert haben. 64 Prozent der befragten Händler wollen ihre Hardware laut der EHI-Studie in den nächsten Jahren allerdings teilweise oder komplett erneuern.

Easy Shopping im Trend

In ausgewählten Edeka-Märkten haben Kunden die Möglichkeit, schnelle Einkäufe über das sogenannte „Easy Shopper“-Konzept zu erledigen. Der E-Center Weserpark bietet diese Art des Einkaufens, mit speziell ausgestatteten Wagen und der Nutzung der entsprechenden Edeka-App beziehungsweise der Deutschlandcard, seit seiner Eröffnung Ende 2020 an. Dabei scannen die Kunden ihre Produkte mit dem im Einkaufswagen integrierten Scanner selbst und müssen an der Easy-Shopper-Kasse lediglich bezahlen – ohne die Waren nochmals auf ein Kassenband zu legen. Jessica Jacoby, im E-Center Weserpark verantwortlich für die Kassenzone, beobachtet eine hohe Akzeptanz: „Unser Easy-Shopper-Angebot wird sehr gut angenommen, auch weil wir im Vorfeld wie viele andere Edeka-Märkte eine Promotion dazu gemacht haben. Manchmal befinden sich bereits früh morgens rund 20 unserer insgesamt 80 Wagen auf der Fläche im Einsatz. Genutzt werden die Wagen von ganz unterschiedlichen Kundengruppen, auch von älteren.“ Dabei würden viele Kunden die Lösung neben der entsprechenden App auch über die Deutschlandcard nutzen. Cetin Acar, Leiter der Forschungsgruppe IT beim EHI, merkt dazu an: „Systeme wie Easy Shopper eignen sich sehr gut für einen großen Einkauf, während der Check-out an SB-Kassen eher für kleinere Warenkörbe genutzt wird.“

Self Scanning mit „Scan&Go“

Eine weitere Möglichkeit, Zeit beim Shoppen zu sparen und sich zusätzlich einen besseren Überblick zu verschaffen, bieten Edeka und Rewe mit der „Scan&Go“-Funktion an. Dazu müssen sich die Kunden die entsprechenden Apps zuvor auf ihr Smartphone laden. Während des Einkaufs können sie dann die Produkte mittels App scannen und müssen an der Kasse lediglich den QR-Code vorzeigen, um bezahlen zu können. Wie beim Easy-Shopper-System entfällt auch hier das Umpacken, eine weitere Zeitersparnis kann durch „Mobiles Bezahlen“ via App erzielt werden. Ausgewählte Edeka- und Rewe-Märkte bietet Kunden darüber hinaus die Möglichkeit, „Scan&Go“ mit speziellen Handscannern statt des eigenen Smartphones zu nutzen.

Die Akzeptanz dieses vor wenigen Jahren eingeführten Konzepts ist bei Bernd Wilger in Borken bislang noch überschaubar: „Scan&Go wird noch immer nicht so stark angenommen wie erhofft. Wir generieren circa 0,3 Prozent unseres Umsatzes darüber. Unsere Self-Checkout (SCO)-Kassen hingegen weisen einen Umsatzanteil von etwa 3,4 Prozent auf“, erläutert der Kassenverantwortliche Kim Huvers.

SCO-Systeme immer beliebter

Eine steigende Nachfrage im Self-Checkout-Bereich beobachtet auch Jessica Jacoby: „Gerade in den Abendstunden wird dieses Angebot von einigen Kunden sehr gut angenommen. Unsere SB-Kassen werden überwiegend von jüngeren Shoppern angesteuert. Allerdings nutzen wir am Wochenende auch die Gelegenheit, einzelne Kunden direkt an diesen Bereich heranzuführen. Viele sind überrascht, wie einfach der Self-Checkout funktioniert, und wollen ihn beim nächsten Mal erneut ausprobieren.“ Kim Huvers weiß über ähnliche Erfahrungen zu berichten: „Kunden, die einmal selbst gescannt haben, sind oftmals wieder an den SCO-Kassen zu finden, da wir sie mit diesem Service überzeugen konnten.“

Hybrider Einkauf mit „Pick&Go“

Komplett kassenlos einkaufen können Rewe-Kunden seit Oktober 2021 in Köln. Dem Angebot des sogenannten hybriden Einkaufs, also entweder klassisch an der Kasse bezahlen oder ohne Kassenvorgang mit “Pick&Go”, war eine fünfmonatige Testphase vorausgegangen. Bei dem Hightech-System werden die Einkäufe laut Rewe mittels Kamera- und Sensortechnologie sicher und datensparsam erfasst und nach Verlassen des Marktes ohne Kassenvorgang automatisch abgerechnet. Nutzen Kunden den autonomen Check-out, melden sie sich mittels der entsprechenden App an der Schranke an und können in der Folge alle gewünschten Produkte aus den Regalen nehmen, einpacken – und am Ende den Markt einfach verlassen. Die Rechnung erscheint automatisch und zügig im Nachgang in der App. Einkaufs- und Bezahlvorgänge dürften also in Zukunft immer bequemer werden, um die Konsumenten zufriedenzustellen.

Kartenzahlung zunehmend präferiert

Wie sehr sich etwa der Komfort der Kartenzahlung im Verhalten der Menschen verankert hat, zeigt eine Studie im Auftrag der Initiative Deutsche Zahlungssysteme. Obwohl die Angst um die Gesundheit deutlich gesunken ist, sagen heute noch 33 Prozent, dass sie häufiger als vor Corona mit Girocard zahlen. Die Top-Argumente sind nun jedoch „Ich habe mich daran gewöhnt und es klappt gut“ (51 %), „Ich kann immer passend bezahlen“ (41 %) und „Ich habe mich in der Corona-Krise daran gewöhnt, dass es praktisch, schnell und sicher ist“ (39 %).

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