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Anuga-Spezial: Süßwaren

Über 1.150 Aussteller zeigen auf der Anuga die bunte Welt der Süßwaren und Knabberartikel. Dr. Carsten Bernoth, Hautgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI), definiert die Trends und spricht über die Themen, denen sich die Branche künftig zu stellen hat.

Von Sibylle Menzel | Fotos: Adobe Stock/karandaev, Anuga

Welche Trends und Innovationen sind für Sie zukunftsweisend?
Die größte Veränderung in Ernährungsgewohnheiten stellt in den letzten Jahren sicherlich der Verbraucherwunsch nach vegetarischen und/oder veganen Süßwaren, Eis oder Knabberartikeln dar. Ob Schokolade, Kekse, Eis oder Fruchtgummi: Hier gibt es ein breites Produktangebot.

Neben den seit Jahren erfolgreich im Markt vertretenen Produktklassikern bietet die deutsche Süßwarenindustrie weiterhin eine Reihe von Produktvariationen mit reduziertem Zucker-, Fett- und Salzgehalt über alle ihre Produktgruppen hinweg an, wobei unterschiedliche Verpackungsgrößen und wiederverschließbare Verpackungen die Produktpalette zusätzlich verbreitern. Auch Erzeugnisse mit protein- und ballaststoffreichen Rezepturen genauso wie gluten- oder laktosefreie ergänzen das umfangreiche Produktportfolio. 


"Zukunftsweisend bleiben vegetarische und vegane Süßwaren, Knabberartikel und Eis weiter im Trend."

Dr. Carsten Bernoth, Hauptgeschäftsführer, BDSI


Bei aller Innovationskraft der Branche – traditionelle Produkte haben gleichzeitig einen nicht minder großen Stellenwert. Warum scheinen manche Produkte nie aus der „geschmacklichen Mode“ zu kommen?
Auch wenn die Süßwarenindustrie eine sehr innovative Branche ist, sind die klassischen, traditionellen Erzeugnisse tatsächlich das Standbein des Sektors. Die Verbraucher lieben die Produkte, weil sie sie oftmals schon aus ihrer Kindheit kennen – und die möchten sie in der Regel gerne unverändert genießen. Süßwaren, Speiseeis und Knabberartikel sind primär genussbringende Produkte, bei denen der Geschmack an vorderster Stelle steht. Um den Verbraucherwünschen vollumfänglich gerecht zu werden, gibt es neben den Klassikern aber auch zahlreiche neue innovative und reformulierte Produkte für die verschiedenen Ernährungsbedürfnisse.

Wie weit kann sich das Rad bezüglich Produktvariationen oder Reformulierungen eigentlich noch drehen? Wo liegen die Grenzen?
Wie gesagt, der Geschmack hat oberste Priorität, außerdem steht die Sensorik eines Produktes in unmittelbarer Verbindung mit der Verbraucherakzeptanz. Entsprechend verfolgen die Süßwarenhersteller das Ziel, Geschmack, Aussehen, Mundgefühl und Konsistenz bei reformulierten Erzeugnissen in einer vergleichbaren Qualität zu den ursprünglichen klassischen Produkten zu entwickeln. Was sich so leicht anhört, ist in der Praxis oftmals eine sehr herausfordernde Aufgabe.

Während einige Reformulierungen für Verbraucher anhand der Angaben auf den Verpackungen – zum Beispiel zuckerreduziert, zuckerfrei, leicht, fein gesalzen et cetera – deutlich ersichtlich sind, werden andere Reformulierungen wie schrittweise kleine Zuckerreduktionen nicht auf den Verpackungen ausgelobt, das verhindern unter anderem rechtliche Vorgaben. Der Reformulierung von bestehenden Produkten und auch der Entwicklung von Neuprodukten sind klare Grenzen gesetzt. Sie ergeben sich zum Beispiel durch rechtliche Vorgaben für die Zusammensetzung der Produkte, durch rechtliche Restriktionen, durch Qualitäts- und Sicherheitsaspekte – Zucker verhindert beispielsweise in Fruchtfüllungen die Entwicklung von Mikroorganismen und wirkt auf natürliche Weise konservierend – oder Grenzen technologischer Art. Bleiben wir beim Beispiel Zucker: Er macht Gebäck knusprig und trägt zur Bräunung bei, ohne Zucker wäre Speiseeis nicht von cremiger Konsistenz.

Zuckergehalt ist ja ein sehr aktuelles Thema. Die Palette an zuckerfreien und -reduzierten Produkten wächst. Was ist hier noch möglich, was nicht?
Neben den klassischen Rezepturen mit Zucker bietet die Süßwarenbranche in vielen Produktsegmenten vermehrt zuckerreduzierte oder zuckerfreie Varianten an. Bei Kaugummi sind beispielsweise schon seit längerem über 90 Prozent des Produktangebotes zuckerfrei, in anderen Produktsegmenten ist das Angebot an Erzeugnissen ohne Zuckerzusatz, an zuckerreduzierten oder zuckerfreien Produkten über die letzten Jahre stetig gewachsen. Dabei ist es oft nicht einfach, die Zuckermenge zu reduzieren. Denn Zucker hat viele weitere Eigenschaften, als „nur“ für den süßen Geschmack zu sorgen. Für viele Produkte bildet der Zucker den „Körper“, der nicht oder nur eingeschränkt entfernt werden kann. 

Bei manchen Süßwaren kommt hinzu, dass der Einsatz von Alternativen, etwa von Süßstoffen, nicht oder nur eingeschränkt zugelassen ist – bei feinen Backwaren sind Süßstoffe nur sehr begrenzt erlaubt. Es muss also wirklich für jedes Produkt geprüft werden, ob eine Zuckerreduktion überhaupt möglich ist.

Die Branche steht vor etlichen Unwägbarkeiten. Beispielsweise beeinflusst der Klimawandel zunehmend den Kakaoanbau. Mit welchen Problematiken ist zu rechnen? 
Kakaobäume gedeihen ja nur unter speziellen Gegebenheiten. Sie benötigen ein bestimmtes Temperaturniveau, viel Feuchtigkeit und Wasser sowie Schutz vor Wind. Schon jetzt können die Auswirkungen der Erderwärmung in Afrika beobachtet werden. Für die Zukunft sagen Wissenschaftler des Weltklimarats häufig auftretende und intensive Starkregenereignisse und lange Hitzeperioden voraus. Das gilt insbesondere für Westafrika und somit auch für die Hauptanbaugebiete von Kakao: Côte d’Ivoire und Ghana.

Als Konsequenz der Hitzeextreme werden die Bäume also weniger Früchte tragen und die Kakaoernten deutlich geringer ausfallen. Zusätzlich wird die Einlagerung von Wasser durch das flache Wurzelsystem und die großen, breiten Blätter der Pflanzen erschwert. Dürren und Trockenzeiten werden daher dazu führen, dass es immer weniger geeignete Regionen für die Kakaokultivierung geben wird und sich der Kakaoanbau in höhere Lagen verlagern wird. 


4,2 Mio. Tonnen Süßware, Knabberartikel und Speiseeis wurden 2022 produziert, ein Plus von 2,3 Prozent. Der Wert stieg um 8,1 Prozent auf über 14,2 Milliarden Euro. 

Quelle: BDSI


Welche Lösungsansätze kann es geben?
Ein Lösungsansatz für die Zukunft ist vor allem die Förderung der Biodiversität im Anbau. Resilienz gegen die veränderten klimatischen Bedingungen kann durch Optimierung der Anbaumethoden erreicht werden, etwa durch die konsequente Pflanzung von Schattenbäumen wie beispielsweise Bananenbäumen. Die natürliche Bestäubungsleistung von Insekten könnte deutlich verbessert werden, wenn beispielsweise Waldstreifen in der Nähe von Kakaoplantagen erhalten bleiben und Agroforstsysteme im Sinne einer Förderung der Biodiversität gepflegt werden. Wichtig ist insbesondere auch, dass der Kakaoanbau selbst nicht den Klimawandel beschleunigt, indem der tropische Regenwald weiter gerodet wird. Die europäische Entwaldungsverordnung wird dabei ein wichtiger Hebel sein.

Von welchen weiteren Herausforderungen wird das kommende Jahr geprägt sein? 
Außerdem sind die fortschreitende Zersplitterung des EU-Binnenmarktes und Exporthemmnisse sehr herausfordernd für die Branche. Die Exportstärke der deutschen Süßwarenindustrie gerät zunehmend in Gefahr, denn in wichtigen Freihandelsabkommen fokussiert sich die EU-Kommission mit Unterstützung der Bundesregierung einseitig auf den Schutz des Agrarsektors. Dadurch werden trotz der Handelsabkommen die Exporte nun durch hohen administrativen Mehraufwand belastet. In den Abkommen mit Vietnam, Singapur, Japan oder Großbritannien kommt es für den Export von Süßwaren nun allein darauf an, dass die eingesetzten Rohstoffe und insbesondere der Zucker aus der EU stammen. 

Dass die EU zur Deckung ihres Bedarfs auf Zuckerimporte angewiesen ist, zeigt, mit welchen administrativen Schwierigkeiten Exporte mittlerweile verbunden sind. Die Brüsseler Theorie stimmt nicht mehr mit der Praxis in der Produktion überein. Der BDSI fordert deshalb sowohl die europäische Kommission als auch die Bundesregierung auf, Freihandelsabkommen so auszugestalten, dass auch in den Phasen fehlenden EU-Zuckers die europäischen Süßwarenhersteller präferenzrechtliche Exporte vornehmen können. 


Was wird aus Chips-Werbung und Co.?

Das Thema treibt die Branche um: Gesunde Ernährung von Kindern ist das erklärte Ziel im Koalitionsvertrag – die seit Jahren nahezu unverändert bestehende Übergewichtsrate von 15 Prozent bei Kindern und Jugendlichen soll gesenkt werden. 
Bundesminister Cem Özdemir will dafür Schokoriegeln, Eis, Chips und Co. den Garaus machen – zumindest werbetechnisch: Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah vor, Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Salz- und Fettgehalt nur zwischen 22 und 6 Uhr zu erlauben. Mittlerweile gibt es zwar entschärftere Vorschläge, was die Wogen aber kaum glättet. Die Lebensmittelindustrie protestiert nach wie vor. Auch die Haltung des BDSI ist eindeutig. 

Innovationen ohne Schub?

„Die Pläne bedeuten faktisch ein nahezu komplettes Werbeverbot für circa 70 Prozent aller Lebensmittel – und zwar nicht nur gegenüber Kindern, sondern auch gegenüber Erwachsenen. Bundesminister Özdemir erweckt recht geschickt den Eindruck, dass es bei seinen Vorschlägen für Werbeverbote lediglich um an Kinder gerichtete Werbung geht und nur wenige Produkte betroffen sind. Das ist aber beides unwahr“, kommentiert Dr. Carsten Bernoth, BDSI. Und schließlich gebe es keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Werbeverboten auf die Entwicklung von kindlichem Übergewicht – was das Ministerium im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage selbst einräumte. 

Beeinträchtigter Wettbewerb und das Behindern von Innovationen gehöre zu den wirtschaftlichen Folgen bei Durchsetzung der Pläne – die insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen treffen und den Markteintritt aus dem EU-Ausland ausbremsen würden. Bernoth fasst zusammen: „In einem gesättigten Markt wie dem Süßwarenmarkt dient Werbung allein dazu, Marktanteile zu verschieben und neuen Marktteilnehmern Absatzchancen zu ermöglichen. Daher geht das geplante Werbeverbot weit über eine reine Einschränkung der Kommunikation hinaus.“

Deutsche zeigen sich besorgt

Während Özdemirs Vorschläge noch auf Zustimmung der Bundesministerien warten, unterstützen nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag der Verbraucherorganisation Foodwatch 66 Prozent der Deutschen das geplante „Kinderschutz-Gesetz“ und die anvisierte Einschränkung für „Junkfood-Werbung“. 67 Prozent der Befragten seien besorgt, dass Kinder und Jugendliche zu viele Snacks und Süßigkeiten essen. Auf die Frage, wer für die ausgewogene Ernährung der Kinder hauptsächlich verantwortlich sei, antworteten nach einer BDSI-Studie allerdings 79 Prozent der Befragten: die Eltern.


Kontakt zur internatialen Branche

Treffen Sie nationale und internationale Unternehmen von Süßwaren und Knabberartikeln. Die Liste finden Sie unter Feinkost:
www.anuga.de/anuga-aussteller/produktgruppen

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