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Vielfalt im Veganuary

Wer zum Start ins neue Jahr gute Vorsätze mit entsprechenden Umsätzen verbinden will, dem bietet der Aktionsmonat Veganuary die perfekte Gelegenheit dazu. Denn ein Feuerwerk an Produktneuheiten und Kampagnen macht gezielt neugierig auf eine Küche, die gut ist für Körper, Klima, Tierwohl – und Image.

Von Anke Pedersen | Fotos: Adobe Stock/AkuAku

Vermutlich hätte kaum jemand ernsthaft darauf gewettet, dass vegane Ernährung mehr sein könnte als nur der Spleen einiger weniger Ökobewegter. Denn mal im Ernst: Was soll das sein, eine Ernährung, die nicht nur auf Fleisch verzichtet, sondern auf Tierprodukte jedweder Art, von Eiern über Milch bis hin zu Käse und Honig? Eine Ernährung, die getragen ist von dem Wunsch, „die Umwelt zu schützen, Tierleid zu vermeiden, den Klimawandel aufzuhalten und die Gesundheit von Millionen Menschen zu verbessern“? In Deutschland?

Wette verloren! Zehn Jahre ist es her, dass die Erfinder des Veganuary, eine gemeinnützige Organisation gleichen Namens, den ersten Monat des Jahres 2014 kurzerhand zum Veganuary (vegan + Januar) erklärt und 31 Tage lang täglich wechselnde Rezepte für pflanzenbasierte Speisen verschickt haben, um damit möglichst viele Menschen für vegane Ernährung und nachhaltigen Konsum zu begeistern. Seitdem ist nicht nur die Zahl der offiziellen Teilnehmer auf unglaubliche 706.965 weltweit hochgeschnellt – Schätzungen zufolge dürften es sogar zehnmal mehr gewesen sein. Allein in Deutschland haben laut Meinungsforschungsinstitut YouGov neun Prozent der erwachsenen Bevölkerung den Veganuary 2023 zum Anlass genommen, um die vegane Ernährung bewusst auszuprobieren.


46 % der Deutschen sehen sich als Flexitarier, d.h. sie essen möglichst wenig oder nur selten Fleisch und Wurst. Tendenz steigend.

Quelle: BMEL Ernährungsreport 2023


Nicht nur für Veganer und Vegetarier

Kaum zehn Jahre nach Beginn der Veggie-Bewegung ist der Kipppunkt also erreicht und aus dem Nischen- ein Mainstream-Thema geworden. Zwar fällt die Zahl eingefleischter Vegetarier (8 %) und Veganer (2 %) laut BMEL-Ernährungsreport 2023 noch immer vergleichsweise gering aus. Aber bereits 46 Prozent – also knapp die Hälfte – schränken ihren Fleischkonsum bewusst ein und essen möglichst wenig oder nur selten Fleisch und Wurst. Tendenz steigend. Kräftig angefeuert werden diese sogenannten Flexitarier von zahllosen Unternehmen aus Handel, Gastronomie und Produktion: Bereits 2023 lag die Zahl offizieller Veganuary-Partner in Deutschland bei 860; in diesem Jahr dürften es nochmals mehr sein; offiziell gesponsert übrigens von Schwergewichten wie Endori (Nature’s Richness Group) und Billie Green (The Plantly Butchers), zwei Top-Playern auf dem Markt für Fleischersatzprodukte.

Kaufgrund No. 1: Neugierde

Für den LEH heißt es also ebenfalls: Dranbleiben und das Angebot hochhalten! Wie? Rund um den Veganuary zünden die Hersteller wieder ein regelrechtes Feuerwerk veganer Produktneuheiten, um die stetig wachsende Anhängerschaft auf die eigene Vegan- und Geschmackskompetenz aufmerksam zu machen. Wer sein Sortiment in diesem Monat also entsprechend erweitern und bewerben will, hat schon jetzt die Auswahl unter mehr als 50.000 Produkten mit dem Label „V“ für vegan, um die Neugierde der Kundschaft zu befeuern. Und folgt man dem BMEL-Ernährungsreport 2023: „Deutschland, wie es isst“, dann steht Neugier klar auf Platz eins der Gründe, vegane bzw. vegetarische Alternativen dem üblichen Warenkorb hinzuzufügen (73 %). Aber auch die aus Sicht der Befragten bessere Verträglichkeit für Klima beziehungsweise Umwelt, der Tierschutz und der Geschmack sind mit jeweils 63 Prozent kaufentscheidend. Nicht zu vergessen: der Geschmack!


„Für Flexitarier sind Geschmack und Konsistenz nach wie vor die Hauptargumente.“

Matthias Stienken, Managing Director, Endori


Geschmack first

Es dürfte also nicht verwundern, dass sich die Kampagnen vieler Hersteller zum Veganuary 2024 unter der Überschrift „Geschmack first“ zusammenfassen lassen. Allen voran die Hersteller von Fleisch- und Wurstersatzprodukten versprechen einen Gaumengenuss, der von tierischen Alternativen nicht zu unterscheiden ist. „Für Flexitarier sind Geschmack und Konsistenz nach wie vor die Hauptargumente – und für uns die Hauptkriterien“, erklärt etwa Matthias Stienken, Managing Director bei Endori.
Ins neue Jahr startet sein Unternehmen daher mit einer veganen Chicken-Range in den Sorten BBQ, Natur, Kebab und Chili Paprika, deren Textur und Geschmack „dem Original in nichts nachsteht“. Begleitet wird die Innovation mit einer „umfangreichen 360°-Marketing-Offensive mit Out-of-Home-Kampagne, digitalen Promotions, Kooperationen mit Influencern sowie aufmerksamkeitsstarken Verkostungen und Aktionen direkt am Point of Sale“.

Marktführer Rügenwalder Mühle geht noch einen Schritt weiter. Hier verspricht man, weder am Geschmack noch an bisherigen Essgewohnheiten zu rühren: „Beim Fleischverzicht ging es nie um den Geschmack – ganz im Gegenteil: Beim Essen ist der Geschmack das entscheidende Kriterium“, sagt die Leiterin Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeitsmanagement, Claudia Hauschild. „Daher ist es entscheidend, die Verbraucherinnen und Verbraucher dort abzuholen, wo sie stehen. Neuartige Produkte, die nichts mit der Optik, dem Geschmack oder dem Biss zu tun haben, den die Verbraucher bereits kennen, würden erst einmal Irritation und viel Erklärungsbedarf auslösen.“
 

Parallel zum Launch ihres ersten veganen Snacks – einer Snacking-Neuheit aus fluffigem Hefeteig-Brötchen, gefüllt mit veganem Pulled Pork in süß-rauchiger Barbecue Sauce im praktischen To-Go Format – wird die Rügenwalder Mühle daher Produkte aus der ‚Warmen Küche“ in den Fokus ihrer Veganuary-Aktionen stellen. Geplant ist „eine reichweitenstarke Kampagne mit über 100 Millionen Bruttokontakten und hohem Bewegtbildanteil, um so viele Menschen wie möglich zu ermuntern, eine vegane Ernährung auszuprobieren und vegane Produkte zu testen.“ 

Der Spezialist für Salami- und Bacon-Alternativen, Billie Green, will Neugierige dagegen mit exklusiven veganen Rezepten aus seinem eigenen digitalen Kochbuch „easy to cook“ davon überzeugen, seine Produkte „kennen- und lieben zulernen“. Überdies soll es im Januar und Februar eine Gratis-Probieraktion im Handel sowie Probierboxen mit veganen Trendprodukten geben. Der Köder: Wer dem Kassenbon für seine Billie-Green-Produkte während des Aktionszeitraumes auf der Firmenhomepage hochlädt, bekommt den Kaufpreis erstattet. Ein TV-Spot soll diese Aktion entsprechend medienwirksam flankieren.

„Genuss ist Gold wert“

Auch bei Popp Feinkost – nach eigenen Angaben einer der erfolgreichsten Hersteller pflanzlicher Feinkostsalate – will man Flexitarier nicht allein auf verschiedenen Social-Media-Kanälen und TikTok für die neue vegane Salat-Mayonnaise begeistern. Darüber hinaus will das Unternehmen vegane Bestseller wie Popps Eifrei-, Popps Fleischfrei- und Popps Veganen Farmersalat auch in TV-Spots kulinarisch in Szene setzen. Das Motto: „Genuss ist Gold wert“. 

Die E.V.A. GmbH dagegen, Pionier und Vollsortimenter im Bereich der pflanzlichen Käsealternativen, startet nicht nur mit einem neuen Design seiner Marke SimplyV in den Veganuary: Mit kräftigen Farben, klaren Informationen zu Inhaltsstoffen und Nachhaltigkeitsfortschritten sowie Rezeptinspirationen soll die Zielgruppe der Generationen Y und Z systematisch angesprochen und abgeholt werden. Hand in Hand mit dem neuen Markenauftritt geht eine Preissenkung auf das Kernsortiment von 2,99 Euro auf 2,49 Euro einher. Von verschiedenen Social-Media-Aktivitäten, Werbung auf Streaming-Diensten und der Einbindung der Einkaufs-App „Bring!“ ganz zu schweigen.

Süßes oder Knuspriges? 

Einer Statista-Umfrage von 2022 zufolge beschränkt sich die Neugier der Verbraucher aber nicht nur auf Fleisch- und Wurstersatzprodukte (76 %) und Alternativen zu Milch- und Molkereiprodukten (72 %). Immerhin 44 Prozent haben sich auch von alternativen Süßwaren schon locken lassen. Dabei ist es mit Ritter Sport ausgerechnet einer der Veteranen unter den Schokoladenerstellern, der seine Fans mit hippen Leckerlis in eine vegane Zukunft (ver-)führen will: Pünktlich zum Veganuary 2024 hat das schwäbische Familienunternehmen sein bereits 2016 aufgelegtes Vegan-Sortiment um eine neuen Variante ergänzt: Mit dem Crispy Cookie, einem veganen 100-Gramm-Quadrat mit Schokokeksstücken und Cornflakes, soll die rasant gestiegene Nachfrage nach Süßwaren ohne tierische Inhaltsstoffe noch weiter beflügelt werden. Und zwar ohne Ausnahme: „Das vegane Ritter Sport Sortiment richtet sich an alle, die sich gerne bewusst und nachhaltig ernähren und daher auch regelmäßig (oder gelegentlich) zu Produkten ohne tierische Inhaltsstoffe greifen.“ 

Alternative für Milch und Schokolade

Vermutlich lässt sich trefflich darüber streiten, in welche Kategorie der Beststeller von Müller Milch, die Vegan Mousse fällt: Milchprodukt oder Süßware? Egal! Auch das Molkereiunternehmen hat „Geschmack als einen der größten Kategorietreiber“ identifiziert und gelobt „gewohnte Müller-Qualität“ auch für seine vegane Range. Bereits im Oktober ging der neue „Müllerdrink Vegan“ mit Schoko-, Erdbeer-, Bananen- und Cookies-Geschmack an den Start, bzw. die Regale des LEH. Motto: mit Anlauf in den Veganuary.

Auch die VOG-Gruppe konnte das neue Jahr nicht abwarten und hat seine Neuheit bereits auf der Anuga vorgestellt: „Natürlich leben mit Veggò Aquafaba“ – „die vegane Alternative zum Ei“ verbirgt sich hinter diesem etwas sperrigen Namen. Der hat die Jury der „Taste Innovation Show“ nicht davon abhalten können, das aus gekochten Kichererbsen gewonnene Pflanzenextrakt zu einem der Gewinner in der Kategorie Top-Innovationen 2023 zu küren. Immerhin: Aquafaba lässt sich verquirlen wie Eiklar und eignet sich zum Backen ebenso wie für Saucen, Mayonnaisen oder Omelettes und ersetzt mit einer Verpackungsgröße von 500 Mililiter jeweils zehn Eier. Und wie dafür werben? „Pünktlich zum Veganuary bieten wir unseren Handelspartnern attraktive Displays für aufmerksamkeitsstarke Zweitplatzierungen“, sagt Sven Baumgärtel, nationaler Vertriebsleiter und Prokurist der VOG Deutschland GmbH.    


INFO

Hochpreisiger Wachstumsmarkt

Einer aktuellen Studie der Nichtregierungsorganisation ProVeg zufolge ist Deutschland der größte Plantbased-Markt in Europa. Ein weiteres Ergebnis: 59 Prozent der Deutschen haben ihren Fleischkonsum im letzten Jahr reduziert. 
Die meisten greifen laut der Studie aus Gründen der Gesundheit, des Tier- und Umweltschutzes zu pflanzlichen Alternativen. 39 Prozent schrecken vor den meist höheren Preisen zurück. 30 Prozent sehen noch Verbesserungsbedarf beim Geschmack pflanzlicher Optionen.
 

Aktuelle vegane Produkte


INTERVIEW

Sven Baumgärtel, Vertriebsleiter VOG Deutschland

Welche Neuigkeiten gibt es bei VOG?
„Natürlich leben mit Veggò Aquafaba“ ist die vegane Alternative zum Ei. Aquafaba ist als flüssiger Pflanzenextrakt ein Nebenprodukt aus gekochten Kichererbsen und lässt sich wie Eiklar verquirlen. „Natürlich leben mit Soybona“ setzt als vegane Alternative zum Fleisch auf die Kraft der Sojabohne als beste Quelle für pflanzliches Eiweiß. Dank eines schonenden Herstellungsprozesses ohne Chemie, mit rein mechanisch arbeitendem Extruder, sind Natürlich leben mit Soybona-Produkte absolut rückstandsfrei. 

Worauf achten Ihre Kunden?
Die Qualität der Produkte und insbesondere ihre natürlichen Inhaltsstoffe spielen bei der Kaufentscheidung für unsere veganen Sortimente eine zentrale Rolle. Nur fünf Prozent unserer Konsumenten sind Veganer, ca. zwölf Prozent Vegetarier. Den größten Anteil derer, die sich für unsere veganen Produkte entscheiden, bilden zu ungefähr gleichen Teilen Flexitarier und Mischkost-Konsumenten, die einfach mal etwas Neues ausprobieren möchten. Bezüglich der Marke „Natürlich leben mit Soybona“ ist ein weiteres Argument zur Kaufentscheidung die Herkunft der Rohware. Es handelt sich um Bio-Sojabohnen ausschließlich aus österreichischem Vertragsanbau. Nachhaltige Bewirtschaftung und kurze Transportwege sorgen somit für eine positive Umweltbilanz.


3 FRAGEN

Robin Hertscheck, Inhaber Edeka Hertschek

Was sagen Sie Menschen, die vegane Lebensmittel noch nie probiert haben?
Ausprobieren! Vor allem von Fleischersatzprodukten gibt es heute tausende Varianten, und die unterscheiden sich nur noch in Basis und Konsistenz.

Gilt das für alle veganen Lebensmittel?
Käse ist noch nicht ausgereift. Da sollten die Hersteller mehr investieren. Derzeit ist alles auf Basis von Cashewnüssen, und die sind extrem teuer. Auch die Politik sollte hier mehr tun: Es kann nicht sein, dass Kuhmilch nur mit sieben Prozent, Hafermilch aber mit 19 Prozent besteuert wird.  

Wie begeistern Sie Ihre Kunden?
Einer meiner Freude hat einen veganen Food-Truck, zudem organisieren wir Food-Events und Kochkurse. Das kommt gut an. 

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