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Zeitfressern auf der Spur

Zeit ist Geld ‒ ein alter Spruch, der im Handel nicht aktueller sein könnte. Die Personalnot spitzt sich zu, Zeit ist Mangelware. Umso interessanter zu wissen: Wie viel Zeit kosten bestimmte Prozesse, wie etwa die Bewegung der Ware? Eine Studie von POS Tuning und des EHI liefert Antworten für fünf wichtige Warengruppen.

Foto: Adobe Stock/Oliver
Von Sibylle Menzel | Fotos: Adobe Stock/Oliver

Bei den Experten von POS Tuning steht es auf den Unternehmensfahnen: Wie kann mithilfe von Automatisierung und Digitalisierung im stationären Einzelhandel Zeit für das Wichtigste geschaffen werden: den Kunden? Angesichts von Personalnot und gleichzeitig steigenden Löhnen steht der LEH vor Herausforderungen, die den Faktor Zeit zusätzlich in den Fokus rücken. „Um zu verstehen, wo die Zeitfresser sind, und um auch dem Händler zu verdeutlichen, an welchen Stellen Personal aktuell für Tätigkeiten eingesetzt wird, die vermutlich besser automatisiert und/oder digitalisiert werden könnten, haben wir uns entschieden, zusammen mit dem EHI die Studie zum Thema Prozesskosten herauszubringen“, erklärt Oliver Voßhenrich, Geschäftsführender Gesellschafter von POS Tuning.


"Viele Händler mussten schlicht passen, wenn es um die Frage ging, wie viel Zeit das Personal mit den Prozessen der Warenbewegung beschäftigt ist."

(Oliver Voßhenrich, POS Tuning)


Ein wenig beachtetes Thema

Die Studienbetreiber mussten feststellen, dass es im Handelsumfeld bislang nur ein paar wenige Annahmen dazu gibt, wie viel Zeit der Umgang mit der Ware eigentlich beansprucht. „Viele Händler mussten schlicht passen, wenn es um die Frage ging, wie viel Zeit das Personal mit den Prozessen der Warenbewegung beschäftigt ist“, resümiert Voßhenrich. Für den Studienpartner, das EHI Retail Institute, bietet die Themenaufarbeitung somit eine Diskussionsgrundlage, damit sich der LEH zukunftssicher aufstellen kann.

An der gemeinsamen Studie „Personalkosten im Supermarkt ‒ Analyse der Prozesse beim Warenhandling im LEH“, die auf der MLF-Tagung im September bei Edeka Niemerszein in Hamburg erstmals vorgestellt wurde, haben 15 Märkte aus dem MLF-Kreis teilgenommen. Dabei wurden die Angaben sowohl von Verwaltungsebene als auch von Marktleitern und Mitarbeitern erfasst.  

Welcher Zeitbedarf zählt?

Verschiedene Prozessschritte bei der Warenbewegung wurden erfasst und der Zeitbedarf dreier Faktoren festgehalten: Wareneingang, Handling sowie zusammengefasst Bestandskorrekturen und Disposition. Dabei kommen bei Wareneingang und Handling wiederum mehrere Aspekte zum Tragen: 

  • Wareneingang umfasst die Wareneingangskontrolle, die Warenbewegung im Lager inklusive Vorsortieren, das Umpacken in andere Transportmittel sowie den Transport im Markt. 
  • Handling umfasst die Warenverräumung inklusive der Entsorgung des Packmaterials, die bedarfsgerechte Nachverräumung inklusive der Regalpflege sowie die Preisauszeichnung.

Fünf Warengruppen haben die Studienbetreiber ins Visier genommen und dabei auch die Art der Belieferung, die Anzahl der Liefertage und Liefereinheiten sowie Besonderheiten berücksichtigt. Die Diagramme geben die durchschnittlich ermittelten Werte wieder.
 

Personalkosten und -aufwand

Für die Personalkosten (inklusive Arbeitgeberanteil) wurde bei einer Bandbreite von 18,50 Euro bis 29,80 Euro ein durchschnittlicher Wert von 20,50 Euro festgehalten. Die Personalkosten belaufen sich damit im Durchschnitt auf 13,6 Prozent vom Netto-Umsatz. Insgesamt werden 1.690 Arbeitsstunden pro Woche investiert, wiederum der Durchschnittswert aus einer Bandbreite von wöchentlich 1.080 bis 2.800 Stunden.
„Die Transparenz, mit der die Personalkosten dargestellt werden, erlaubt es dem Händler die größten Kostenblöcke zu identifizieren, zu prüfen wie leistungsfähig der eigene Personaleinsatz ist und welche Hebel es gibt, das Personal künftig noch besser einzusetzen“, lautet das zusammenfassende Studienfazit von Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsleitung des EHI. 
 

Die Learnings aus der Studie

Das Handling der Ware, das verdeutlichen die Diagramme auf den ersten Blick, ist der größte Zeitfaktor. „Es kommen zusätzlich viele kleine Aktivitäten zusammen, wie die Regalpflege, nachdem Kunden Waren entnommen haben, die Entsorgung von Umkartons oder das Umordnen des Regals bei Einlistung eines neuen Artikels“, gibt Atzberger zu bedenken. Als Lösungsansatz sieht er Technologien, wie elektronische Regaletiketten oder etwa Vorschubsysteme, die diesen großen Kostenblock optimieren können.

Dass sich Obst & Gemüse mit verderblicher und viel beweglicher Ware als zeitaufwendigstes Sortiment herausstellt, verwundert wenig. Als problematischer wurden die hohen Personalstunden bei der Pluskühlung aufgedeckt. „Auch hier sind MHD und Kleinteiligkeit Treiber der Zeitaufwände, aber bei den engen Margen sollte jede Vereinfachung geprüft werden“, rät Atzberger. Wesentliche Stundeneinsparungen und klare Kostenvorteile konnten hingegen bei Händlern identifiziert werden, die möglichst weite Sortimentsteile in der automatischen Disposition haben. „In der Regel liefert die zunehmend KI-gestützte Disposition auch gute Ergebnisse.“ 

Potenzial: Warenlager

Bei welcher Prozesseinheit ist Potenzial für den Handel erkennbar, um sie kurz- bis mittelfristig zu optimieren? Bei dieser Frage weist Marco Atzberger auf eine Auffälligkeit hin: „Wareneingang inklusive Warenlager finden schon im Planungsprozess relativ wenig Beachtung.“ Klar ist, viele Händler sparen bei Lieferungen aus dem Zentrallager Zeit, indem auf eine detaillierte Wareneingangsprüfung verzichtet und stattdessen die Zahl der Rollis kontrolliert wird.

Außerdem möchte man möglichst wenig Waren „hinten“ gelagert sehen. Dennoch sieht Atzberger im Lager den Vorteil: „Wenn die Bestückung der Paletten und Rollbehälter bereits im Lager regal- und verräumungsoptimiert erfolgt, wird das den Verräumprozess erheblich verkürzen.“ 

Mehr Infos zur Studie

Die Studie „Personalkosten im Supermarkt ‒ Analyse der Prozesskosten beim Warenhandling im LEH“ kann über das EHI bezogen werden: www.ehi.org

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