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Store-Check: Interspar am Schottentor in Wien – Marktpracht mit Ansage

Zehn Millionen Euro hat Interspar Österreich investiert, um an Wiens Prachtadresse Schottentor einen Vollsortimenter mit Restaurant zu eröffnen. Der Standort in der Innenstadt hat es in sich.

Von Martina Kausch | Fotos: Interspar / Brunnbauer

Diese Aufgabe hat etwas von einem Himmelfahrtskommando: Verwandle den historischen Kassensaal eines Wiener Ringstraßenpalais in einen Lebensmittelmarkt. Denn ein solcher Markt benötigt eigentlich nichts von dem, was dieser
Prachtstandort zu bieten hat: Marmorböden, eine Raumhöhe von imposanten vierzehn Metern, Kronleuchter, die nach altem Vorbild nachgebaut werden müssen und die Regale trotzdem nicht adäquat belichten.

Säulen, an die man nichts anschrauben darf, eine Lage im Hochparterre, sodass die gesamte Ware über einen Aufzug auf die richtige Ebene gebracht werden muss. Zur Anlieferung ein einziger Lkw-Parkplatz und für die Kunden acht Parkplätze in einem Parkhaus um die Ecke. Dazu Denkmalschutzauflagen en masse.

Die Liste der Herausforderungen ist noch deutlich länger – und doch hat sich Interspar entschlossen, kein Gegenargument gelten zu lassen und zehn Millionen Euro in den ehemaligen Kassensaal des Wiener Bankvereins zu investieren. Nun ist er in Betrieb, der Prachtmarkt der Superlative mitten in Wien: Interspar am Schottentor.

 

 

Wettbewerber um die Ecke

Aufholen und ein Gegenstück zum Glanzmarkt des Wettbewerbers schaffen, auch das war bei Österreichs LEH-Marktführer
ein Argument für den Schottentor-Standort. Rewe Österreich ist mit Billa Corso rund 1.000 Meter weiter stark präsent, „Hoher Markt“ heißt die edle Adresse, die auf drei Etagen in einem ganz anderen Look daherkommt. Die Spar AG wollte unbedingt einen eingeschossigen Markt, Innenstadtlagen sind aber praktisch nicht zu haben. Also griff man beim Palais zu, baute drei Jahre (ein Jahr länger als geplant) um – und hatte im Juli gleich wieder einen Wasserschaden hinten den Kassen.

Im Gebäude gibt es noch Baustellen. Großer Eingang, kleines Schild Außen glänzt die Wiener Ringstraßenpracht, reiht sich Palais an Palais. Plötzlich ein kleiner Leucht-Schriftzug als Hinweis auf Interspar zwischen den Fassadensäulen der Adresse Schottengasse 6 – 8. Betritt man das Gebäude durch die schwere Gusseisentür, eröffnet sich zunächst eine Begrüßungshalle mit repräsentativer Treppe. Für Fußschwache wurde im Seitenbereich ein Aufzug eingebaut, aber der Weg zum Genuss ist zunächst steil. Vom Entree aus erreicht man auch das jüngste Kind der Interspar: Erstmals betreibt man hier in der City von Wien unter dem Namen Mezzanin ein À-la-carte-Restaurant.

Pasta unterm Oktogon

Oben am Treppenabsatz fällt nun der Blick in den Kassensaal, also den Markt. Der neue Sitz des Wiener Bankvereins begeisterte bei der Eröffnung 1912 auch durch diesen Kassensaal, repräsentative und für eine Bank auch funktionale Architektur, die Vorbild für Bankneubauten in ganz Europa war. Dem Geschmack der Jahrhundertwende entsprechend wird die stuckierte Balkendecke von 20 Atlanten, also Figurenpfeilern, getragen. Am Schnittpunkt der zentralen Gebäudeachsen öffnet sich der Saal zum Oktogon. Diesen Marktmittelpunkt will Interspar nach eigenen Angaben mit besonderen Sortimenten bespielen, seit der Eröffnung im Mai werden hier zum Beispiel beliebte frische italienische Teigwaren angeboten.

Eine Frage des Lichts

Eine schwierige Aufgabe bei der Adaptation der Halle als Lebensmittelgeschäft waren die Lichtverhältnisse, wie Lukas Wiesmüller von Interspar berichtet. Die nach historischem Vorbild neu gefertigten Kronleuchter werfen kein professionelles „Marktlicht“. Während der Mittelteil der Halle über die bleiverglasten Fenster im ersten Stock beleuchtet wird, erhalten die
seitlichen ehemaligen Schalterbereiche sowie das Oktogon Tageslicht über Lichtkuppeln in den Innenhöfen und den Milchglasboden des darüber liegenden Festsaals. Hier ist an neue Deckenbeleuchtung nicht zu denken, die Ware kann aber auch nicht gut belichtet werden.

Vielerorts wurden in den Regalen deshalb unterhalb der Böden Leuchtröhren angebracht, die die Ware darunter beleuchten. Wiener Gärtner als Nahversorger Nun also der Gang durchs neue Lebensmittelparadies. Gleich im Eingangsbereich werden Obst und Gemüse an kleinteiligen Ständen mitten in der Prunkhalle präsentiert. Das Angebot bietet viel Regionales, Ware von den Wiener Gärtnern, denn die 235 Gemüsegärtnereien im kleinsten Bundesland Wien decken mit einer jährlichen Produktion von 50.000 Tonnen zu 60 Prozent den Frischgemüsebedarf der Bundeshauptstadt. In einem Seitenregal gibt es sogar Kräuter, Gemüse und Pilze unverpackt.

Interspar greift an diesem Standort aber auch auf Spezialitäten vom Wiener Großmarkt zurück, etwa mehrfarbige Radieschen im Bund aus den Niederlanden, und auch ausgefallene Wünsche bis hin zu roten Bananen und weißen Auberginen werden erfüllt. Convenience fürs urbane Leben Standortgemäß liegt ein Schwerpunkt des Angebots auf den 1.770 Quadratmetern im Bereich Convenience. Um diese Innenstadtlage herum arbeiten Kunden in Büros, die Universität liegt gleich um die Ecke am Schottenring.

Versorgung für die Mittagspause also ist ein Umsatzthema: Gleich neben dem Eingang gibt es in einer der Nebenhallen das breite Sortiment an Abgepacktem in Regalen, Backstube und Bistro-Theke, hier Market Kitchen genannt. Zur Fleischlaibchensemmel werden dem städtischen Konsumenten Urban Drinks in Extrakühlung geboten, ein breites Angebot von Nenis israelisch-orientalischer Feinkost aus dem Foodunternehmen der Familie Molcho gehört in Wien ebenso dazu wie Mochi-Eis und Asiatisches von Eat Happy.

Kleine Runde ohne Mopro

Man kann also beim Interspar am Schottentor durchaus die kleine Versorgungsrunde durch O&G und Convenience drehen und
den Supersaal wieder verlassen. Eine Milchtüte oder Joghurt erreicht man dann allerdings nicht, der Mopro-Bereich ist in
die hinterste Marktecke verlagert. Stattdessen aber gibt es gleich in der nächsten Abteilung des Kundenlaufs eine Käsetheke vom Feinsten, daneben Fisch und andere Meeresdelikatessen. In Ersterer steht der Stilton unterm Glassturz eindrucksvoll und ideengebend neben der Portweinflasche, das Fischangebot bis hin zu Austern und Wellhornschnecken ist gigantisch und herzerfrischend präsentiert.

Vielerorts im Markt weisen Personal und Hinweisschilder auf den Bestellservice hin, besonders beliebt in der Weinabteilung, die am Ende des großen Rundgangs in einer der imposanten Seitenhallen untergebracht ist. 850 Weine und Schaumweine sind vor Ort, rund 200 exklusiv nur hier im Interspar am Schottentor erhältlich, es gibt eine große Auswahl an gekühlten Weinen und Schaumweinen. Bestellungen von über 2.000 weiteren Weinspezialitäten werden laut Interspar binnen 48 Stunden geliefert. Wer mag, kann aber den gerade vor Ort ausgesuchten Tropfen gegen Stoppelgeld (Korkgeld) auch im Restaurant Mezzanin verkosten.

Wiens Foody-Freu(n)de

Natürlich muss man als Marktbetreiber in der Wiener Innenstadt an Touristen denken. Unter dem Slogan „Von dahoam das Beste! – Genussreise durch Österreich“ verkauft man 447 Produkte von 94 Lieferanten, darunter ist von Steirischem Kürbiskernöl bis zu lokalem Honig und Stecovics fast legendären Gemüsekonserven fast alles, was den Kunden als
Mitbringsel interessieren könnte. Überhaupt legt man im Markt viel Wert auf Regionales.

Dass sich in Wien und Österreich eine Foody-Start-up-Kultur etabliert hat, ist spürbar, wenn die vom „Young & Urban by Spar“-Programm geförderten Innovationen prominent präsentiert werden, beispielsweise die Nussyy Riegel der Wienerin Carina Pirngruber. Hier arbeiten – eine Auszeichnung Interspar am Schottentor soll kein reines Delikatessengeschäft sein, sondern laut Unternehmensmitteilung „allen Wienerinnen und Wienern“ Einkaufsfreude bieten.

Tatsächlich gibt es das Sortiment S-Budget aus dem Preiseinstiegsbereich, in der Fleischtheke liegt neben dem Karee-Kümmelbraten für 1,99 Euro pro hundert Gramm aber auch Beiried vom Wagyu-Rind aus Japan für den Kilopreis von 399 Euro. Anspruchsvolle Aufgaben für das Personal. Am Schottentor arbeiten dürfen die Besten, erklärt Wiesmüller: Die meisten der 160 Mitarbeitenden seien aus anderen Märkten rekrutiert worden. Schließlich muss man auch mit einem zweistöckigen Trockenschrank für Schinkenspezialitäten und einem Dry Ager umgehen.

Logistik-Stress

Fest steht: Interspar am Schottentor zu bespielen ist eine Herausforderung. Die Lagerräume im Gebäude sind für einen solchen Markt unangemessen klein, in der Schnibbelküche ist kaum Platz, es gibt nur einen Warenaufzug. Zum Nachfüllen wurden in Kooperation mit einem Logistik-Forschungsinstitut besondere Auffüllregale konstruiert, die mit dem gleichen Sortiment quasi eins zu eins durch die engen Gänge gefahren werden können. Hier in Wien gilt eben immer wieder: Alles für die Schönheit.

MARKTDATEN:

Interspar am Schottentor, Schottengasse 6 – 8, 1010 Wien/Österreich
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 7.30 bis 20 Uhr, Samstag 8.30 bis 18 Uhr
Eröffnung: 26. Mai 2021
Verkaufsfläche: 1.770 m2
Zahl der Mitarbeiter: 160
Artikelanzahl: rund 25.000
Anzahl Bio-Artikel: rund 3.000
Besonderheiten: „Mezzanin“ ist das erste À-la-carte-Restaurant der Interspar-Gruppe (86 Sitzplätze, 26 Mitarbeiter), Rezeption in der Eingangshalle für Bestellungen und Abholservice

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