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Store-Check Spezial: Updates in der Welt der Robotik und Automaten

Grab & Go oder Pick & Go, Selfscan oder Smart Store? Sieben Jahre nach der Eröffnung des ersten Amazon-Go-Stores in den USA gibt es in Deutschland zwei Läden ganz ohne Kasse. Und Abholautomaten im Feinkostladen.

Foto: Coop/Sapori d‘Italia
Von Martina Kausch | Fotos: Coop/Sapori d‘Italia

Einfach die Offenburger Hauptstraße entlanggehen, die Hausecke Nr. 52 beobachten – aha, hier steht auf der Straße ein Aufsteller, der auf Salate, Piadine und Panini hinweist. Durch die Glasfassade sieht man Salami und Pasta leuchten, an der Tür eine Aufschrift: Sapori 7 bis 18 h, powered by Edeka.

Das ist er, der Ort der neuen Kooperation zwischen Sapori d’Italia und Edeka Südwest, mitten in Offenburg. Keine drei Kilometer weiter liegt die Verwaltung von Deutschlands umsatzstärkstem Lebensmittel-Retailer. Ist Offenburg im Herbst 2022 der Ort neuester Ideen beim Thema Grab & Go?

Kurz vor Weihnachten eröffnete Rewe in München den ersten kassenlosen Supermarkt nach Vorbild von Amazon Go. Die beiden Testmärkte in Berlin und Köln waren noch hybrid, nun hat Rewe den Schritt zur Kassenlosigkeit getan. Und in Hamburg kann man bei Hoody kassenlos einkaufen. Hoody führt ausschließlich Bio-Ware. Damit stellen sich Rewe und ein norddeutsches Technik-Start-up an die Spitze, um den deutschen Konsumenten digital die große Bequemlichkeit beim Einkaufen zu bieten.

Vespa lockt, Robotik liefert

In Offenburgs Hauptstraße 52 geht Edeka Südwest noch weit weniger avantgardistisch vor. In einem italienischen Feinkostgeschäft mit Bistroangebot gibt es einen 24/7-Automaten, bestückt laut Handelsunternehmen mit „über 500 Dingen des täglichen Bedarfs, die der Konsument an zentraler Stelle rund um die Uhr kaufen“ möchte.

„Und so geht’s“, wird dem Benutzer vor Ort per Hinweisschild neben dem QR-Code erklärt: „Artikel am Terminal oder online bestellen, bestellte Ware am Ausgabeterminal abholen, Schale in den dafür vorgesehenen Rückgabeschlitz zurückgeben.“ 


Feinkost in Bedienung plus Abholautomat – ist das Konzept in Offenburg nun das Beste aus zwei Welten?


Tatsächlich ist der Feinkostladen mit rund 60 Quadratmetern reich an Atmosphäre. Anthrazitfarbene Täfelung, ein Strohhut mit grün-weiß-rotem Farbband auf dem Präsentiertisch neben Grissini, Pasta und Salami, eine schicke halbe Vespa als Warentisch. Über den Theken hängen Schinken, freundliche Bedienungen überreichen die Thekenware. Da wirkt ein Automat im Laden fast wie ein Fremdkörper. Oder ist das Konzept in Offenburg nun das Beste aus zwei Welten? 


Italien zieht immer, wusste Coop Schweiz, als das Unternehmen 2017 den ersten Store mit dem Namen Sapori d’Italia im Bahnhof Aarau eröffnete, später kamen in großen Städten drei weitere hinzu. Nach und nach kam Feinkost der Marke Sapori d’Italia in die Schweizer Coop-Regale. Nun also die Expansion nach Offenburg. 

„Online bestellt, QR-Code ging nicht“

Mithilfe des Feinkost-Stores samt nettem Italianità-Personal schließt sich Edeka Südwest dem Trend zu Automaten an. Online oder vor Ort bestellte Ware kann der Kunde rund um die Uhr abholen. Der Feinkostladen schließt um 18 Uhr, hinter einer Trennwand ist der Automat immer zugänglich. Trotzdem monieren User bei Google: „Online bestellt, QR-Code Abholung ging nicht“, „Die Idee ist super, aber in der Umsetzung einfach nur enttäuschend!“

Das Offenburger Geschäft zeigt, wie schwer man sich im deutschen LEH mit vollautomatischen Einkaufslösungen tut. 2016 eröffnete Amazon Go in Seattle den ersten Store, in dem der Konsument sich über eine App anmeldet, hineinspaziert, die Ware in eine Einkaufstasche packt und das Geschäft verlässt, ohne seinen Einkauf an einer Kasse zu scannen oder gar einem Kassierer zu präsentieren.

Sensoren an Regalen registrieren, was der Shopper greift, über die App wird die Warenliste erstellt und die Bezahlfunktion aktiviert. Kameras im Store überwachen das Prozedere. Grab & Go eben.

Sapori-d’Italia mit Edeka 24/7-Automat in Offenburg

Doch obwohl sich das Selbstscannen nach Untersuchungen positiv auf den Umsatz auswirkt und sich die Konsumenten immer bequemeres Einkaufen wünschen, haben die Handelsunternehmen bei digitalen Formaten lange gezögert. Einen großen Schritt tat 2020 ein regionaler Player. Tegut entwickelte unter dem Namen Teo einen Smart Store aus Holz – mit begrüntem Dach und Fahrradreparaturstation, wie es sich für einen sich an Nachhaltigkeit orientierenden Mittelständler gehört. Rund 750 Produkte werden auf rund 50 Quadratmetern angeboten, Zutritt und Bezahlen an der Kasse funktionieren über eine App und Bankkarte.


"Smart Stores sind ein sehr dynamisches Marktsegment in einer boomenden Nische."

Stephan Rüschen, DHBW Heilbronn


Tegut rollt das personallose Kleinstflächenkonzept vom Unternehmensstandort Fulda in Hessen und in angrenzenden Bundesländern aus und betreibt aktuell, Stand Januar 2023, 26 Teos. Vorteil des Systems: Teo kann sowohl alleine stehen, durch die Modul-Bauart aber auch in bestehenden Gebäuden Platz finden. 

Damit hat sich Tegut einen Vorsprung gegenüber allen Smart Stores erarbeitet, die landauf, landab entstehen. Nach einer Untersuchung der Dualen Hochschule Baden Württemberg in Heilbronn sind Smart Stores ein „sehr dynamisches Marktsegment“ in einer „boomenden Nische“, wie Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel/Food Retail und Studiengangsleiter Retail Management im Interview formuliert.
 


INTERVIEW

Stephan Rüschen, Studiengangsleiter Handel, DHBW Heilbronn

Sie haben sich an der DHBW mit dem Thema Smart Stores 24/7 beschäftigt. Die Nische etabliert sich?
Ja. Die Smart Stores unterteilen sich in sogenannte Walk-in-Konzepte, bei denen der Kunde den Verkaufsraum betritt, und Automated Boxes, bei denen die Ware nicht direkt zugänglich ist. Insgesamt ist es ein sehr dynamisches Marktsegment und in den vergangenen zwei Jahren zu einer boomenden Nische im LEH geworden.

Was sind die größten Hindernisse? 
Genehmigungsverfahren, Logistik und das richtige Sortiment sind große Herausforderungen. Außerdem müssen einige Konzepte erst noch ihre Wirtschaftlichkeit unter Beweis stellen.

Wie ist Ihre Prognose?
Gerade in ländlichen Gebieten wird die Zahl der Smart Stores signifikant zunehmen. Grab & Go könnte zur dominierenden Technologie werden, aber auch klassische Regiomaten erleben eine Renaissance. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird es noch neue Konzepte geben, dann wird sich der Markt langsam konsolidieren.


 

Smart Box von Edeka Alpen in Hohwacht

Was Tegut für Teo, ist eine Smart Box für Edeka Nord. Dort präsentiert man stolz den ersten autonomen Store. Die Box mit rund 500 Produkten auf 38 Quadratmetern steht in Hohwacht auf einem Parkplatz direkt an der Ostsee und wird von der ortsansässigen Edeka-Kaufmannsfamilie Alpen betrieben. 

Fast unabhängig von den Handelsunternehmen hat sich Christian Maresch mit seinen Tante-M-Läden entwickelt. Der Franchisegeber agiert von Baden-Württemberg aus, expandiert in Richtung Bayern und Saarland und betreibt mit den Franchisenehmern im Januar 2023 bereits 33 Läden. 

Robotik von Start-ups

Aber was wären alle Versuche, das Einkaufen bequemer zu gestalten, ohne Robotik-Lösungen für das Bereitstellen von Ware in Automaten und Apps? 2020 hatten Philipp Hoening und Max Ittermannn ihr Start-up Smark gegründet und in Stuttgart einen „Emmas Enkel“-Shop mit der selbst entwickelten Robotik ausgestattet.

Mittlerweile vertreibt das Unternehmen einerseits die Robotik und andererseits Tiny-Boxen samt Technik. Und dann ist da noch Patrick Müller-Sarmiento. Der Ex-Real-Vorstand ist Mitgründer des Start-ups Autonomo. Autonomo entwickelt seit 2021 die Technik für autonome Stores. Ob man dort Smartphonezubehör oder Bio-Lebensmittel verkauft, ist dann nur noch eine Wareneinsatz- und Sicherheitsfrage. In Hamburgs feinem Eppendorf ist Autonomos Technik die Grundlage für den ersten kassenlosen Bio-Supermarkt Hoody. 

Smart-Store "Emmas Enkel" in Stuttgart

Bio-Markt "Hoody" in Hamburg

Rewe "Pick&Go" in München


Smart Stores 24/7 – boomende Nische im LEH

ist der Titel einer Untersuchung in der Schriftenreihe der DHBW Heilbronn. Das Whitepaper ist kostenlos downloadbar:

https://handel-dhbw.de/schriftenreihe/whitepaper/smart-stores-24-7-eine-nische-etabliert-sich/

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