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"Die besten Fleischkunden haben die geringsten Tierschutz-Ansprüche"

Der Agrarökonom Achim Spiller ist Professor für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte und Mitglied in der Borchert-Kommission des Landwirtschaftsministeriums. Im RUNDSCHAU-Interview spricht er über das Thema Tierwohl und Billigfleisch.

"Fleisch" "schweinehaltung" "tönnies" "schlachtbetriebe" "borchert" "bmel"
Achim Spiller, Agrarökonom, Georg-August-Universität Göttingen.
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Von Martina Kausch | Fotos: Unternehmen

Welche Rolle spielt der Handel beim Thema Billigfleisch? Warum dauern Veränderungen beim Tierwohl so lange? Kann die Borchert-Kommission den Umbau der Landwirtschaft schaffen? Die RUNDSCHAU fragte Achim Spiller, Professor für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte.

Über Veränderungen in der Schweinehaltung wird schon viele Jahre diskutiert. Was verhindert die Verbesserung?

Achim Spiller: Probleme gibt es auf drei Ebenen. Erstens hat der Gesetzgeber kein staatliches Tierschutzlabel geschaffen. Zweitens ist das Tierwohlthema von Verbraucherseite her schwierig. Die Verbraucher mit den höchsten Ansprüchen beim Tierschutz essen am wenigsten Fleisch, oder andersherum: Die besten Kunden für den LEH, die mit dem höchsten Fleischverzehr, haben die geringsten Tierschutz-Ansprüche. Und schließlich hat die Fleischindustrie das Thema vorsichtig behandelt. Aber jetzt gibt es ja erste Ansätze, beispielsweise bei Lidl und Kaufland. Und Veränderungen in der Landwirtschaft dauern immer lange.

Sie sind ja Mitglied in der Borchert-Kommission des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die Kommission hat im Februar Beratungsergebnisse vorgestellt hat. Welches sind die größten Herausforderungen bei dem Ziel, die Landwirtschaft systematisch umzubauen?

Die zentrale Idee der Kommission, der Wandel in der Landwirtschaft, ist nicht allein über den Markt hinzubekommen. Der Wandel ist mit Kosten von 3 bis 4 Milliarden Euro pro Jahr kalkuliert, Tierwohlprogramme bringen jährlich ca. 150 Millionen Euro. Die klassischen Agrarsubventionen sind nicht schnell änderbar. Man braucht also neues Geld, deswegen die Tierwohlabgabe. Jochen Borchert hat in der Kommission den unbedingten Willen gezeigt, den Umbau in der Landwirtschaft voranzubringen und hat nach der Vorstellung der Ergebnisse sehr viele Hintergrundgespräche geführt. Das Ergebnis ist der Kompromiss zwischen Handel und Wirtschaft. Es gibt Hoffnung, dass der politische Wurf gelingen könnte.

Welche Rolle spielt der Handel beim Thema Fleischpreis? Sollte er im Sinn von mehr Transparenz beispielsweise Kalkulationsmethoden ändern?

Der Handel hat den Kunden preisorientiert erzogen. Durch Sonderangebotskalkulation hat er über Jahre die Preiskompetenz entwickelt, die wir heute erleben. Die Tatsache, dass es heute beim Frischfleisch praktisch nur Handelsmarken gibt, zeigt, dass die Markenbildung gescheitert ist. Mit Marken könnte man andere Preise durchsetzen. Edeka Südwest etwa ist hier eine Ausnahme. Heute ist der Markt intransparent und nicht differenziert. Die Branche ist angreifbar, im Verbraucherverhalten zeigt sich, dass Fleisch an Bedeutung verliert. Der Handel ist nun auf dem Weg zu Transparenz, aber der Weg ist zäh und es ist viel Entwicklungsarbeit notwendig. Ich bin gespannt, ob die aktuelle Debatte bei den Vollsortimentern eine Umorientierung anstößt.

Zur Person 

Seit 2000 ist Achim Spiller Professor für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Konsumentenverhalten, Nachhaltigkeitsmanagement, Animal Welfare und Supply Chain Management im Agribusiness. Spiller arbeitet in zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Gremien mit und gehört zur Borchert-Kommission des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

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Achim Spiller, Agrarökonom, Georg-August-Universität Göttingen.

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